Perspektive

Welche Folgen hätte ein Krieg der USA und der europäischen Mächte gegen Russland?

Die Spannungen zwischen den USA und den imperialistischen Großmächten in Europa gegenüber Russland sind so zugespitzt wie zuletzt im Kalten Krieg. Die Gefahr eines Konflikts zwischen den beiden größten Atommächten der Welt war niemals größer.

Seit dem Raketenangriff auf Syrien am 6. April hat die Trump-Regierung neue Drohungen gegen Syrien ausgesprochen und Russland Ultimaten gestellt, um das Land von seiner Unterstützung für das Regime von Baschar al-Assad abzubringen. Am Mittwoch verteidigte Trump den unprovozierten Angriff der USA und nannte Assad einen „Schlächter“.

Die G7-Staaten stellten sich am vergangenen Wochenende hinter den Angriff der USA und dessen Vorwand – die völlig unbewiesene Behauptung, die syrische Regierung habe einen Chemiewaffenangriff auf eine von Rebellen kontrollierte Stadt verübt. Sie begrüßten Washingtons neuerliches Vorhaben Assad zu stürzen – den einzigen arabischen Verbündeten Moskaus im Nahen Osten.

Russland reagierte, indem es seine militärische Unterstützung für Assad intensivierte. Am vergangenen Freitag setzte es die Vereinbarung mit den USA zur Vermeidung von Zusammenstößen zwischen amerikanischen und russischen Flugzeugen aus. Es kündigte außerdem an, es werde die syrische Raketenabwehr aufrüsten, die bereits über hochmoderne Radar- und Raketenbatterien der Typen S-400 und S-300 verfügt. Die russische Marine schickte eine mit Marschflugkörpern bewaffnete Fregatte ins östliche Mittelmeer. Gemeinsam mit dem iranischen Militär erklärte Russland, es werde auf jede weitere Aggression gegen Syrien mit militärischer Gewalt antworten.

Beispielhaft für die Rücksichtslosigkeit des amerikanischen Vorgehens war die Aussage von Verteidigungsminister James Mattis. Der ehemalige General erklärte am Dienstag vor der Presse, Syrien werde einen „sehr, sehr hohen Preis“ bezahlen, wenn es noch einmal Chemiewaffen einsetzt. Zweifellos bereiten die CIA und ihre al-Qaida-nahen Stellvertretergruppen in Syrien bereits einen derartigen Vorfall vor. Mattis versicherte außerdem, die Lage würde nicht „außer Kontrolle geraten“. Dabei ging er davon aus, Russland werde „in seinem eigenen besten Interesse handeln“, mit anderen Worten: sich zurückziehen.

Das erstaunlichste dabei ist, dass in den amerikanischen und europäischen Medien keinerlei Diskussion über die Gefahr eines Kriegs zwischen den USA und Russland, und über die Folgen einer solchen Entwicklung stattfindet. Was passiert, wenn ein amerikanisches Flugzeug von einer russischen Flugabwehrstellung oder einem russischen Flugzeug abgeschossen wird? Man kann sich gut vorstellen, wie die Medien und Politiker in beiden Ländern in den schrillsten Tönen nach Vergeltung schreien würden.

Wie viele Millionen Menschen werden in den ersten Minuten eines nuklearen Schlagabtauschs zwischen Russland und den USA sterben? Diese Frage stellen weder die New York Times, noch die Washington Post, das Wall Street Journal, die Times of London, Le Monde, die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder der Sydney Morning Herald.

In einigen Fachmedien erschienen jedoch aufschlussreiche Kommentare. Auf der Website The Conversation erschien am 7. April ein Artikel mit dem Titel „Warum der amerikanische Luftangriff auf Syrien droht, einen Zusammenstoß mit Russland auszulösen“. Laut diesem Artikel ist die Gefahr eines Zusammenstoßes zwischen den USA und Russland deutlich größer als 2013, weil Russland in der Zwischenzeit seine Militärpräsenz in Syrien ausgebaut hat.

Weiter heißt es: „Wenn der Sturz von Assad jetzt das neue Ziel der Trump-Regierung ist, kann das nur durch eine größere Konfrontation mit Russland geschehen.“

Russia Beyond the Headlines beschrieb in einem Artikel vom 7. April drei mögliche Szenarios nach dem US-Angriff auf Syrien. Das erste, und vermutlich wahrscheinlichste, ist „ein bewaffneter Konflikt zwischen Russland und den USA“. Früher oder später würde die „Logik der Konfrontation Russland zu einer gewaltsamen Reaktion zwingen“. Der Artikel zitierte einen russischen Experten für internationale Sicherheit, der warnte: „Wir können den Einsatz von Atomwaffen nicht vollständig ausschließen.“

