Macron bereitet Ermächtigungsgesetz gegen Arbeitsrechte vor

Der neue französische Präsident Emmanuel Macron bereitet einen historischen Angriff auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsrechte vor, den er per Präsidentendekret durchsetzen will. Dagegen gibt es in Frankreich breiten Widerstand.

Einzelheiten von Macrons Plänen wurden am Montag bekannt, einen Tag vor seinem ersten Treffen mit Vertretern der Gewerkschaften und der Wirtschaft im Elysée-Palast.

Nach den Wahlen zur Nationalversammlung im nächsten Monat will Macron ein Ermächtigungsgesetz vom Parlament verlangen, das dem Präsidenten ermöglichen soll, am französischen Arbeitsrecht Veränderungen vorzunehmen. „Die Reform des Arbeitsrechts ist gut vorbereitet“, erklärte der designierte Premierminister Edouard Philipp dem Journal du Dimanche: „Wir werden sie jetzt diskutieren, verbessern und erklären. Das bedeutet, und das ist unverzichtbar, dass wir mit den Gewerkschaften diskutieren. Außerdem wird parallel zur Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz eine parlamentarische Diskussion stattfinden. Das Gesetz wird es der Regierung erlauben, Dekrete in einem vom Parlament definierten Rahmen zu erlassen.“

Phillipe sagte, er selbst und Arbeitsministerin Muriel Pénicaud würden eng mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten und mit jedem Gewerkschaftsverband einzeln ein Treffen abhalten. „Aber sofort nach diesen Gesprächen müssen wir rasch handeln“, fügte er hinzu. „Dann können wir keine zwei Jahre warten, bis wir in die Gänge kommen. Emmanuel Macron hat den Ärger der Franzosen vernommen. Auch er weiß, wie dringend das Land reformiert werden muss.“

Die fraglichen Dekrete weisen darauf hin, dass Macron die gesamten Arbeitsbeziehungen in Frankreich über den Haufen werfen will, die auf die Zeit nach der Befreiung von der Nazibesetzung zurückgehen. Ihre Grundlage sind die sozialen Zugeständnisse aus der Periode unmittelbaren nach dem Zweiten Weltkrieg.

Einige neue Dekrete zielen darauf ab, Bestimmungen in das Arbeitsgesetz von 2016 wieder aufzunehmen, die die Regierung der Sozialistischen Partei (PS) herausgenommen hatte, weil der Widerstand dagegen zu stark war. In der Bevölkerung waren siebzig Prozent gegen das Gesetz, und im Parlament drückte die PS das Gesetz ohne Abstimmung durch. Unter dem Ausnahmezustand wurden die Demonstrationen und Arbeiterstreiks zwar mit Hilfe der Bereitschaftspolizei unter Kontrolle gehalten, aber die Regierung zog es doch vor, zahlreiche Bestimmungen, die Macron eigentlich am Herzen lagen, wieder herauszunehmen, um eine soziale Explosion zu vermeiden. Jetzt will er sie wieder einfügen.

Dabei geht es um folgende Fragen:

• Die Geldstrafen gegen Unternehmer, die Beschäftigte illegal entlassen haben, sollen eine Obergrenze erhalten. Dies wurde bisher vermieden, da eine niedrige Deckelung der Geldstrafen die Arbeitsgerichte offensichtlich zu machtlosen Popanzen macht. Die Unternehmer könnten die geringen Geldstrafen für ungerechtfertigte Entlassungen einfach in ihre Kalkulationen miteinbeziehen. Le Parisien zufolge überlegt Macron die Deckelung auf drei Monatsgehälter festzulegen. Das ist die Hälfte des derzeitigen Minimums, das sechs Monatslöhne beträgt. Das Ziel besteht offensichtlich darin, den Unternehmern zu erlauben, nach Belieben zu heuern und zu feuern.

• Einzelne Firmen sollen die Erlaubnis erhalten, von Tarifverträgen abzuweichen und schlechtere Verträge abzuschließen. Gegenwärtig können die Firmen selbst für ihre Beschäftigten nur abweichende Tarifverträge abschließen, wenn diese besser sind als die geltenden Flächentarife. Macrons Dekret würde die geltende Gesetzgebung auf den Kopf stellen. Die Unternehmen könnten ihre Beschäftigten dann erpressen und ihre Arbeitsplätze in Frage stellen, wenn sie nicht bereit sind, schlechtere Löhne und Sozialleistungen als im gültigen Flächentarifvertrag zu akzeptierten.

• Wenn in einem Unternehmen ein Vertrag von der Mehrheit der im Betrieb beschäftigten Gewerkschafter abgelehnt wird, und nur eine Minderheit der Gewerkschafter ihn akzeptiert, dann kann der Chef über diesen Vertrag abstimmen lassen. Weil in fast allen Unternehmen gelbe Gewerkschaften existieren, würde dies den Unternehmern praktisch freie Hand verschaffen, Tarifverträge zu diktieren, indem sie sich die Zustimmung einer Minderheit sichern und die Arbeiter dann unter Druck setzen, den Vertrag zu akzeptieren.

