Rechte Terrorpläne aus den Reihen der Bundeswehr

Die Verhaftung eines 28-jährigen Bundeswehroffiziers unter dem Verdacht, er habe einen rechtsextremen Terroranschlag geplant, wirft beunruhigende Fragen auf. Was sich anfangs wie ein bizarrer Einzelfall ausnahm, zeigte schnell, dass in der Bundeswehr rechtsradikale Strömungen einen fruchtbaren Boden finden.

Franco A. wurde am vergangenen Mittwoch verhaftet, nachdem er versucht hatte, eine im Wiener Flughafen versteckte Waffe abzuholen. Den deutschen Sicherheitsbehörden war er bisher nicht aufgefallen.

Schnell stellte sich heraus, dass Franco A. eine Doppelexistenz führte. Er ist seit acht Jahren Berufssoldat bei der Bundeswehr, wo er den Rang eines Oberleutnants bekleidet und im Jägerbataillon 291 im französischen Illkirch stationiert ist.

Gleichzeitig ließ er sich Ende 2015 unter dem Namen David Benjamin als syrischer Flüchtling registrieren. Obwohl er aus Offenbach bei Frankfurt stammt, kein Arabisch spricht und sich mit den Behörden auf Französisch verständigte, wurde er als Flüchtling anerkannt und in eine Flüchtlingsunterkunft verwiesen. Neben seinem Soldatensold bezog er auch Leistungen als Flüchtling.

Inzwischen erhärtet sich der Verdacht, dass Franco A. unter seiner falschen Flüchtlingsidentität einen Terroranschlag gegen linke Politiker oder Aktivisten plante, der dann Flüchtlingen in die Schuhe geschoben werden sollte.

Während die Sicherheitsbehörden und das Verteidigungsministerium mauern und nur portionsweise bestätigen, was bereits bekannt ist, haben Recherchen von Journalisten aufgedeckt, dass Franco A. eine rechtsradikale Gesinnung vertrat, die seinen militärischen Vorgesetzten bekannt war, und dass bei Hausdurchsuchungen Listen mit möglichen linken und antifaschistischen Anschlagszielen gefunden wurden.

So berichtete Spiegel Online am Freitag, dass Franco A. bereits Anfang 2014 mit rechtem Gedankengut aufgefallen war, als er an der französischen Militäruniversität Saint-Cyr studierte. Seine Masterarbeit sei zurückgewiesen worden, weil er „stramm völkische und teilweise rechtsextreme Meinungen wiederholte und sich nicht von entsprechenden Denkern oder Philosophen distanzierte“. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat das inzwischen bestätigt.

Ein Professor war damals zum Urteil gelangt, die Masterarbeit „sei nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar“, berichtet Spiegel Online. Auch ein Wissenschaftler vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, der die Arbeit las, gelangte zum Schluss, der Text enthalte eindeutig „völkisches Denken“.

Der Verdacht gegen Franco A. wurde aber „komplett fallen gelassen“, nachdem er seinem deutschen Vorgesetzten an der Uni versichert hatte, die rechten Passagen seien wegen Zeitdrucks zustande gekommen. Der Vorgesetzte gelangte zur Ansicht, dass A. keine rechte Gesinnung habe, und räumte ihm eine „zweite Chance“ ein. A. schrieb eine neue Arbeit, die angenommen wurde.

Der Vorfall wurde weder in A.s Personalakte vermerkt, noch an den zuständigen Militärischen Abschirmdient (MAD) weitergeleitet. Laut Spiegel Online wurde er nur bekannt, weil sich ein Soldat, der sich an den Vorfall erinnern konnte, aus eigenen Stücken bei den Vorgesetzten meldete.

