Neues Sparprogramm von ThyssenKrupp bedroht über 4000 Stahlarbeitsplätze

ThyssenKrupp Steel Europe hat ein neues Sparprogramm beschlossen. Im Stahlbereich mit derzeit noch etwa 26.000 Mitarbeitern (davon knapp 22.000 in Nordrhein-Westfalen) sollen in den nächsten drei Jahren weitere 500 Millionen Euro eingespart werden. Das wurde am 7. April nach einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Stahlkonzerns in Duisburg bekannt, in dem Vertreter des Managements mit Betriebsräten die aktuellen Entwicklungen diskutieren.

Die Vertreter von IG Metall und Betriebsrat übernehmen wie bei allen Sparprogrammen der Vergangenheit die Aufgabe, den Arbeitsplatzabbau, die Stilllegung von Werken sowie die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die verbleibenden Beschäftigten durchzusetzen.

Die Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte klagen zwar ständig, sie würden vom ThyssenKrupp-Vorstand und dem Chef des Stahlbereichs, Andreas Goss, nicht ausreichend über die Kürzungspläne und die Zukunft des Stahlbereichs informiert. Arbeiter zweifeln dies aber zu Recht an, sitzen sie doch ständig in unzähligen Gremien mit dem Vorstand zusammen. An die Belegschaft werden die Informationen dagegen nur scheibchenweise weitergegeben.

Günter Back, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von ThyssenKrupp Steel Europe, erklärte noch am 7. April gegenüber der Presse, dass die Anlagen zur Verarbeitung von Grobblech in Duisburg-Hüttenheim und Bochum kurzfristig vor der Schließung stehen. Voraussichtlich seien davon 300 bis 400 Arbeitsplätze betroffen. Dies sei aber wohl nur der Anfang, mutmaßte er.

Nur zwei Tage später entschloss sich dann die IG Metall nach einem Treffen mit Betriebsräten, ein realistischeres Szenario bekanntzugeben. Am 11. April erklärte Dieter Lieske, der Bevollmächtigte der IG Metall Duisburg-Dinslaken, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Es geht letztendlich um 4050 Arbeitsplätze. So muss man die ganze Geschichte rechnen.“ Aus den Unterlagen des Managements gehe hervor, dass etwa 15 Prozent der rund 27.000 Jobs von ThyssenKrupp Steel Europe gestrichen werden sollen.

Die Arbeiter in Duisburg-Hüttenheim fürchten nicht nur um die 350 Arbeitsplätze, die jetzt unmittelbar bedroht sind, sondern um den Fortbestand des Werks mit derzeit noch über 1000 Beschäftigten. Arbeiter berichteten der WSWS, dass das Werk angeblich schon binnen zwei Monaten geschlossen werden soll. Ähnlich ist die Situation bei den ThyssenKrupp-Stahlwerken in Bochum und Dortmund und in vielen anderen Bereichen, die von Abbau und Schließung bedroht sind.

ThyssenKrupp machte zunächst keine Angaben zur Anzahl der Arbeitsplätze, die von den Sparmaßnahmen betroffen sind. Der Konzern erklärte, die Einsparungen sollten in den nächsten drei Jahren durch Kostensenkungen beim Personal, der Instandhaltung und Reparatur, der Logistik, dem Vertrieb und in der Verwaltung erreicht werden.

Die IG Metall bestätigte gegenüber Reuters, dass sie die geplante Restrukturierung unterstütze. Davor müsse aber erst einmal klar sein, ob Thyssen-Krupp seine Stahlsparte mit Tata Steel fusionieren werde. „Wir lehnen eine Fusion strikt ab“, zitiert Reuters Lieske.

Sowohl der Konzern-Betriebsratsvorsitzende von ThyssenKrupp, Wilhelm Segerath, wie auch der Betriebsratsvorsitzende für den Stahlbereich, Günter Back, haben wiederholt erklärt, sie wollten erst ernsthaft über die neuen Restrukturierungen im Stahlbereich verhandeln, wenn die geplante Fusion mit Tata Steel vom Tisch sei.

Im Januar dieses Jahres hatte Segerath erklärt: „Wir werden nicht hinnehmen, dass in einer Konsolidierung nun unsere Standorte gefährdet werden.“ Ganz besonders geiferte er dagegen, dass Tata den Gewerkschaften des britischen Stahlwerks in Port Talbot eine fünfjährige Standortgarantie angeboten hatte als Gegenleistung dafür, den bisherigen Pensionsfonds zu schließen. Segerath: „Wenn die fünf Jahre bekommen, wollen wir mindestens zehn Jahre.“

Dieses nationalistische Gegeifer macht klar, dass Gewerkschaft und Betriebsräte nicht gegen eine Fusion sind, sondern dafür, dass die britischen Arbeiter mit ihren Arbeitsplätzen dafür bezahlen.

Heinrich Hiesinger, der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, erklärte das neue Sparprogramm für notwendig, unabhängig davon, ob es zu einer Fusion mit dem europäischen Stahlbereich des indischen Tata-Konzerns komme oder nicht.