Andere Vorschläge Macrons sind von arbeiterfeindlichen Sozialgesetzen anderswo in Europa inspiriert, wie zum Beispiel von der Agenda 2010 und den Hartz IV Gesetzen in Deutschland, die die SPD eingeführt hatte. Z.B. müssen Arbeiter strikte Bedingungen erfüllen, um im Fall von Arbeitslosigkeit tatsächlich Arbeitslosengeld zu bekommen. Niedriges Arbeitslosengeld soll für Arbeiter „Anreize“ schaffen, auch Arbeit im Niedriglohnsektor anzunehmen.

Die Macron-Regierung versucht, diese Vorschläge als Teil eines Plans für die „Modernisierung“ Frankreichs zu verkaufen. Ein besonderer Trick besteht darin, bestimmte Maßnahmen als Verteidigung von Frauenrechten darzustellen. Die unterschiedlichen Mutterschaftsurlaubsregelungen sollen zu einem einzigen Programm zusammengefasst werden. Das soll dann, einem Vorschlag zufolge, „dem günstigsten Programm entsprechen“. Vorgesehen sind stichprobenartige Tests in den Unternehmen, angeblich um zu überprüfen, ob Frauen nicht diskriminiert werden.

Das Ganze ist ein reaktionärer Betrug. Ein solches Gesetz wäre ein großer Schritt rückwärts, denn es würde Frauen wie Männer dem Diktat der Bosse und des Staates unterwerfen. Die Vorschläge für Geschlechtergleichheit enthalten undemokratische Beschränkungen der Religionsfreiheit und ein Verbot „religiöser Propaganda“ am Arbeitsplatz. Das ist ein gefährliches Zeichen: Es könnte Unternehmern erlauben, verschleierte muslimische Frauen zu entlassen und anti-muslimische Vorurteile zu verbreiten.

Die kapitalistische Krise und die Austeritätspolitik der Europäischen Union (EU) haben sich seit dem Wall Street Crash von 2008 verschärft. Demokratische Herrschaftsformen wurden dadurch stark unterhöhlt.

Die Macron-Regierung hat kein Mandat für ihr Programm, und das Arbeitsgesetz war auch ohne seine kontroversen Bestandteile schon äußerst unbeliebt. Macron hat die Wirtschaftspolitik des bisherigen Präsidenten François Hollande (PS) mit ausgearbeitet, die in den Umfragen gerade mal vier Prozent Zustimmung erhalten hat. Jetzt vertritt Macron ein ähnliches Programm nach einer Wahl, die er ohne eigenes Zutun gewonnen hat, denn er stand einer noch unbeliebteren Kandidatin gegenüber: der Neofaschistin Marine Le Pen.

Der ehemalige Investmentbanker Macron will das Diktat der Banken durchsetzen. Unter Hollandes Präsidentschaft ist der Lebensstandard der Arbeiter gesungen und der Reichtum der reichsten französischen Milliardäre wie Liliane Bettencourt und Philippe Arnault hat sich fast verdoppelt. Aber die Weltwirtschaft steckt immer noch in der Krise und Frankreichs wirtschaftliche Position und das französische Gewicht im Welthandel sinken weiter. Deswegen ist die herrschende Klasse entschlossen, noch mehr Geld aus den Arbeitern herauszupressen und es den Superreichen zuzuschustern.

Die Arbeiterklasse steht vor einem politischen Kampf gegen eine zu allem entschlossene Regierung. Sie ist bereit, zu Unterdrückungsmethoden zu greifen, wie es sie seit den 1940er Jahren nicht mehr gegeben hat. Die neue Regierung weiß, dass sie starken Gegenwind haben wird, und macht schon detaillierte Pläne, Streiks und Proteste zu unterdrücken.

Vergangene Woche enthüllten die Medien, dass die PS Pläne für einen Putsch im Falle eines Wahlsiegs von Marine Le Pen entwickelt hatte. Der Zweck wäre nicht gewesen, Le Pen an der Machtübernahme zu hindern, sondern anti-faschistische Proteste zu unterdrücken, die normalen parlamentarischen Gepflogenheiten über den Haufen zu werfen und Le Pen zu einer Kohabitation mit einer PS-Regierung zu zwingen.

Der neue Innenminister Gérard Collomb sagte am Freitag, er wolle den Ausnahmezustand überprüfen, doch befürworte er eine erneute Verlängerung über den 15. Juli hinaus: „Ich denke, irgendwann werden wir den Ausnahmezustand wieder aufheben müssen. Aber ist jetzt der richtige Zeitpunkt? Vielleicht nicht sofort nach der Bildung einer neuen Regierung.“

Unter dem Ausnahmezustand können Arbeiter, die ihr verfassungsmäßiges Streik- und Demonstrationsrecht wahrnehmen, in die Fänge der Justiz geraten und willkürlich festgenommen und von der Polizei unter Hausarrest gestellt werden. D.h. die französische Kapitalistenklasse bricht ihr Versprechen, das sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegeben hatte, die Arbeiterklasse nie wieder willkürlich zu unterdrücken.

Diese Situation bestätigt die Position der Parti de l’égalité socialiste (PES). Sie hat vollkommen zu Recht zu einem aktiven Boykott der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl aufgerufen. Wie die PES argumentierte, war Macron keine Alternative zu Le Pen. Die entscheidende Frage war die einer politisch unabhängigen, revolutionären Perspektive, mit der die Arbeiterklasse gegen die Angriffe kämpfen kann, egal wer der neue Präsident ist. Diese Position hat sich nach der Wahl Macrons vollkommen bestätigt.

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