Perspektive

IWF-Treffen: Wachsende Tendenzen zu globalem Handelskrieg

Am vergangenen Wochenende trat mit dem Internationalen Währungsfond (IWF) nunmehr bereits die zweite bedeutende Weltwirtschaftsorganisation von der Verpflichtung zurück, „Protektionismus in jeglicher Form entgegenzutreten“. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung eines globalen Wirtschaftskriegs.

Nachdem sich die G20-Finanzminister auf ihrem Treffen im vergangenen Monat gegen die Aufnahme einer entsprechenden Passage gegen Protektionismus in die Abschlusserklärung entschieden hatten, nahm der IWF auf seinem Frühlingstreffen in Washington nun dieselbe Leitlinie an. In beiden Fällen wurde eine Erklärung, dass man sich dem „freien Handel“ verpflichtet sieht, auf Druck der Trump-Regierung entfernt, die ihre Politik unter der Parole „America First“ verfolgt.

In der Erklärung, die nun vom IWF-Lenkungsausschuss (IMFC) herausgegeben wurde, heißt es lediglich, man wolle „gleiche Bedingungen für den internationalen Handel fördern“. Damit verabschiedete sich der IWF von der früheren Formulierung.

Der derzeitige Ausschussvorsitzende und Gouverneur der mexikanischen Zentralbank, Agustin Carstens, gab sich Mühe über die weitreichende Bedeutung dieser Entscheidung hinweg zu täuschen. Er deutete an, man habe die frühere Formulierung gestrichen, weil „die Verwendung des Ausdrucks ‚Protektionismus‘ sehr missverständlich“ sei.

Tatsächlich ist jedoch der Wegfall jeglicher Erklärungen darüber, dass die Organisation protektionistische Maßnahmen ablehnt, ein unmissverständlicher Ausdruck wachsender Spannungen im Welthandel, die vor allem von der Trump-Regierung weiter eskaliert werden.

Es war jedoch offenbar nicht möglich, diese Spannungen auf dem Treffen ganz und gar zu verdrängen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte in seinem Statement an das IMFC, dass sich Deutschland dazu bekenne, „die Weltwirtschaft offen zu halten, Protektionismus zu widerstehen und die weltweite Wirtschafts- und Finanzzusammenarbeit auf Kurs zu halten.“

Schäubles Erklärung stand in krassem Gegensatz zu den Bemerkungen seines amerikanischen Amtskollegen Steven Mnuchin. Die USA würden „die Ausweitung des Handels mit jenen Partnern fördern, die sich zum Wettbewerb auf der Grundlage des Marktes bekennen, und uns gleichzeitig entschiedener gegen unfaire Handelspraktiken zur Wehr setzen“, erklärte Mnuchin.

Er richtete seinen Kommentar in erster Linie gegen die beiden Länder, die gegenüber den USA die größten Handelsbilanzüberschüsse haben – China und Deutschland. Washington erklärte wiederholt, dass die chinesische Wirtschaft nicht auf den Regeln des Marktes basiere. Über Deutschland sagten Mitglieder der Trump-Regierung, dass es auf ungerechte Art und Weise aus der Tatsache Kapital schlage, dass der Wert des Euro niedriger liege als der Wert der früheren D-Mark. Deutschland verzeichnet für die Handelsbilanz des letzten Jahres einen Rekordüberschuss.

Ohne Deutschland direkt beim Namen zu nennen, sagte Mnuchin, dass „Länder mit großen Exportüberschüssen und soliden öffentlichen Haushalten, eine besondere Verantwortung haben, zu einer robusteren Weltwirtschaft beizutragen.“

Die Entscheidung des IWF, sich dem Druck der USA zu beugen, folgte nur wenige Tage auf die Ankündigung der Trump-Regierung, radikale Einschränkungen bei Stahlimporten einführen zu wollen. Sollte diese Ankündigung in die Tat umgesetzt werden, hätte dies sehr weitreichende Auswirkungen auf den globalen Rohstoffmarkt.

Mithilfe eines selten angewandten Gesetzes aus dem Jahre 1962 ordnete Trump per Dekret eine Untersuchung an, die sich mit den Auswirkungen von Stahlimporten auf die nationale Sicherheit der USA beschäftigen soll. Trump erklärte sein Vorgehen zum „historischen Tag für Amerika“. Die Verfügbarkeit von Stahl sei „sowohl für unsere Wirtschaft als auch für unser Militär von entscheidender Bedeutung“. Die Stahlbranche sei ein Bereich, „in dem wir uns eine Abhängigkeit von anderen Ländern nicht leisten können.“

Die Beschwörung der „nationalen Sicherheit“ steht in deutlicher Verbindung zu den militaristischen Bestrebungen der Regierung. Die Anwendung von rechtlichen Maßnahmen dieser Art ist jedoch gleichzeitig Teil einer umfassenderen Handelskriegsstrategie, wie sie vom amerikanischen Handelsminister Wilbur Ross und dem Vorsitzenden von Trumps „Nationalem Handelsrat“, Peter Navarro, in einer Eingabe an den Kongress zu Beginn des Jahres dargelegt wurde.

Diese Strategie basiert darauf, ältere Gesetze zur Anwendung zu bringen, um das internationale Handelsrecht zu umgehen, dessen Einhaltung von der Welthandelsorganisation beobachtet wird. Washington versucht, auf diesem Weg verschiedene protektionistische Maßnahmen einzusetzen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Es ist bemerkenswert, dass Ross und Navarro in ihrem Strategiepapier an den berüchtigten Smoot-Hawley Act aus dem Jahr 1930 erinnerten. Dieses Gesetz trägt anerkanntermaßen eine erhebliche Verantwortung für die Handelskonflikte der 1930er Jahre, die maßgeblich zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beitrugen.

