Kölner Anti-AfD-Demo: Teilnehmer unterstützen Kampf für Meinungsfreiheit an der Humboldt-Universität

Das Flugblatt „Die Verteidigung der historischen Wahrheit und der Kampf gegen die AfD“, das die IYSSE und die Sozialistische Gleichheitspartei am Samstag in Köln auf den Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag verteilten, fand großes Interesse und viel Unterstützung. Fast jeder zweite der etwas mehr als 10.000 Protestteilnehmer nahm es mit. Viele lasen es sofort und diskutierten mit den Verteilern.

Diskussion am Infotisch der SGP

Das Flugblatt informiert über die Ereignisse an der Berliner Humboldt-Universität, wo die Universitätsleitung versucht, Kritik an rechten Professoren zu unterdrücken. Das HU-Präsidium hat Kritik am Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski für „inakzeptabel“ erklärt und Kritikern mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht, nachdem ein Kölner Gericht entschieden hatte, dass Baberowski als Rechtsradikaler bezeichnet werden darf.

Die Proteste gegen die AfD, die auf ihrem Parteitag einen weiteren Rechtsruck vollzog, wurden von einem martialischen Polizeiaufmarsch begleitet. 4000 Einsatzkräfte der Polizei traten in Kampfausrüstung zum Schutz des Parteitags und zur Einschüchterung der Demonstranten an. Die Polizei verhängte eine Flugverbotszone. Neben Spezialeinsatzkräften und Wasserwerfern hielt sie auch Sammelstellen für „Störer“ in den Nachbarstädten Brühl und Bonn bereit, falls die Gewahrsamszellen in Köln nicht ausreichten.

Für die Kölner Polizei, die von Kräften aus ganz Nordrhein-Westfalen und dem Bundesgebiet unterstützt wurde, war das der größte Einsatz in ihrer Geschichte. Vor der Demonstration hatte der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies vor Ausschreitungen gewarnt und erklärt: „Wir machen uns große Sorgen.“ Die Proteste verliefen jedoch allesamt friedlich.

Das Flugblatt der SGP und IYSSE stellte einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anwachsen der AfD und „der Zunahme des Militarismus, der Aufrüstung des Polizei- und Überwachungsapparats und der unmenschlichen Flüchtlingspolitik der Europäischen Union“ her. „Die herrschende Klasse ist sich darüber bewusst, dass die Rückkehr zu Militarismus und Großmachtpolitik angesichts der Erfahrung zweier Weltkriege auf überwältigende Opposition stößt. Deshalb müssen sie die Geschichte umschreiben und die Verbrechen des deutschen Imperialismus reinwaschen“, heißt es darin.

In diesen Zusammenhang stellt das Flugblatt die Ereignisse an der Humboldt-Universität. Es führt zahlreiche Äußerungen Baberowskis an, die den Nationalsozialismus und den Vernichtungskrieg im Osten verharmlosen. So hatte er im Februar 2014 dem Spiegel gesagt, „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam“, und den Nazi-Apologeten Ernst Nolte verteidigt. Diese Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus ging Hand in Hand mit Äußerungen gegen Flüchtlinge und der Unterstützung von Krieg und Gewalt.

Kritik an solchen Positionen, die sich nicht von jenen der AfD unterscheiden, soll nach dem Willen von HU-Präsidentin Sabine Kunst nun verboten sein. Kunst ist SPD-Politikerin wie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die in Köln als Kundgebungsrednerin gegen die AfD auftrat. Das unterstreicht, dass die SPD, die große Teile des flüchtlingsfeindlichen und des Law-and-order-Programms der AfD übernommen hat, nicht ernsthaft gegen diese Partei ist. Kraft geht es lediglich darum, stimmen für die Landtagswahl am 14. Mai zu erhalten.

Ein selbstgemaltes Plakat

Die meist jungen Demonstrationsteilnehmer waren aufrichtig von der Politik der AfD abgestoßen. Viele trugen selbstgemachte Transparente und Plakate, die für Toleranz, Gleichheit, Menschenwürde und Solidarität und gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Flüchtlingshetze eintraten.

Die meisten waren erschrocken, als die lasen, welche Standpunkte Baberowski vertritt, was er gesagt oder geschrieben hat, und dass Kritik daran als „inakzeptabel“ gelte. „Krass“, „Das gibt es doch nicht“, „unglaublich“ lauteten die ersten Reaktionen. Einige fragten nach: „Ihr sprecht von einer Hochschule hier in Deutschland, in Berlin?“ Vor allem Baberowskis Äußerung, dass Hitler nicht grausam war, ließ viele erschrecken. Sie empfanden es als Skandal, dass Kritik daran unterdrückt werden soll.

Ein junger Mann aus Jugoslawien war vor allem zum Schutz seiner jüngeren Schwester gekommen: „Sie wurde vor kurzem nach einer Demo gegen Rechts von Nazis eingekreist, und ich will auf sie aufpassen.“ Er wolle aber auch gegen die Machenschaften der Großbanken protestieren, sagte er. „Wenn man sich die ansieht, bekommt man einen Eindruck davon, wer für Armut und Ungerechtigkeit verantwortlich ist.“ Das sei mit für den Aufstieg rechter Parteien verantwortlich.

Als er das Flugblatt gelesen hatte, sagte er, davon habe er zuvor noch nichts gehört. „Es ist unglaublich, dass jemand so etwas sagen kann und er dafür auch noch verteidigt wird.“

Yannik, ein 21-jähriger Student aus Bremen, kannte Baberowski: „Ich habe die Auseinandersetzung mit dem Bremer AStA verfolgt.“ Der Professor versuche gerichtlich, die Kritik des AStA zu unterbinden. „Über Baberowski brauchen wir nicht lange reden“, sagte er. „Es ist klar, dass er rechts ist.“

Als ihm ein IYSSE-Mitglied berichtete, dass IYSSE-Mitglieder an der HU am Verteilen von Flugblätter gehindert wurden, sagte er: „Flyern verbieten, aber gleichzeitig eine Debatte fordern [wie Kunst dies tut], geht gar nicht.“

Merlin

Merlin las das Flugblatt der SGP und IYSSE komplett durch. „Besonders schlimm ist, dass die Kritik an Baberowski unterdrückt werden soll“, erklärte er anschließend. Die Entwicklungen verfolge er mit großer Sorge. „Die Bewegung gegen solche Standpunkte muss schneller stärker werden als die Rechtsentwicklung."

Ein älteres Ehepaar erinnerte sich an ihre eigene Jugend: „In den 80ziger Jahren wäre es nicht möglich gewesen, einen Relativierer des Holocaust so den Rücken freizuhalten. Aber die Wissenschaftsfreiheit als Argument zu benutzen, das kennen wir. Damit wurden ja schon im Historikerstreit [zwischen Nolte und anderen Historikern Mitte der 1980er Jahre] die historischen Verbrechen der Nazis verteidigt und auch die Verfälscher dieser Verbrechen.“

Maximiliane macht gerade ihr Abitur nach und sucht einen Ausbildungsplatz. Sie sagte: „Ich finde das ein Unding, dass überhaupt so jemand lehren darf.“ Um sich genauer zu informieren, kaufte sie, wie andere auch, am Infostand das Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda“, dass sich ausführlich mit Standpunkten Baberowskis und anderer Professoren und den Hintergründen der Auseinandersetzung an der HU befasst.

Viele Demonstrationsteilnehmer lobten die Arbeit der SGP und der IYSSE und wünschten ihnen weiterhin viel Erfolg.

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