Bombardier und Siemens planen Bahnsparten-Fusion

Seit Anfang 2017 laufen hinter dem Rücken der Belegschaften Geheimgespräche über einen Zusammenschluss der Bahnsparten von Bombardier und Siemens. Nach Berichten der Wirtschaftszeitung Bloomberg sollen die Aktivitäten beider Firmen im Bau von Zügen und Signaltechnik in einem Joint Venture zusammengefasst werden, um der wachsenden Konkurrenz aus Asien, vor allem aus China, in wichtigen Exportmärkten begegnen zu können. Der fusionierte Konzern könnte einen geschätzten Umsatz von 13 Milliarden Euro erreichen.

Tausende von Arbeitsplätzen werden bei einer Fusion auf dem Spiel stehen, denn die Produktpalette der beiden Hersteller überschneidet sich in vielen Bereichen. So stellt Bombardier in den Werken Görlitz, Bautzen und Hennigsdorf verschiedene Zugmodelle für den Regionalverkehr und den Hochgeschwindigkeitsbereich her, die Siemens Mobility in den Werken Krefeld und München produziert.

Bombardier führt bereits Gespräche mit der IG Metall und den Betriebsräten der deutschen Standorte über einen Abbau von 2.500 Arbeitsplätzen in den deutschen Werken, wovon Görlitz und Henningsdorf am stärksten betroffen sind.

Auch in Österreich sind zahlreiche Arbeitsplätze gefährdet, wo Bombardier im Wiener Kompetenzzentrum für Straßenbahnen 550 Arbeiter beschäftigt. Siemens betreibt in der gleichen Stadt ebenfalls einen Standort für die Herstellung von Straßen- und U-Bahnen. Bei einer Zusammenlegung der Wiener Werke stünden die Arbeitsstellen bei Bombardier und die 1200 Stellen bei Siemens auf dem Spiel.

Während Tausende von Arbeitsstellen der beiden Hersteller sowie der Zulieferindustrien gefährdet sind, frohlocken die Aktionäre beider Unternehmen über rosige Aussichten. Die Wirtschaftswoche zitiert Analysten des französischen Finanzdienstleisters Kepler Cheuvreux, nach denen „allein die Siemens-Aktionäre von dem Zusammengehen in fünf Jahren mit 1,5 bis 2 Milliarden Euro profitieren könnten“. Nach Bekanntwerden der Fusionsgespräche sprang der Aktienkurs von Bombardier Inc. innerhalb von fünf Tagen um 24 Prozent.

Die Fusionspläne sind eine Reaktion auf den wachsenden weltweiten Konkurrenzkampf und eine Vorbereitung auf Handelskrieg. Siemens und Bombardier fordern von der Bundesregierung Unterstützung gegen die Kartellgesetze der Europäischen Union, die gegenwärtig einer Fusion im Wege stehen.

Die Gewerkschaften sind auf höchster Ebene in die Fusionsgespräche eingebunden, halten aber gegenüber den Belegschaften Stillschweigen. Schon seit Wochen verhandeln Betriebsräte und IG Metallvertreter mit dem Management von Bombardier über so genannte „notwendige“ Restrukturierung und die Steigerung der Effizienz und Profitabilität des Unternehmens.

Der Hennigsdorfer Betriebsratschef Michael Wobst gab offen zu, dass sich der Betriebsrat nicht gegen Einsparungen stellen werde, „auch wenn sie hier und da schmerzhaft sein sollten“. Hinter den Kulissen findet ein regelrechtes Hauen und Stechen über Vorteile für die eigenen Standorte statt. Ein Betriebsrat von Bombardier in Görlitz bestätigte dies gegenüber der WSWS: „Es gibt schon einen kleinen internen Konkurrenzkampf.“

Und der Krefelder IG Metall-Chef Ralf Claessen, der den dortigen Siemens-Betrieb betreut, gab gegenüber der Westdeutschen Zeitung zu: „Und ich sage mal ganz frech: Der Standort Krefeld ist technisch, organisatorisch und von den Menschen her so gut aufgestellt, er könnte sogar gestärkt aus einer solchen Fusion hervorgehen.“

Dieser Standort-Patriotismus der Gewerkschaft ist völlig reaktionär und dient dazu, die Arbeiter gegeneinander auszuspielen, obwohl die wachsende Kooperation und die Fusion der Unternehmen eine internationale Zusammenarbeit der Beschäftigten an allen Standorten dringend erfordert.

Bombardier und Siemens bereiten sich auf einen wachenden Konkurrenzkampf und Handelskrieg vor. Seit Jahrzehnten haben die weltweit führenden Hersteller von Schienenfahrzeugen ihre Strategie auf die Verlagerung von Fertigungsstätten in solche Länder verlegt, wo der Schienenverkehr stark wuchs. Dies waren vor allem die Länder Asiens, allen voran Indien und China. Dabei profitierten sie von den dort herrschenden Niedriglöhnen.