In einem Gastbeitrag in der Financial Times kommentiert Chad Brown, ein ehemaliger Wirtschaftsberater von Präsident Obama und Senior Fellow des Peterson-Instituts, Trumps jüngstes Dekret. Darin heißt es, die Beschwörung der „nationalen Sicherheit“ zur Rechtfertigung von Einschränkungen bei Stahlimporten habe ähnliche Auswirkungen auf den Welthandel, wie es der Einsatz von Atomwaffen in globalen Konflikte hätte.

„Dies ist ein weiterer Bestandteil der Indizienkette, die eine besorgniserregende Entwicklung anzeigt. Auf der Suche nach probaten Mitteln zur Handelsbeschränkung, die von amerikanischen Gesetzen legitimiert werden, scheint Trump jeden Stein umzudrehen.“, erklärt Brown.

In den vergangenen Jahren haben die USA 152 Gerichtsprozesse gegen Dumpingpreise in der Stahlbranche angestrengt. Weitere 25 Prozesse sind in Vorbereitung. Der jüngste Schritt ist jedoch eine sehr weitreichende Eskalation. Laut Handelsminister Ross sei das bestehende Handelssystem zu „porös“ und erlaube nur begrenzte Beschwerden gegen bestimmte Länder, die dann auch noch leicht umgangen werden könnten.

Die neuen Maßnahmen sollten eine „umfassendere Lösung für eine breite Palette von Stahlprodukten und einer großen Anzahl von Ländern“ herbeiführen. Dabei wäre es „denkbar, dass das Ergebnis [einer solchen Lösung] eine Empfehlung wäre, gegen alle Stahlimporte vorzugehen.“

Mit solchen Maßnahmen wäre ein Chaos an den internationalen Märkten praktisch vorprogrammiert. Stahlexporteure würden versuchen, ihre Produkte auf andere Märkte zu verlagern, was wiederum zur Anschuldigung führen würde, sie würden die Preise drücken. Die Einführung von Zöllen und anderen Einschränkungen wären mittelbar die Folge – kurz gesagt: Es würde ein grenzenloser Handelskrieg ausbrechen.

Hinter den Maßnahmen der US-Regierung stehen im Wesentlichen zwei grundlegende Triebkräfte: erstens, der anhaltende wirtschaftliche Niedergang der USA, den die Regierung nun mit politischen und militärischen Mitteln zu überwinden versucht. Seit der Finanzkrise von 2008, dem darauf folgenden Rückgang des weltweiten Wachstums und der Schrumpfung des Weltmarkts läuft dieser Prozess in beschleunigtem Tempo ab.

Zweitens, die Versuche der Trump-Regierung, von den wachsenden gesellschaftlichen Spannungen, die von Billiglöhnen und wachsender wirtschaftlicher Not verursacht werden, abzulenken und sie in die Sackgasse eines reaktionären Wirtschaftsnationalismus zu führen. Trump genießt dabei die uneingeschränkte Unterstützung der Gewerkschaftsbürokratie. Führende Gewerkschaftsfunktionäre sahen Trump bei der Unterzeichnung seines Stahldekrets praktisch über die Schulter. Trump wird darüber hinaus von den Wirtschaftsnationalisten aus der Demokratischen Partei unterstützt, deren prominentester Vertreter der selbsternannte „Sozialist“ Bernie Sanders ist.

Die diesem Prozess eigene, objektive Logik führt zu einem Krieg, der sowohl mit wirtschaftlichen als auch militärischen Mitteln geführt werden wird und zu dem die bürgerlichen Politiker keine fortschrittliche Alternative haben. Das zeigt auch die Ohnmacht des IWF angesichts der großen Gefahr, die er selbst erkannt hat. Die Ursachen für den wachsenden Wirtschaftsnationalismus und Protektionismus liegen in den Grundlagen des kapitalistischen Wirtschaftssystem selbst, das auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und der Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten beruht.

Vor einhundert Jahren versank die Welt im Gemetzel des Ersten Weltkriegs, der nicht, wie es hieß, der „Krieg zur Beendigung aller Kriege“ war. Er war nur der Anfang eines drei Jahrzehnte andauernden Kampfs, in dem die imperialistischen Großmächte um die Weltherrschaft rangen. Nach Dutzenden Millionen Toten und unfassbaren Schrecken, einschließlich des Holocausts und des Abwurfs von zwei Atombomben auf Japan, gingen schließlich die USA als Weltmacht aus diesem Kampf hervor.

Heute steht die Welt vor dem wirtschaftlichen Niedergang Amerikas, der sie mit noch explosiveren Konsequenzen konfrontiert, die die damaligen Schrecken noch weit übertreffen würden.

In diesem Jahr jährt sich jedoch auch das größte Ereignis des 20. Jahrhunderts, die Russische Revolution. Angeführt von Lenin, Trotzki und den Bolschewiki eroberte vor hundert Jahren die Arbeiterklasse auf der Grundlage des Programm der sozialistischen Weltrevolution die politische Macht. Von dieser Perspektive muss sich die internationale Arbeiterklasse auch in jenem Kampf leiten lassen, mit dem sie heute direkt konfrontiert ist.

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