Proteste gegen Korruption in Rumänien

In Rumänien gehen täglich Zehntausende auf die Straße, um gegen eine Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze zu protestieren.

Die Regierung hatte am Dienstagabend per Notverordnung Gesetzesveränderungen verfügt, die korrupte Politiker vor Strafverfolgung schützen. Sie legte dem Parlament außerdem ein Gesetz zur Amnestie von Straftätern vor, die zu weniger als fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Auch davon würden mehrere Politiker profitieren, die wegen Korruption in Haft sitzen.

Am Mittwoch kam es dann in Bukarest und 55 anderen Städten zu heftigen Protesten. Laut Polizei beteiligten sich 250.000 Menschen an den Demonstrationen. Anderen Angaben zufolge sollen es 300.000 gewesen sein. Auch am Donnerstag und Freitag setzten sich die Proteste fort. Teilnehmern zufolge sollen sie mindestens zehn Tage anhalten. Dann tritt die neue Regelung in Kraft, wenn die Regierung nicht vorher den Rückzug antritt.

Die Korruption ist in der rumänischen Politik endemisch. Gegen zahlreiche führende Politiker laufen Ermittlungsverfahren, sie sind vorbestraft oder sitzen in Haft. Nach Angaben der Nationalen Antikorruptionsbehörde (DNA) sind derzeit 2150 Anklagen wegen Amtsmissbrauch in Arbeit. Betroffen ist nicht nur die regierende Sozialdemokratische Partei (PSD), sondern auch alle anderen bürgerlichen Parteien.

Bei den Protesten geht es nur vordergründig um Korruption, die vor allem von jüngeren Vertretern der Mittelklasse als Hindernis für den eigenen sozialen Aufstieg gesehen wird. Dahinter steht ein seit Jahren tobender Machtkampf innerhalb der herrschenden Eliten, der sich um die Aufteilung von Pfründen sowie die außenpolitische Orientierung dreht.

Aufgrund seiner Nähe zu Russland und seiner Grenzlage zur Ukraine und zum Schwarzen Meer spielt das Nato-Mitglied Rumänien eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen der USA, Russland militärisch einzukreisen. Es ist Standort des US-Raketenabwehrschilds und bemüht sich – gemeinsam mit Bulgarien und der Türkei – um den Aufbau einer ständigen Nato-Flotte im Schwarzen Meer, dem wichtigsten Stützpunkt der russischen Marine.

Spannungen zwischen den USA und Europa haben stets einen direkten Widerhall in der rumänischen Innenpolitik gefunden. Mit der Verschärfung dieser Spannungen unter der neuen Administration von Donald Trump nehmen auch die Auseinandersetzungen innerhalb Rumäniens heftigere Formen an. Das ist der Hauptgrund für das Aufflammen der Proteste.

Es ist bezeichnend, dass sich die Europäische Union offen hinter die Demonstrationen stellt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und sein Stellvertreter Frans Timmermans haben in einer gemeinsamen Erklärung ihre „große Sorge über die jüngsten Entwicklungen in Rumänien“ geäußert. Sie forderten: „Der Kampf gegen Korruption muss vorangebracht, nicht rückgängig gemacht werden.“

Auch der Sprecher des deutschen Außenministeriums, Martin Schäfer, erklärte, das Dekret der rumänischen Regierung sei „kein gutes und kein richtiges Zeichen“.

Rumäniens Präsident Klaus Johannis hat sich offen gegen die Pläne der Regierung gestellt. Noch an dem Abend, an dem die Regierung die Gesetzesänderung beschloss, bezeichnete er sie auf seiner Facebook-Seite als „Trauertag für den Rechtsstaat“, der einen „starken Schlag von den Gegnern der Justiz, der Gerechtigkeit und des Kampfes gegen die Korruption“ erlitten habe. Johannis schrieb, es sei seine Mission, den Rechtstaat wiederherzustellen.

Bereits am 22. Januar, als erste Pläne über die Gesetzesänderung durchgesickert waren, hatte sich der Präsident an Straßenprotesten dagegen beteiligt. Das brachte ihm von Seiten des PSD-Vorsitzenden Liviu Dragnea den Vorwurf ein, er wolle sich an einem Staatsstreich beteiligen.