Bezeichnend für die Situation auf dem Weltmarkt sind die Aussagen des Vorstandsvorsitzenden des im Familienbesitz befindlichen kleineren Schweizer Herstellers Stadler Rail AG (Jahresumsatz 2014: 1,87 Mrd. Franken), Peter Spuhler. Im März erklärte er vor dem Schweizer Business Club Mittelland zu der oft verlangten Lokalisierung der Produktion von Zügen im Land des jeweiligen Käufers: „Das ist dann immer ein Abwägen. Wenn wir nicht wollen, erhält ein anderer den Zuschlag, und wenn wir es machen, kannibalisieren wir unsere bestehenden Werke in Europa.“

Chinesische Hersteller hätten schon Aufträge in Asien mit Preisunterschieden von 30 Prozent weggeschnappt. Die Margen seien zu gering, um neue Produkte und Technologien zu entwickeln, klagte Spuhler. Im Januar 2016 ordnete Stadler Rail für die Schweizer Beschäftigten die Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 39,5 auf 42,5 Stunden an, ohne Lohnausgleich. Zur Sicherung von Aufträgen im Ausland hat Stadler bereits Produktions- oder Dienstleistungsstandorte in Berlin, Budapest, Siedlce/Polen, Prag, Kouba/Algerien und Minsk aufgekauft.

Die Wirtschaftszeitung Bloomberg berichtete vor wenigen Tagen, dass die Investitionen in U-Bahnprojekte in Asien in den nächsten 15 Jahren nach Schätzungen von PricewaterhouseCoopers ein Volumen von 230 Mrd. US Dollar erreichen werden. Bombardier und das französische Unternehmen Alstom haben bereits 2008 Betriebe in Indien eröffnet, von denen nunmehr der asiatische Markt bedient werden soll. Dabei wollen sie „Indiens großen Pool von Ingenieuren und billigen Fachkräften ausbeuten“, heißt es in dem Bericht.

Indien ist bereits für viele Hersteller von Automobilen wie Hyundai, Ford, Renault SA und Suzuki Motor Corp. zur Basis für Exporte nach Afrika, Südamerika und Europa geworden. Im vergangenen Jahr wurden 3,5 Millionen Autos von dort exportiert. Zu welchen Bedingungen die Arbeiter dort ausgebeutet werden, zeigt der Fall der Maruti-Suzuki-Arbeiter, die zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie für ihre Rechte kämpften.

Auch im chinesischen Markt wetteiferten die führenden europäischen Unternehmen Siemens und Alstom mit den Firmen Bombardier, Kawasaki Heavy Industries und Hyundai Rotem um Aufträge der chinesischen Staatsbahnen. Als sich der chinesische Markt Mitte der 80er Jahre öffnete, wurden Joint Venture Unternehmen mit chinesischen Herstellern eingegangen:

  • Alstom produziert in eigenen oder in Joint-Venture-Betrieben in den Städten Schanghai, Qingdao und Xi'an.
  • Siemens kooperiert mit Partnern in Tianjin und Beijing.
  • Bombardier betreibt eigene Werke in Schanghai, Beijing, Qingdao und Suzhou sowie Joint Ventures in Qingdao, Changchun, Changzhou, Schanghai und Nanjing und unterzeichnete im September 2016 ein Kooperationsabkommen mit dem chinesischen Hersteller CRRC.
  • Kawasaki kooperierte mit CSR Sifang Locomotive & Rolling Stock Co., Ltd. in Qingdao.

Wurden die dort hergestellten Züge zunächst im chinesischen Zugverkehr eingesetzt, so führte der obligatorische Technologietransfer durch die gemeinsamen Betriebe bei den chinesischen Herstellern zur raschen technischen Weiterentwicklung der eigenen Produkte.

Heute tritt die seit Mitte 2015 aus zwei nord- und südchinesischen Herstellern vereinigte China Railway Rolling Stock Group (CRRC) als ernsthafter Konkurrent auf dem Weltmarkt auf. Die CRRC erreichte im Jahr 2014 mit über 180.000 Beschäftigten und Niederlassungen, bzw. Produktionsstätten in über hundert Ländern einen Umsatz von 34,5 Mrd. US-Dollar, mehr als das Doppelte des gemeinsamen Umsatzes von Bombardier und Siemens in dieser Branche.

Tausende von Arbeitern sind im Produktionsprozess täglich weltweit in Joint-Venture-Unternehmen oder auch bei Projekten, die in Kooperation konkurrierender Unternehmen hergestellt werden, eng miteinander verbunden. So zum Beispiel bei dem neuen Intercityzug ICE 4 für die Deutsche Bahn, bei dem Siemens (zwei Drittel des Auftragsvolumens) und Bombardier (ein Drittel des Volumens) in Entwicklung und Produktion zusammen arbeiten. Das Bombardierwerk in Görlitz produziert die Rohbauten für den ICE 4 und liefert sie an das Siemenswerk in Krefeld, wo der Zug mit der Belegschaft von 2500 Arbeitern fertiggestellt wird.

Die weltweite Arbeitsteilung und Kooperation bietet die objektive Voraussetzung für eine kreative Kooperation der Beschäftigten in allen Nationen. Doch die sinnvolle und produktive Zusammenarbeit der Arbeiter auf internationaler Ebene wird durch die Profitorientierung der Unternehmen im kapitalistischen System und seiner unauflösbaren Bindung an den Nationalstaat zerstört.

Die Fusionsvorbereitung von Bombardier und Siemens machen deutlich, wie dringen es ist, dass Arbeiter sich weltweit zusammenschließen, um gemeinsam gegen wachsende Ausbeutung und zunehmenden Handelskrieg zu kämpfen. Das erfordert vor allem einen Bruch mit der nationalistischen Politik der Gewerkschaften, die sich im Namen der „Wettbewerbsfähigkeit“ mit „ihrem Betrieb“ identifizieren und die regionalen und nationalen Standorte gegeneinander ausspielen.

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