Wachsende Unterstützung für die verurteilten Maruti-Suzuki-Arbeiter

In der Industrieregion Manesar-Gurgaon, am Rande Neu-Delhis, wächst die Wut: Dreizehn Arbeiter des PKW-Herstellers Maruti Suzuki sind zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Arbeiter sind offenbar Opfer einer Justizverschwörung. Nach einem Arbeitskampf im Juli 2012 in dem größten indischen Automontagewerk sind sie zu Unrecht wegen Mordes verurteilt worden.

Nur wenige Stunden, nachdem am 18. März das Urteil im Bezirksgericht von Gurgaon verkündet worden war, traten 30.000 Arbeiter in Streik. Sie legten die Arbeit in den Maruti-Suzuki-Werken und in den umliegenden Zulieferbetrieben für eine Stunde nieder, obwohl das Management mit einer achttägigen Lohnkürzung gedroht hatte. Durch die Aktion kam die Produktion im Maruti-Suzuki-Montagewerk in Manesar, dem Schauplatz der Auseinandersetzung von 2012, zum Erliegen. Bestreikt wurden außerdem ein weiteres Montagewerk in Gurgaon, Maruti Suzuki Powertrain, Suzuki Motorcycle India und zwei Autoteile-Hersteller.

Für den 23. März haben die sechs regionalen Gewerkschaften, die am Samstag zum Streik aufriefen, in Manesar eine Demonstration angekündigt. Die Behörden haben jedoch bis zum 25. März alle Versammlungen mit mehr als fünf Menschen im gesamten Bezirk Gurgaon verboten. Offenbar haben sie Grund für die Befürchtung, die Arbeiter könnten gegen das ungerechte Urteil massenhaft auf die Straße gehen.

Wie die Gewerkschaft Maruti Suzuki Workers Union (MSWU) bekanntgibt, ist für den 4. April ein nationaler Protesttag geplant. Die MSWU ist aus der Initiative der Arbeiter im Werk Manesar entstanden, die sie im Kampf gegen die gelbe Firmengewerkschaft gegründet hatten.

Ram Meher, der Präsident der MSWU, und die übrigen elf Führungsmitglieder gehören zu den dreizehn Arbeitern, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden sind.

Der Anwalt Rajendra Pathak, der mehrere der Arbeiter verteidigt, kritisierte den Richterspruch und sagte einem Reporter der World Socialist Web Site: „Die Justiz besteht aus Leuten mit der Mentalität der Kapitalisten. In dieser kapitalistischen Gesellschaft besitzen die Reichen alles, einschließlich der Richter.“

Wie Pathak erklärte, werden die Arbeiter gegen die Urteile vor dem Obersten Gerichtshof in Berufung gehen. Er sagte: „Es wurden keine Beweise vorgelegt, die die Mordanklagen gegen die dreizehn verurteilten Arbeiter untermauern. Aber da es um einen Kampf gegen die kapitalistische Gesellschaft geht, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, was der Ausgang eines solchen Verfahrens sein wird. Es könnte sich jahrelang hinziehen … und die dreizehn werden gezwungen sein, bis zum endgültigen Urteil in Haft zu bleiben.“

Ein Arbeiter eines Maruti-Suzuki-Zulieferbetriebs erklärte gegenüber der Hindustan Times: „Heute passiert es bei Maruti, morgen könnten auch wir im Gefängnis landen. Wir wollen, dass unsere Kollegen freigelassen werden. Maruti hat allerdings die Arbeiter schon stärker zusammengeschweißt, als es je eine Gewerkschaft könnte.“

Zu lebenslanger Haft verurteilt wurden außer Ram Meher auch Sandeep Dhillon, Ram Bilas, Sarabjeet Singh, Pawan Kumar, Sohan Kumar, Ajmer Singh, Suresh Kumar, Amarjeet, Dhanraj Bambi, Pradeep Gujjar, Yogesh und Jiyalal.

Die Arbeiter sind Opfer eines abgekarteten Spiels. Suzuki, die Polizei und die Justiz haben sich gegen sie verschworen, und auch die großen Parteien Indiens, die Kongresspartei und die hindu-chauvinistische Bharatiya Janata Party (BJP), unterstützen das Komplott voll und ganz.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) hat eine internationale Verteidigungskampagne ins Leben gerufen, um gegen diese Farce zu kämpfen und die sofortige Freilassung der Maruti-Suzuki-Arbeiter zu fordern. Die Online-Petition wurde schon von Arbeitern und Verteidigern demokratischer Rechte auf der ganzen Welt unterzeichnet.