Auf der Website Defense One erschien ebenfalls am 7. April ein Artikel, laut dem die USA im Falle eines Angriffs auf Syrien erstmals im „jahrzehntelangen Kampf gegen den Terror“ gegen ein „echtes, modernes und gut ausgerüstetes Militär“ kämpfen müssten. Die Folge wäre ein Krieg von unermesslich größerem Ausmaß.“

Steven Starr, ein hochrangiger Wissenschaftler der Organisation Physicians for Social Responsibility, Mitglied der Nuclear Age Peace Foundation und anerkannter Experte in Fragen der zerstörerischen ökologischen Folgen eines „nuklearen Winters“ erklärte, dass die Zahl der Todesopfer bei einem nuklearen Schlagabtausch zwischen Washington und Moskau bereits nach einer Stunde im zweistelligen Millionenbereich liegen würde. Und das wäre nur der Anfang.

Die beiden Staaten haben zusammen 3.500 stationierte und einsatzbereite strategische Kernwaffen, die sie innerhalb einer Stunde abschießen können. Dazu besitzen sie weitere 4.600 einsatzbereite Atomwaffen in Reserve. Angesichts dieser riesigen Anzahl von Megawaffen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass im Fall eines Kriegs die meisten großen Städte auf beiden Kontinenten zerstört würden. Starr schätzt, dass innerhalb der ersten Stunde 30 Prozent der amerikanischen und russischen Bevölkerung getötet würden. In den nächsten Wochen würden weitere 50 Prozent oder mehr durch radioaktiven Niederschlag umkommen.

Durch den nuklearen Winter, eine neue Eiszeit aufgrund der ökologischen Auswirkungen des Atomkriegs, würde „vermutlich der Rest der Weltbevölkerung innerhalb einiger Jahre verhungern“.

Es gibt auch die Möglichkeit, dass eine Detonation in großer Höhe einen elektromagnetischen Impuls (EMP) auslöst, der im Umkreis von zehntausenden Quadratkilometern alle elektronischen Schaltkreise zerstört. „Eine einzige Detonation über der amerikanischen Ostküste würde das Stromnetz zerstören und in allen betroffenen Atomkraftwerken eine Kernschmelze auslösen. Stellen Sie sich 60 Fukushimas zur selben Zeit in den USA vor.“

Dieses Weltuntergangsszenario bereiten die macht- und profitgierigen Verbrecher im Pentagon und bei der CIA hinter dem Rücken der amerikanischen- und der Weltbevölkerung vor. Dabei haben sie die volle Unterstützung beider Parteien, des politischen und des medialen Establishments. Die Bewohner in zahlreichen größeren Städten, von New York über Boston, Philadelphia, Detroit, Chicago bis nach Los Angeles und San Francisco würden vermutlich schon wenige Minuten nach dem Beginn eines solchen Kriegs ausgelöscht werden.

Welche Vorbereitungen werden dafür getroffen? Wie sieht der Plan für das Überleben der Bevölkerung aus? Es gibt nichts dergleichen. Das Schweigen der Medien und der Politiker ist kein Versehen. Sie wissen, dass eine öffentliche Diskussion über dieses Thema unkontrollierbare soziale Erschütterungen auslösen würde.

Die unglaubliche Rücksichtslosigkeit der herrschenden Elite hat eine objektive Ursache: die globale Krise des kapitalistischen Systems, dessen schärfster Ausdruck der langfristige wirtschaftliche Niedergang der USA ist. Selbst während des Kalten Kriegs herrschte in Teilen der herrschenden Klasse eine gewisse Vorsicht. Der heute andauernde aggressive Ton der Medien und die ständige Hetze gegen den russischen Präsidenten Putin scheinen dagegen regelrecht darauf abzuzielen, einen militärischen Zusammenstoß zu provozieren. Und es gibt in der Tat eine einflussreiche Fraktion in der herrschenden Elite und im Staatsapparat, die bereit ist, genau das zu tun.

Diese schreckliche Entwicklung wird sich nicht durch Appelle an die herrschenden Mächte aufhalten lassen. Die gesamte Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts mit seinen katastrophalen Kriegen hat bewiesen, dass nur eine Massenbewegung der Arbeiterklasse einen Krieg verhindern kann. Arbeiter und Jugendliche müssen den Ernst der Lage erkennen und Massenproteste organisieren, deren Ziel der Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung gestützt auf die Arbeiterklasse ist, um den Imperialismus und den Kapitalismus abzuschaffen.

Am 30. April veranstaltet das Internationale Komitee der Vierten Internationale eine internationale Maikundgebung gegen Krieg, Armut und Diktatur, und für Frieden, Gleichheit und Sozialismus. Die Veranstaltung wird um 11:00 Uhr morgens ostamerikanischer Ortszeit beginnen und weltweit übertragen werden (Beginn Deutschland: 17 Uhr). Wir rufen alle Leser auf, daran teilzunehmen. Mehr Informationen unter wsws.org/mayday.

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