Bremer Asta darf Jörg Baberowski einen Rechtsradikalen nennen

Der Asta der Universität Bremen darf den Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski weiterhin einen Rechtsradikalen nennen. Das entschied das Landgericht Köln am vergangenen Mittwoch. Auch wenn das Gericht andere Äußerungen verbot, bedeutet das Urteil eine eindeutige Niederlage für den Professor der Humboldt-Universität. Die Frankfurter Rundschau (FR) spricht von einem Teilerfolg für den Asta.

Baberowski hatte im November letzten Jahres am Kölner Gericht eine einstweilige Verfügung gegen ein Flugblatt und eine Pressemitteilung des Asta erwirkt. Diese verbot es dem Asta, Baberowskis Flüchtlingshetze und seine reaktionäre Gewalttheorie zu zitieren, und vor allem, den Professor als rechtsradikal zu bezeichnen.

Die einstweilige Verfügung war ohne Anhörung des Asta erlassen worden. Nachdem der Asta Widerspruch dagegen eingelegt hatte und am 15. Februar mündlich verhandelt worden war, entschied das Gericht nun, dass es dem Asta zwar weiter verboten bleibt, Baberowski in bestimmter Weise zu zitieren, die Bewertung als rechtsradikal aber erlaubt ist. Die Kammer machte unmissverständlich deutlich, dass ein „hinreichender tatsächlicher Anknüpfungspunkt auch für solche kritische Äußerungen gegeben“ sei.

Der Asta hatte in seinem Flugblatt folgenden Absatz aus einem Interview Baberowskis mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert und paraphrasiert: „Die Integration von mehreren Millionen Menschen in nur kurzer Zeit unterbricht den Überlieferungszusammenhang, in dem wir stehen und der einer Gesellschaft Halt gibt und Konsistenz verleiht. […] Gemeinsam Erlebtes, Gelesenes und Gesehenes – das war der soziale Kitt, der unsere Gesellschaft einmal zusammengehalten hat.“

Diese Aussagen stellen dem Gericht zufolge einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Bewertung als rechtsradikal dar. Die Kammer stellt auch ausdrücklich fest, dass es sich bei der Äußerung des Asta nicht um „Schmähkritik“ handle, „weil der erforderliche Sachbezug gegeben ist“. An anderer Stelle erklären die Richter, dass im Fokus der Äußerung „nicht die persönliche Kränkung des Verfügungsklägers, sondern die Kritik an seinen politischen Positionen und Formulierungen“ gestanden habe.

Das ist ein wesentlicher Punkt, weil sich Baberowski in etlichen Medien und auch in der Begründung des Antrags für die einstweilige Verfügung immer wieder als Opfer einer Diffamierungskampagne dargestellt hatte, das persönlich angegriffen und verleumdet werde. Auf diese Weise versuchte er, berechtigte Kritik an seinen rechten Standpunkten in einen Rufmord umzudeuten und zu delegitimieren. Ein erheblicher Teil seines Antrags vor Gericht bestand daher auch darin, sich selbst als einen honorigen Professor darzustellen, der aus unerfindlichen Gründen als Rechtsradikaler verunglimpft werde.

Auch dieser Darstellung widersprach das Gericht deutlich. Die Kammer erklärte, „dass der Verfügungskläger sich bewusst dafür entschieden hat, sich in der Öffentlichkeit nicht wohlabgewogen und zurückhaltend, sondern in einer Weise zu äußern, die überwiegend, auch von eher konservativen Medien wie der FAZ, als provokant wahrgenommen wird, so dass er auch deutliche Kritik dulden muss.“

Diese klaren Worte des Gerichts sind ein Schlag ins Gesicht für Baberowski. Der rechte Professor, der selbst in Berlin lebt und arbeitet, war gerade deshalb mit seinem Anliegen nach Köln gegangen, weil die Kammer dort bundesweit den Ruf hat, „besonders häufig Publikationsverbote zu verhängen“, wie die FR kommentiert. Doch selbst dieses Gericht sah sich nicht in der Lage, Studierenden zu verbieten, Baberowski als rechtsradikal zu bezeichnen.

Dabei hat sich die Kammer nach Kräften bemüht, Baberowski so weit wie nur irgend möglich entgegenzukommen. Die weitreichenden Verbote, Baberowski zu zitieren und zu kritisieren, die das Gericht aufrecht erhielt, werden daher kaum einer Berufung standhalten. Das Gericht argumentierte, dass der Asta zwei Zitate verfälscht habe, indem er diese nicht in voller Länge angeführt habe.

