VW-Betriebsrat-Chef Osterloh erhält bis zu 750.000 Euro im Jahr

Dass die Betriebsratsvorsitzenden großer Konzerne unverschämt viel Geld verdienen, ist ein offenes Geheimnis. Dennoch überraschen die konkreten Zahlen, die hin und wieder an die Öffentlichkeit gelangen, immer wieder. So auch jetzt, nachdem bekannt geworden ist, mit welchem Salär der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des VW-Konzerns, Bernd Osterloh, bedacht wird. Sein Grundgehalt von rund 200.000 Euro im Jahr ist durch Boni auch schon mal auf 750.000 Euro gestiegen, das sind 62.500 Euro im Monat.

Bekannt wurde dies am letzten Freitag. Da berichtete die Braunschweiger Zeitung, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen vier Top-Manager von Volkswagen wegen des Anfangsverdachts auf Untreue ermittelt. Die Staatsanwaltschaft prüfe, ob der aktuelle VW-Konzernvorstand für Personal, Karlheinz Blessing, sein Vorgänger Horst Neumann sowie der Personalchef der Marke VW, Martin Rosik, und sein Vorgänger Jochen Schumm Betriebsräten finanzielle Vorteile gewährt haben. Diese könnten rechtlich als Vermögens-Veruntreuung gewertet werden.

Die Personal-Vorstände werden traditionell auf Vorschlag der Gewerkschaft IG Metall ernannt. Blessing selbst hatte erst Anfang 2016 den Personalvorstandsposten von Neumann übernommen. Er hatte seine berufliche Karriere im Vorstand der IG Metall als Büroleiter des damaligen Vorsitzenden Franz Steinkühler begonnen. In der SPD war er unter dem Vorsitzenden Björn Engholm kurze Zeit Bundesgeschäftsführer. Blessing ist ein enger Vertrauter von Ex-IGM-Chef Berthold Huber, der von April bis Oktober 2015 den VW-Aufsichtsrat leitete, also genau in der Zeit, in der alle wichtigen Personalentscheidungen nach dem Dieselabgas-Skandal getroffen wurden.

Neumann hatte bis 1994 in der Wirtschaftsabteilung der IG Metall gearbeitet. Daneben war er Mitglied in mehreren Aufsichtsräten. 2005 wurde er als Nachfolger von Peter Hartz Personalchef bei VW. Der Aufsichtsrat bewilligte Neumann mit den Stimmen der IGM und der SPD-Funktionäre, die im VW-Aufsichtsrat die Mehrheit haben, eine Altersversorgung in Höhe von 23 Millionen Euro.

Es ist daher keine Überraschung, dass nach Bekanntwerden der Ermittlungen der Betriebsrat und der Konzern sofort erklärten, sich bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern an das Betriebsverfassungsgesetz zu halten.

Osterloh selbst sagte der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung (WAZ) in einem Interview: „Das Wichtigste: Gegen mich wird nicht ermittelt. Und ich bin mit mir auch im Reinen.“ Das Gehalt werde vom Unternehmen festgelegt, dafür gebe es klare Regeln. Neben dem Betriebsverfassungsgesetz gebe es bei VW zusätzlich Bestimmungen zur Betriebsratsvergütung. „Diese Regeln sind mehrfach in Zusammenarbeit mit externen Experten überprüft worden.“ Er werde genauso behandelt, „wie alle anderen Manager (!) im entsprechenden Status“, sagte er.

Der VW-Betriebsrat betont, dass Osterloh das Zehnfache verdienen würde, wenn er wie ursprünglich geplant anstelle Blessings den Posten des Personalvorstands übernommen hätte. Dieser Plan war als Folge des Abgasbetrugs gescheitert. „Ginge es mir ums Geld, wäre ich nicht mehr Betriebsratschef“, sagte Osterloh selbst der Braunschweiger Zeitung:

Laut Betriebsverfassungsgesetz übt der Betriebsrat ein Ehrenamt aus. Er soll weder Nach- noch Vorteile durch seine Tätigkeit haben. Das Gesetz legt fest, dass Betriebsräte in der gleichen Eingruppierung bleiben und finanziell nicht besser oder schlechter gestellt werden dürfen als Kollegen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben. Zudem soll die Bezahlung gemäß ihren Aufstiegschancen steigen.

Offenbar ist für Gewerkschafter der (Geld)-segenreichste Aufstieg der Aufstieg zum Betriebsrat. Der gelernte Industriekaufmann Osterloh war bereits 1990 in den VW-Betriebsrat eingezogen und hatte 15 Jahre später, 2005, dessen Vorsitz übernommen. Sein Vorgänger Klaus Volkert hatte ebenso wie Personalchef Hartz seinen Hut nehmen müssen, weil der eine (Hartz) dem anderen (Volkert) Prostituierte und Luxusreisen auf Konzernkosten spendiert hatte. Volkert, der später wegen „Untreue“ verurteilt wurde und fast zwei Jahre in Haft saß, hatte für seine Betriebsratstätigkeit weit mehr als 300.000 Euro im Jahr erhalten.

