Saarland-Wahl dient als Testlauf für Berlin

Am kommenden Sonntag wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Obwohl das kleine Bundesland an der Grenze zu Frankreich mit knapp einer Million Einwohnern sonst wenig Schlagzeilen macht, findet die kommende Wahl große bundesweite Beachtung.

Sie wird als Testlauf für ein rot-rotes oder auch rot-rot-grünes Bündnis in Berlin verstanden. Nach dem Wechsel an der SPD-Spitze zu Martin Schulz, der begleitet von einer intensiven Medienkampagne landauf, landab als „Erneuerer der SPD“ gefeiert wird, wird mit der Saarland-Wahl die Kampagne für einen Regierungswechsel in Berlin weiter verstärkt.

Im Mai folgen dann zwei weitere Landtagswahlen, am 7. in Schleswig-Holstein und am 14. in Nordrhein-Westfalen, bevor im September der Bundestag gewählt wird.

Besonders der ehemalige Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine trommelt für einen Regierungswechsel an der Saar. Der 73-Jährige führt die Fraktion der Linken im saarländischen Landtag und unterhält gleichzeitig enge Kontakte zur SPD, deren Bundessvorsitzender er bis 1999 war. Auch mit Martin Schulz ist Lafontaine befreundet.

Bisher lag allerdings die CDU an der Saar klar in Führung. Doch der Medienhype um Schulz hat in den vergangene Wochen auch im Saarland einen Aufschwung der Sozialdemokraten bewirkt. Noch im Januar sagten Wähler-Umfragen der CDU ein Wahlergebnis von 38 Prozent voraus, während die SPD mit 26 Prozent zwölf Punkte zurücklag. Dies hat sich jetzt deutlich verändert. Der sogenannte „Schulz-Effekt“ hat bewirkt, dass die SPD heute fast gleichauf mit der CDU liegt. Laut Infratest dimap würde die SPD heute mit 34 Prozent dicht hinter der CDU landen, die auf 35 Prozent zurückgefallen ist. In anderen Umfragen liegen beide Parteien bereits gleichauf.

Die Linkspartei steht in den Umfragen an dritter Stelle, hinter CDU und SPD. Vor acht Jahren war sie noch über zwanzig Prozent gekommen, was vor allem mit dem hohen Bekanntheitsgrad von Lafontaine im Saarland zusammen hing. Heute erreicht sie in den Umfragen nur noch zwölf oder dreizehn Prozent.

Die Grünen haben es beim letzten Mal mit 5,0 Prozent nur ganz knapp in den Landtag geschafft. Sie erreichen gegenwärtig, wie auch die FDP, in den Umfragen rund vier Prozent und könnten den Einzug in den Landtag verpassen. Sollten sich die jüngsten Umfragen bewahrheiten, wäre die SPD auch ohne die Grünen im Bündnis mit der Linkspartei regierungsfähig.

Die amtierende CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigt deutliche Anzeichen von Nervosität. Nicht anders sind ihre jüngsten Drohungen gegen die Auftritte türkischer Politiker im Saarland zu verstehen. Im billigen Versuch, Stimmen am rechten Rand zu gewinnen, verhängte Kramp-Karrenbauer vergangene Woche ein Auftrittsverbot für türkische Minister – obwohl überhaupt keine Abgesandten Erdogans angekündigt waren.

Die CDU-Ministerpräsidentin betont bei jeder Gelegenheit, dass die bisherige Zusammenarbeit mit der SPD sehr eng und erfolgreich gewesen sei und sie die Große Koalition gerne fortsetzen würde. Doch die SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger winkt ab. Zwar spricht auch sie von einer engen und erfolgreichen Zusammenarbeit der vergangenen Jahre, vermeidet aber jede Aussage, die als Fortsetzung für eine Große Koalition gewertet werden könnte, und spricht stattdessen von einem möglichen „Linksbündnis“.