Der Vorwand für das Komplott war der Erstickungstod des Personalleiters Awanish Kumar Dev am 18. Juli 2012 bei einem Brand, der rätselhafterweise genau in dem Moment ausbrach, als es zu einem vom Management provozierten Zusammenstoß zwischen der Fabrikleitung und Streikenden kam. Es gibt absolut keine Beweise dafür, dass irgendeiner der Arbeiter, geschweige denn einer der führenden MSWU-Mitglieder, etwas mit dem Tod von Dev zu tun hatte. Dev sympathisierte mit den Arbeitern und hatte ihnen am 1. März 2012 sogar geholfen, die MSWU zu registrieren.

Die Auseinandersetzung vom 18. Juli begann, als ein Schichtführer den Arbeiter Jiyalal in der Werkshalle mit Ausdrücken beleidigte, die auf seine Kasten-Zugehörigkeit anspielten. Als andere Arbeiter ihn verteidigten, provozierten private Wachleute, die sich in großer Zahl auf dem Fabrikgelände befanden, eine gewalttätige Auseinandersetzung mit den Arbeitern. Dabei brach das Feuer aus und vernichtete einen Teil der Fabrik.

Jiyalal war der „Hauptangeklagte“ bei dem Komplott gegen die Maruti-Suzuki-Arbeiter, und er wurde zusammen mit den zwölf MSWU-Vorstandsmitgliedern zu lebenslanger Haft verurteilt.

Nach der Auseinandersetzung vom 18. Juli haben die Regierung und der Staatsapparat in Zusammenarbeit mit dem Autohersteller eine blindwütige Kampagne staatlicher Unterdrückung gestartet, um die MWSU und jeden Widerstand der Arbeiter zu zerschlagen. Die Polizei durchsuchte die Arbeiterviertel und schlug und verhaftete Hunderte Arbeiter auf der Grundlage von „Verdächtigen“-Listen, die das Suzuki-Management erstellt hatte. Die Firma schloss dann die Fabrik und entließ im August 2012 willkürlich 2300 Arbeiter.

Dieser Hexenjagd war ein Arbeitskampf von mehr als einem Jahr vorangegangen. Die Arbeiter hatten wiederholt die Arbeit niedergelegt und Sitzstreiks organisiert. Sie hatten gegen eine Firmengewerkschaft rebelliert und erfolgreich die MSWU gegründet, um für ihre Forderungen zu kämpfen.

Im Zentrum ihrer Forderungen stand die Abschaffung des Worker-Contract-Systems, das es Suzuki ermöglicht, Tausende schlecht bezahlter Leiharbeiter nach Belieben einzustellen und wieder zu feuern, noch ehe sie sich für eine Vollzeitanstellung qualifizieren. Derzeit bekommen die „Firmen-Leiharbeiter“ jeweils einen Sieben-Monat-Vertrag und werden dann für fünf Monate entlassen. Sie verdienen im Monat 14.000 Rupien, das sind knapp zweihundert Euro. Damit haben sie weniger als die Hälfte des Lohns eines dauerhaft angestellten Arbeiters, der 35.000 Rupien (knapp fünfhundert Euro) oder mehr verdient.

In einer Erklärung der Interims-Führung der MSWU werden die zu Unrecht erfolgten Verurteilungen und das brutale Strafmaß als „arbeiterfeindlich“ bezeichnet, weil sie darauf abzielen, „Angst und Schrecken unter den Industriearbeitern im Land zu verbreiten“. Der Text erwähnt das Schlussargument des Staatsanwalts in seinem Plädoyer: „Er sprach von der Notwendigkeit, das ‚Vertrauen’ des Kapitals wiederherzustellen, und von der Initiative des Premierministers, globale Investoren für die Produktion in Indien zu gewinnen. Das Vertrauen dieser ausländischen und nationalen Kapitalisten verlangt vor allem eins: billige und gefügige Arbeitskräfte, die sich nicht organisieren und keine Forderungen stellen.“

Das multinationale Auto-Unternehmen lechzt mittlerweile förmlich nach dem Blut der Arbeiter. Der Anwalt von Maruti Suzuki, Vikas Pahwa, erklärte gegenüber dem Indian Express, das Gericht habe „ein deutliches Signal an die Arbeiter und die Gewerkschaftsmitglieder gesandt, dass sie das Gesetz nicht in die eigenen Hände nehmen dürfen“. Er fügte hinzu, die Firma werde „das Urteil beim Obersten Gerichtshof anfechten“, sowohl wegen der „zu milden Urteile für die Verurteilten“ und auch wegen des Freispruchs von 117 weiteren Arbeitern.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte bei der Urteilsverkündung vom letzten Freitag, alle dreizehn Angeklagten müssten gehängt werden. Der Richter verurteilte die Arbeiter aber zu lebenslanger Haft. In Indiens brutalem Gefängnissystem bedeutet das die Hölle auf Erden.