Johannis, der als Gefolgsmann der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gilt, war Ende 2014 zum rumänischen Präsidenten gewählt worden. Wichtigster Gegenkandidat war der damalige Ministerpräsident Victor Ponta von der PSD. Ein Jahr später trat Ponta nach einer Welle heftiger Proteste, die große Ähnlichkeit mit den jetzigen aufwiesen, als Regierungschef zurück.

Die WSWS charakterisierte damals die Proteste mit den Worten: „Hinter den Demonstrationen, die von den Medien als ‚Volksaufstand‘ dargestellt werden, steht das Bemühen der imperialistischen Mächte und der lokalen Eliten, eine Schicht der oberen Mittelklasse als Anhänger ihrer Kriegs- und Sparpolitik heranzuziehen.“

Johannis nutzte den Rücktritt Pontas, um eine Technokratenregierung unter dem parteilosen früheren EU-Kommissar Dacian Ciolos zu installieren, der das Austeritätsdiktat Brüssels rücksichtslos durchsetzte.

Die Folgen für die Arbeiterklasse waren verheerend. Über 25 Jahre nach dem Sturz des stalinistischen Ceausescu-Regimes und zehn Jahre nach dem Beitritt Rumäniens zur EU bleibt es das Armenhaus Europas. Im EU Social Justice Report der Bertelsmann-Stiftung liegt es an siebenundzwanzigster Stelle, nur Griechenland geht es noch schlechter. Der Durchschnittslohn liegt bei 400 Euro im Monat; 40 Prozent der Bevölkerung und 48 Prozent der Jugendlichen unter 18 Jahren sind arm; 28 Prozent der Gesamtbevölkerung leiden unter schweren materiellen Entbehrungen.

Die Politik der Regierung Ciolos war am Ende so verhasst, dass die PSD Anfang Dezember letzten Jahres die Parlamentswahl mit über 45 Prozent der Stimmen gewann. Die Wahlbeteiligung lag allerdings unter 40 Prozent. Anfang des Jahres bildete sie dann unter Sorin Grindeanu eine neue Regierung, gegen die sich nun die Proteste richten.

Die PSD und ihre Vorgängerorganisationen waren seit dem Sturz Ceausescus verlässliche Stützen der kapitalistischen Herrschaft in Rumänien. Eng mit den Gewerkschaften verbunden, unterstützte sie heftige Angriffe auf die Arbeiterklasse, die Privatisierung der staatlichen Betriebe und den Beitritt zur Nato und zur Europäischen Union. Aus Washington, Brüssel und Berlin schlug der Nachfolgeorganisation der ehemaligen stalinistischen Staatspartei trotzdem immer ein gewisses Misstrauen entgegen. Der Vorwurf der Korruption war stets auch ein Synonym für den Verdacht, sie lasse sich von Moskau beeinflussen.

Nun, da die Konflikte zwischen Brüssel und Washington zunehmen, versucht sich die PSD an die Trump-Administration anzubiedern. Der Parteivorsitzende Liviu Dragnea und Premier Grindeanu haben sich öffentlich damit gebrüstet, dass sie während der Amtseinführung Donald Trumps an einem privaten Dinner teilnahmen, bei dem der neue Präsident anwesend war.

Dragnea veröffentlichte dazu Fotos auf Facebook und behauptete, er habe Trump gesagt, dass er die strategische Partnerschaft zwischen Rumänien und den USA auf eine neue Stufe heben wolle. Trump habe ihm geantwortet: “Das werden wir tun! Rumänien ist wichtig für uns!”

Auch mit dem nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn habe er sich getroffen und „die hervorragenden Aussichten der strategischen Partnerschaft zwischen Rumänien und den Vereinigten Staaten“ diskutiert. Er habe Flynn versichert, die neue rumänische Regierung werde sich an die Verpflichtung halten, zwei Prozent des BIPs für Verteidigung auszugeben.

Präsident Johannis reagierte sofort. Sein Büro veröffentlichte eine Erklärung, wonach der rumänische Botschafter in den USA der einzige offizielle Vertreter des Landes bei der Amtseinführung gewesen sei. „Delegationen von Vertretern politischer Parteien oder Institutionen, die sich an Veranstaltungen am Rande der offiziellen Amtseinführungsfeierlichkeiten beteiligen, vertreten nicht den rumänischen Staat.“

Loading