Die Betriebsrats- und Gewerkschaftsfunktionäre werden also in den nächsten Wochen und Monaten beraten, wie die Restrukturierung und der Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen umzusetzen ist. Ihre Vorgehensweise dabei ist sattsam bekannt. Zunächst wird Empörung geheuchelt, dann werden einige zahnlose Protestaktionen organisiert, und zum Schluss werden die Schließung von Betrieben und der Verlust Tausender Arbeitsplätze unterschrieben.

Der Betriebsrat des Grobblechwerks von ThyssenKrupp in Duisburg-Hüttenheim machte den Auftakt mit Informationsveranstaltungen zu Schichtbeginn und während des Schichtwechsels. Der Betriebsratsvorsitzende des Werks, Werner von Häfen, warnte dort vor „spürbaren Einschränkungen“ in der Produktion und drohte mit „weiteren Arbeitskämpfen“.

Für den 3. Mai, einen Tag vor der nächsten Aufsichtsratssitzung von ThyssenKrupp Steel, planen IG Metall und Betriebsrat eine größere Kundgebung in Duisburg. Einen Tag vorher wird das Management die Betriebsräte über die Pläne des Vorstands informieren.

Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche trifft sich dann die Taskforce, ein Gremium von Management und Betriebsräten, das nach dem letzten Aktionstag der IG Metall vor der ThyssenKrupp Steel-Hauptverwaltung in Duisburg am 31. August letzten Jahres einberufen worden war – und aus dem seitdem keinerlei Informationen nach außen drangen. Bei dem Aktionstag von IG Metall und Konzern im letzten Jahr war es zum wiederholten Mal um Maßnahmen gegen chinesischen „Dumpingstahl“ gegangen.

Bei der Hetze gegen chinesische Stahlimporte tun sich IG Metall und Betriebsräte besonders hervor. Sie versuchen, die Arbeiter entlang nationalistischer Linien zu spalten. Obwohl hinreichend klar ist, dass Protektionismus und Wirtschaftsnationalismus die Vorstufen zu militärischen Auseinandersetzungen und Krieg sind, fordern sie höhere Import- und Strafzölle gegen Stahl aus China.

Der Konzern-Betriebsratsvorsitzende Segerath hatte noch im letzten Jahr die US-Regierung gelobt, weil sie viel schneller hohe Importzölle gegen chinesischen Stahl verhängt hatte als die EU-Kommission. Inzwischen ist auch der deutsche Stahlkonzern Salzgitter von US-Importzöllen betroffen. Er muss seit Ende März einen Strafzoll von 22,9 Prozent auf Grobblech und andere Exportprodukte bezahlen.

Unterstützt wird die nationalistische Politik der Gewerkschaften von der Linkspartei. Am 24. März veranstaltete sie in Duisburg eine „Stahlkonferenz“, an der 35 „Interessierte“ aus dem pseudolinken Milieu teilnahmen. Darunter befand sich auch der Geschäftsführer der IG Metall in Kaiserslautern, Alexander Ulrich, der für die Linke im Bundestag sitzt.

Ulrich „setzte sich für gemeinsame Aktionen mit dem Arbeitgeber ein, wie letztes Jahr am Stahlaktionstag“, heißt es in einem Bericht über die Konferenz. Der ehemalige Sozialdemokrat und Opel-Betriebsrat verwies „auf die Konkurrenzsituation durch ‚Billigstahl aus China‘“ und „verteidigte die Schutzzollpolitik der EU gegen China als Erfolg der Aktionen der Stahlarbeiter“.

Ähnlich äußerte sich der Duisburger Linkspartei-Stadtrat Mirze Edis, der auch stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) in Duisburg ist.

Mit dieser nationalistischen Politik lässt sich kein einziger Arbeitsplatz verteidigen. Die Verbündeten der Stahlarbeiter in Deutschland sind die Stahlarbeiter in China, Großbritannien und auf der gesamten Welt – und nicht der jeweilige Konzernvorstand. Den Preis für die Politik der Klassenzusammenarbeit zahlen die Arbeiter – mit ihren Arbeitsplätzen und einer ständig wachsenden Arbeitshetze.

Ein trauriges Beispiel für die Folgen dieser Politik sind zwei tödliche Arbeitsunfälle in Stahlwerken allein in diesem Monat. Am 4. April geriet ein 44-jähriger Lokrangierführer im Oxygen-Stahlwerk 1 von ThyssenKrupp Steel in Bruckhausen zwischen zwei Züge und starb noch an der Unfallstelle. Eine Woche später starb in der Nacht zum 11. April ein 30-jähriger Arbeiter bei Reparaturarbeiten in den Deutschen Edelstahlwerken in Witten. Der Elektriker wurde von einem Stempel an der Walzstraße eingeklemmt und starb im Krankenhaus an den Folgen der Quetschung.

Meistens wird nichts über die genaueren Hintergründe bekannt, doch es ist offensichtlich, dass erhöhter Arbeitsdruck und zu wenig Personal bei schwierigen Arbeiten mitverantwortlich für solch tragischen Unfälle sind.

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