Von den achtzehn übrigen Arbeitern, die in diesem Prozess wegen minder schwerer Delikte wie Randalieren und Körperverletzung angeklagt waren, wurden vier zu fünf Jahren Gefängnis und die anderen vierzehn zu drei Jahren verurteilt. Letztere wurden wegen der schon abgesessenen Untersuchungshaft freigelassen, nachdem sie eine Zahlung geleistet hatten.

Die jetzt Entlassenen haben, wie die 117 am 10. März freigelassenen Arbeiter, eine brutale, dreijährige (in vielen Fällen vierjährige) Untersuchungshaft hinter sich. Wie die Bürgerrechtsgruppe People’s Union for Democratic Rights (PUDR) im September 2012 enthüllte, wurden die verhafteten Arbeiter geschlagen, ihre Beine wurden durch Überstrecken verletzt und sie wurden längere Zeit in schmutzigem Wasser untergetaucht.

Indiens große Gewerkschaftsverbände stehen auf der Seite der Regierung Modi und ihrer Vorgänger von der Kongresspartei. Sie unterstützen sie im Bemühen, den Investoren zu beweisen, dass sie bereit sind, den Widerstand der Arbeiter zu unterdrücken, und dass sie einen grenzenlosen Vorrat an billigen Arbeitskräften zur Verfügung stellen können. Die Gewerkschaften haben die Maruti-Suzuki-Arbeiter systematisch isoliert. Gleichzeitig haben sie die Illusion verbreitet, sie könnten vor den kapitalistischen Gerichten Gerechtigkeit erfahren und Politiker der Großindustrie nach links drücken.

Keine der stalinistischen parlamentarischen Parteien hat ein Wort über die Verurteilung der Maruti-Suzuki-Arbeiter verloren, genauso wenig wie der mit der Kommunistischen Partei Indiens verbündete Gewerkschaftsverband All India Trade Union Congress (AITUC).

Angesichts der in ganz Indien wachsenden Wut über das Justizkomplott hat der Gewerkschaftsverband Centre of Indian Trade Unions (CITU) eine lapidare Erklärung herausgegeben. (Der Verband ist mit der Kommunistischen Partei von Indien (Marxisten) oder CPM verbündet.) In dem Statement hat CITU-Präsident K. Hemalata „seine Bestürzung und Trauer“ über das Urteil ausgesprochen.

Die stalinistischen Parteien und die ihnen angeschlossenen Gewerkschaften spielen das Komplott herunter und weichen den Maruti-Suzuki-Arbeiter aus. Sie unterstützen die Bemühungen der herrschenden Elite, China zu unterbieten und Indien zum neuen führenden Billiglohnland der Welt zu machen.

An einem Generalstreik am 2. September 2016, an dem 150 Millionen Arbeiter teilnahmen, haben weder die CPM und die CPI, noch ihre Gewerkschaftsverbände irgendwelche Forderung aufgestellt, um die Maruti-Suzuki-Arbeiter zu befreien. Stattdessen haben sie eine Arbeiter-„Solidarität“ propagiert, die darin bestand, sich mit den Gewerkschaftsapparaten der Kongresspartei und BJP (beides Parteien des Großkapitals) zu verbünden.

Wie Dutzende Millionen Arbeiter in ganz Asien, kommen die Maruti-Suzuki-Arbeiter fast alle aus armen ländlichen Gebieten, und die multinationalen Konzerne beuten sie auf brutalste Weise aus. Immer wieder haben sie ihre heroische Entschlossenheit demonstriert, gegen die gnadenlose Gewalt von Regierung und Unternehmen zu kämpfen. Arbeiter auf der ganzen Welt müssen ihnen jetzt zu Hilfe kommen. Sie müssen fordern, dass die inhaftierten Maruti-Suzuki-Arbeiter sofort freigelassen werden, und dass sämtliche Verurteilungen aufgehoben werden.

Unterschreibt die Petition: „Freiheit für die verurteilten Maruti-Suzuki-Arbeiter!“ hier.

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