Der Asta hatte Baberowski mit den Worten zitiert: „Überall, wo Bürger nicht eingebunden sind, kommt es natürlich zu Aggression.“ Die folgenden Aussagen wurden weggelassen: „Gott sei Dank ist in Deutschland noch niemand umgekommen.“ Zwar seien Asylbewerberheime angezündet worden, und dies sei schlimm genug. „Ich glaube, angesichts der Probleme, die wir in Deutschland haben mit der Einwanderung, die jetzt gerade stattfindet, ist es ja noch eher harmlos, was wir haben...“

Nach Ansicht des Gerichts lässt diese Aussage nicht den Schluss zu, dass es sich bei Aggressionen gegen Flüchtlinge nach Baberowskis Meinung um „eine ‚natürliche‘ Reaktion nicht in Entscheidungsprozesse eingebundener Bürger“ handle.

Zum Kampf gegen Terrorismus hatte der Asta Baberowski folgendermaßen zitiert: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen.“ Nicht zitiert hatte der Asta, dass man sich gut überlegen solle, „für welchen Krieg man a) gerüstet ist und ob man ihn gewinnen kann. Und wenn man ihn nicht gewinnen kann, soll man es lassen.“

Laut Gericht belegen diese Aussagen, „dass der Verfügungskläger es gerade nicht gutheißt, die in der zitierten Passage angesprochenen kriegerischen Mittel anzuwenden“. Tatsächlich belegen diese Aussagen gerade, dass Baberowski keineswegs ein Gegner von Militärinterventionen ist, sondern diese lediglich so führen will, dass sie auch gewonnen werden können. Daran ließ er auch in der zitierten Podiumsdiskussion keinen Zweifel. Die Aussage, Terroristen ließen sich nur mit ihren eigenen, völkerrechtswidrigen Methoden bekämpfen, ist zudem ein klassisches Argument der äußersten Rechten.

Angesichts dieser haarsträubenden Versuche, rechte Positionen vor Kritik zu schützen, hatte der Vorsitzende Richter, Dr. Eßer da Silva, bereits in der mündlichen Verhandlung erklärt, das Gericht habe für die einstweilige Verfügung „in der öffentlichen Diskussion ein bisschen Kritik einstecken müssen“.

Tatsächlich hatte die einstweilige Verfügung schon vor der mündlichen Verhandlung zu massiven Protesten geführt. Das Studierendenparlament der Freien Universität Berlin, die Fachschaftsräte- und -initiativenversammlung der HU und zahlreiche weitere Studierendenvertretungen hatten gegen die Verfügung protestiert und sich mit dem Bremer Asta solidarisiert. Am 1. März hat auch der Asta der Universität Lüneburg seine Solidarität erklärt.

Der Lüneburger Asta versteht diese Solidarität ausdrücklich auch inhaltlich: „Wir halten die Positionen Baberowskis für untragbar und die von verschiedenen Seiten angebrachte Kritik für völlig gerechtfertigt“, heißt es in der Erklärung. In Hinblick auf den Prozess und die bedrohte Meinungsfreiheit fügt der Lüneburger Asta hinzu: „Der AStA der Universität Bremen genießt unsere volle Unterstützung und wir hoffen, dass das zuständige Gericht die Berechtigung der Kritik anerkennt, Baberowskis Klage abschmettert und die einstweilige Verfügung aufhebt, mit der dem AStA seine Kritik untersagt wurde.“

Die Welle der Solidarität erklärt sich aus der weitreichenden Bedeutung des Urteils. Unmittelbar betroffen ist nicht nur der Bremer Asta, sondern sind auch die Studierendenvertretungen in Hamburg, Berlin, Lüneburg und vielen anderen Städten, die ähnliche Kritik an Baberowskis rechtsradikalen Positionen geäußert haben. Hinzu kommen zahlreiche Wissenschaftler und Journalisten. Baberowski ist bereits gerichtlich gegen einen kritischen Artikel des Historikers Tobias Bütow vorgegangen und hat den Sprecher der IYSSE Deutschland, Christoph Vandreier, eine Unterlassungsaufforderung geschickt, weil er den Bremer Asta in einem Artikel zitiert hatte.

Auf diese Weise will Baberowski verhindern, dass seine rechten und brutalen Thesen, seine Hetze gegen Flüchtlinge und seine Verharmlosung der Nazi-Verbrechen als solche bezeichnet werden. Er will die Gerichte missbrauchen, um einen Orwell‘schen Neusprech durchzusetzen, mit dem Standpunkte, die bisher der Rechten zugerechnet wurden, nicht mehr als solche bewertet und kritisiert werden dürfen.

Der Bremer Asta will sich deshalb nicht mit dem bedeutenden Teilerfolg zufrieden geben und in Berufung gehen.

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