Neben Lafontaine trommelt auch die zweite Galionsfigur der Linken, Gregor Gysi, für eine Regierung mit der SPD. „Rot-Rot im Saarland wäre ein wichtiges Signal“, sagte er am Mittwoch dem Berliner Tagesspiegel. „Auf jeden Fall könnte das Saarland das erste westdeutsche Bundesland werden, in dem SPD und Linke zusammen regieren. Es ist das Bundesland, in dem wir so viele Stimmen bekommen wie nirgendwo sonst im Westen.“

Auch Martin Schulz lobt Lafontaine. Kaum war er auf einem Jubelparteitag zum neuen SPD-Chef gewählt worden, sagte er: „Ich kann mich daran erinnern, dass Oskar Lafontaine das Saarland von 1985 bis 1998 als Ministerpräsident relativ erfolgreich geführt hat.“ Er fügte hinzu, als saarländischer Landespolitiker verfüge Lafontaine „ganz sicher über große Erfahrung“.

Viele Medien diskutieren inzwischen lebhaft die „neue Machtoption“ (Handelsblatt) und räumen ihr im Saarland realistische Chancen ein. Während die BILD-Zeitung noch die Frage formuliert: „Erster Machtwechsel im Superwahljahr?“, titelt die Linkspartei-nahe Zeitung Neues Deutschland: „Im Saarland sieht es nach Rot-Rot aus.“

Das Handelsblatt widmet dem so genannten „Links-Bündnis“ eine ganze Doppelseite und schreibt: „Durch den Schulz-Effekt wächst die Zustimmung für SPD, Linke und Grüne. Laut aktuellen Umfragen wird ein Links-Bündnis mehr und mehr zu einer ernsten Option. Das Saarland könnte als Blaupause dienen.“ Anders als noch vor wenigen Wochen scheine heute ein Machtwechsel möglich.

Der Spiegel brachte schon letzten Monat ein Interview mit der Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die mit Lafontaine verheiratet ist und zurzeit an dessen Seite im Saarland Wahlkampf macht. Wenn die SPD ernsthaft eine sozialere Politik verfolgen wolle, werde eine Zusammenarbeit „an uns garantiert nicht scheitern“, sagte Wagenknecht und schwärmte von einer „Mitte-Links-Koalition“.

In Wirklichkeit ist die Kampagne der Linkspartei, der SPD und der Medien keineswegs Teil eines „linken“ Projekts, ganz im Gegenteil. Ein Blick auf die bisherige Regierungspolitik der Linkspartei macht das sehr deutlich. Sie unterstützt seit langem Haushaltskürzungen, Sozial- und Personalabbau, wo immer sie Regierungsverantwortung übernimmt. So war der Berliner Senat unter Klaus Wowereit, an dem die Linkspartei zehn Jahre lang beteiligt war, bundesweiter Vorreiter einer rücksichtslosen Sparpolitik.

Gerade im Saarland wurde Lafontaine als rücksichtsloser und zynischer Politiker bekannt, der hinter einem Wortschwall sozialer Phrasen drastische Kürzungen und Sozialabbau durchsetzt. Während seiner dreizehnjährigen Zeit als Ministerpräsident (1985–1998) sorgte er in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften dafür, dass die Kohle- und Stahlindustrie reibungslos abgewickelt werden konnte. Von den Steinkohlegruben, in denen einst sechzigtausend Bergleute arbeiteten, existiert heute keine einzige mehr; in der Stahlindustrie sind noch etwa sechstausend Arbeiter beschäftigt, fast alle in der Dillinger Hütte.

Er verbindet diese unsoziale Politik mit nationalistischen Tiraden und Handelskriegsmaßnahmen. So forderte er im Wahlkampf, die saarländische Stahlindustrie müsse durch Zölle geschützt werden, „vergleichbar mit denen der USA“.