Als Osterloh 2005 die Nachfolge Volkerts antrat, betonte er, bei ihm gelte das „Prinzip der gläsernen Kasse“. Sein Gehalt bezifferte er zu diesem Zeitpunkt auf 6500 Euro brutto monatlich oder 78.000 Euro im Jahr. Das dürfte das „normale“ Gehalt als „einfacher Betriebsrat“ gewesen sein, bevor er ein Jahr zuvor Stellvertreter Volkerts geworden war. Bereits 2008 äußerte sich Osterloh erneut über sein Gehalt. Es war innerhalb von drei bis vier Jahren auf 120.000 Euro gestiegen.

Weitere sieben Jahre später betrug das Grundgehalt bereits 200.000 Euro – auch ohne Boni eine Gehaltssteigerung von 256 Prozent in zwölf oder dreizehn Jahren. Mit Boni „lag mein Jahresgehalt einmal bei rund 750.000 Euro“, berichtete Osterloh im Interview der WAZ und schob nach: „Aktuell ist es erheblich niedriger.“ Die weit über 200.000 Euro, die er jedes Jahr erhält, weil er auch im Präsidium des Aufsichtsrates sitzt, sind hier noch gar nicht mitgezählt.

Die Zahlungen an die IG-Metall-Personalvorstände und Betriebsratsvorsitzenden sind Teil eines korrupten Gewerkschaftsnetzwerks innerhalb des VW-Konzerns. Uwe Hücks bei Porsche und Peter Mosch bei Audi dürften kaum weniger erhalten. Doch so korrupt die IG Metaller auch sein mögen, was macht die Betriebsratsvorsitzenden im Volkswagen-Konzern so wertvoll?

Der 60-jährige Osterloh wird von allen bürgerlichen Medien als „Deutschlands mächtigster Arbeiterführer“ tituliert. Osterloh erhält sein Geld nicht, weil er „auf Augenhöhe“ mit den Managern verhandeln muss. Er erhält Millionen, weil er die Arbeit des Managements macht.

Das sogenannte VW-Modell, in dessen Rahmen Vorstand, Gewerkschaft, Betriebsräte und Niedersachsens Landesregierung als Anteilseigner aufs Engste zusammenarbeiten, galt jahrzehntelang als Modell der „deutschen Mitbestimmung“ und des „Co-Managements“. Mittlerweile ist es ein Paradebeispiel für die Verwandlung der Gewerkschaften und ihrer betrieblichen Vertreter in arbeiterfeindliche Konzernabteilungen.

Bei VW arbeiten Betriebsrat und IG Metall nicht nur eng mit der Konzernleitung zusammen, um Management-Entscheidungen nach unten durchzusetzen, sondern sie entwerfen und planen den Arbeitsplatzabbau und begründen ihn gegenüber dem Management. In den Gewerkschaftshäusern und Betriebsratsbüros werden die Strategiepläne gegen die Beschäftigten entwickelt.

In einem Interview mit dem Manager Magazin erklärte Osterloh, dass die Betriebsräte die Idee für den im November letzten Jahres beschossenen Zukunftspakt hatten. „Wenn Dinge nicht passieren, die eigentlich gemacht werden müssten, dann spreche ich das an“, erklärte Osterloh wörtlich.

Die IGM-Funktionäre Blessing und Osterloh haben diesen „Zukunftspakt“ gemeinsam ausgearbeitet, der den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen verbunden mit massiven Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen beinhaltet.

In den darauffolgenden Monaten gab es jedoch öffentlich geführte Auseinandersetzungen zwischen VW-Markenchef Herbert Diess und Osterloh über die konkrete Umsetzung des Zukunftspakts, die angeblich wieder beigelegt worden sind. Diess erklärte erst Anfang Mai im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, er und Osterloh hätten wieder „gute Gespräche“ und: „Wir sind uns in der Sache einig.“

Nun scheint eine neue Runde von Angriffen vorbereitet zu werden. Womöglich ist die Anzeige, die zu den Ermittlungen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft geführt hat, Teil einer innerbetrieblichen Auseinandersetzung zwischen Betriebsrat und IG Metall auf der einen und einigen Aktionären auf der anderen Seite. Schon die Sex- und Korruptions-Affäre, wegen der IGM- und SPD-Mitglied Hartz sowie Betriebsratschef Volkert ihre Posten hatten räumen müssen, war durch den Versuch ausgelöst worden, das „VW-Modell“ zu sprengen.

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