Am Sonntag meldete Spiegel Online dann den Fund einer „Liste mit möglichen Zielen für Anschläge oder Angriffe gegen linke und antifaschistische Organisationen und Einzelpersonen“, die bei Hausdurchsuchungen gefunden wurde. Sicherheitskreise hätten den Fund der Liste bestätigt, hielten sich aber mit Schlussfolgerungen über ihren Zweck noch zurück.

Mindestens zwei Personen – die Berliner Linken-Abgeordnete Anne Helm, die sich gegen rechte Tendenzen einsetzt, und der Leiter der Organisation „Zentrum für politische Schönheit“, die mit künstlerischen Aktionen gegen Rechtsextremismus und Rüstungsexporte auftritt – sind von der Polizei informiert worden, dass sie auf der Liste aufgeführt sind.

Der Fall Franco A. bestätigt, dass rechtsextreme Elemente von der Bundeswehr angezogen und ihre Gesinnung toleriert oder ermutigt wird. Bereits in den letzten Monaten ist es wiederholt zu Skandalen wegen Misshandlungen oder sexuellen Übergriffen während der Ausbildung gekommen – unter anderem in den Kasernen von Pfullendorf und Sondershausen.

Mit der vermutlichen Planung eines rechten Terroranschlags aus den Reihen der Bundewehr hat diese Entwicklung eine neue Dimension angenommen. Dabei lässt sich nur schwer vorstellen, dass Franco A. keine Mitwisser oder Komplizen hatte.

Auch überzeugte Befürworter der Bundeswehr, wie der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Rainer Arnold, mussten zugeben: „Rechtsradikale herauszufiltern hat bei der Bundeswehr nicht immer gut funktioniert. Da wurde eindeutig zu wenig getan.“

Laut Hans-Peter Bartels (SPD), dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, ist die Bundeswehr „strukturell anfälliger“ als andere Bereiche der Gesellschaft. „Hierarchien, Waffen, Uniform – das zieht manchen Bewerber an, den die Bundeswehr nicht haben wollen kann“, sagte er der Welt am Sonntag.

Selbst Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen musste einräumen, die militärischen Führung der Bundeswehr habe ein „Haltungsproblem“ und einen „falsch verstandenen Korpsgeist“, der immer wieder dazu führe, dass Verfehlungen nicht richtig verfolgt würden. „Es wird weggeschaut. Das gärt dann, bis es zum Eklat kommt. Und das ist nicht in Ordnung“, sagte sie der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen.“

Tatsächlich handelt es sich weder um ein „Haltungsproblem“ noch um eine „Schwäche“. Die Anziehungskraft der Bundeswehr auf rechte und rechtsradikale Elemente ergibt sich unvermeidlich aus der Wiederbelebung des deutschen Militarismus. Ihre Verwandlung in eine Berufsarmee, die auf der ganzen Welt Krieg führt und tötet, zieht unweigerlich Elemente an, die auch in anderen politischen und gesellschaftlichen Fragen rechte und militaristische Auffassungen vertreten.

Die Forderungen von der Leyens und anderer Regierungsmitglieder, Deutschland müsse wieder „Verantwortung übernehmen“ und weltweit eine politische und militärische Rolle spielen, die seinem wirtschaftlichen Gewicht entspreche, tragen ebenso dazu bei, derartige Elemente anzuziehen.

In der Weimarer Republik bildeten der Generalstab der Reichswehr und die Freikorps und paramilitärischen Verbände, die nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg aus ihr hervorgegangen waren, einen Staat im Staat. Sie waren eine Brutstätte für rechtsradikale Gesinnung und Gewalttaten. Zahlreiche Sozialisten, einschließlich Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, wurden von ihnen ermordet. Hitlers SA ging aus ihnen hervor.

Lange Zeit schien dies Geschichte. Doch nun zeigt sich, das alles Gerede über „Staatsbürger in Uniform“ und „innere Führung“ nichts am Charakter des Militarismus geändert hat. Der Fall Franco A. ist ein Warnsignal. Mit dem Militarismus wächst auch wieder die Gefahr von rechts.

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