Gleichzeitig hetzt er gegen Flüchtlinge und fordert schnellere und konsequentere Abschiebung. Wörtlich sagte er der Welt: „Wer illegal über die Grenze gekommen ist, der sollte ein Angebot bekommen, freiwillig zurückzugehen. Wenn er dieses Angebot nicht annimmt, bleibt nur die Abschiebung. Das sehen auch die Landesregierungen so, an denen die Linke beteiligt ist.“

Lafontaines rechte, ausländerfeindliche Parolen sind keineswegs überraschend. Sie ergeben sich direkt aus dem bürgerlichen Charakter der Linkspartei, die den Kapitalismus und den deutschen Imperialismus verteidigt. Der frühere Vorsitzende der SPD und ehemalige Bundesfinanzminister zählt zu den Pionieren einer flüchtlingsfeindlichen Politik.

Schon Anfang der 1990er Jahre, damals noch als Ministerpräsident des Saarlands, erließ Lafontaine im Rahmen einer landesweiten Kampagne gegen Flüchtlinge „Sofortmaßnahmen“, darunter die Einführung von Sammellagern, Gemeinschaftsverpflegung und Sachleistungen. Im Sommer 1992 setzte Lafontaine dann zusammen mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Björn Engholm die sogenannte „Petersburger Wende“ durch – die Neupositionierung der SPD in der Asyl- und Außenpolitik, die u.a. zur faktischen Abschaffung des Asylrechts im sogenannten Asylkompromiss führte.

Nach seinem Rücktritt vom SPD-Vorsitz und Austritt aus der SPD gehörte Lafontaine zu den Wenigen, die 2004 die umstrittenen Pläne von Innenminister Otto Schily (SPD) unterstützten, Auffanglager für Flüchtlinge in Afrika einzurichten. Ein Jahr später schürte er dann gezielt Stimmung gegen „Fremdarbeiter“. Der Staat sei verpflichtet, „zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“, erklärte Lafontaine in einer mittlerweile berüchtigten Rede in Chemnitz.

Es ist daher kein Zufall, dass Lafontaine eine enge Freundschaft zu dem CSU-Rechten Peter Gauweiler unterhält und mit ihm jahrelang eine gemeinsame Kolumne im rechten Boulevard-Blatt Bild veröffentlichte. Gauweiler – Spitzname „Schwarzer Peter“ – forderte während seiner Zeit als bayerischer Staatsminister in den achtziger Jahren Zwangstests für HIV-Infizierte und deren Absonderung in spezielle Verwahranstalten. Als Ende der neunziger Jahre die Ausstellung über die Kriegsverbrechen der Wehrmacht in München gezeigt werden sollte, organisierte Gauweiler eine massive Protestkampagne. Er bezeichnete die Ausstellung als bösartige Verunglimpfung deutscher Soldaten und versuchte, sie auch mit juristischen Mitteln zu verhindern.

Vor wenigen Tagen machte die FAZ darauf aufmerksam, dass Lafontaine und Gauweiler noch immer befreundet sind, und zitierte den CSU-Rechten mit den Worten: „Lafontaine wäre mit Sicherheit ein guter Kanzler gewesen.“

Die Saarland-Wahl zielt auf die Bundespolitik. Sie soll einen Regierungswechsel in Richtung SPD und Linkspartei voran bringen. Dabei handelt es sich nicht um ein „Links-Bündnis“, wie allenthalben behauptet wird. Vielmehr betrachten große Teile der herrschenden Elite die Regierung Merkel als zu schwach und zu verbraucht und die Unionsparteien als zu zerstritten, um auf die Herausforderung durch die Trump-Regierung, die wachsenden transatlantischen Gegensätze und das Aufbrechen der EU mit einer starken Offensive in Richtung deutscher Großmachtpolitik zu reagieren.

Ähnlich wie vor zwanzig Jahren, als die Kohl-Regierung am Ende war und erstmals eine rot-grüne Koalition die Regierung übernahm, die dann die ersten Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Agenda 2010 beschloss, wird heute mit Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün eine neue rechte bürgerliche Regierung vorbereitet.

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