Parteitag in Hannover: Linkspartei hält an Rot-Rot-Grün fest

Am Sonntag ging der Parteitag der Linkspartei in Hannover zu Ende, der das Wahlprogramm für die Bundestagswahl im September verabschiedete. Hinter einigen hohlen Phrasen über soziale Gerechtigkeit und Antimilitarismus stand der Ruf nach einer Regierungskoalition mit den Hartz-IV- und Kriegsparteien SPD und Grüne im Zentrum des Treffens.

Obwohl ein rot-rot-grünes Bündnis gegenwärtig keine realistische Option ist – es wird von den Wählern mit großer Mehrheit abgelehnt und von SPD und Grünen auch nicht angestrebt –, hält die Linke daran fest. Sie will um jeden Preis verhindern, dass die Arbeiterklasse und die Jugend mit den etablierten Parteien bricht und dass sich eine unabhängige Bewegung gegen das kapitalistische System entwickelt.

Als letzte Hauptrednerin auf dem Parteitag schloss auch die Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf, Sahra Wagenknecht, eine Regierungsbeteiligung nicht aus: „Wir wollen die Grundrichtung der Politik in diesem Land verändern“, rief sie den Delegierten zu. Die Linkspartei wolle den „Sozialstaat wiederherstellen“, „die verdammten Agenda-Gesetze zurücknehmen“ und „die deutschen Kriegsabenteuer beenden“. Wenn es dafür Partner gebe, „dann wollen wir auch regieren, das ist doch völlig klar“.

Die Behauptung, dass SPD und Grüne Partner im Kampf gegen Sozialabbau und Krieg sein könnten, ist eine dreiste Lüge. Der Spitzenkandidat der SPD, Martin Schulz, verteidigt offen die verhasste Agenda-Politik und trommelt zusammen mit dem sozialdemokratischen Außenminister Sigmar Gabriel für eine Militarisierung Europas unter deutscher Führung. Nachdem Schulz‘ rechte politische Orientierung immer deutlicher wurde, brach die SPD nach einem kurzen Medienhype in den Umfragen wieder ein. Mit 25 Prozent liegt sie weit abgeschlagen hinter der CDU/CSU (39 Prozent).

Das gleiche gilt für die Grünen, die ständig an Zuspruch verlieren. Die Partei der wohlhabenden Mittelschichten hat für die Arbeiterklasse nur Arroganz und Verachtung übrig. Sie hat selbst in der Opposition jeden deutschen Kriegseinsatz unterstützt. Die Spitzenkandidaten der Grünen bei den Bundestagswahlen, Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, stehen so weit rechts, dass sie mit einem schwarz-grünen Bündnis mit der CDU/CSU liebäugeln.

Die Linkspartei selbst stagniert in den Umfragen, weil jeder weiß, dass sie als Regierungspartei genau die gleiche rechte Politik durchsetzen würde wie SPD und Grüne. Das hat sie vor allen in den zehn Jahren des rot-roten Berliner Senats bewiesen. Keine andere Landesregierung in Deutschland hat derart massiv Löhne und Sozialleistungen gekürzt und gleichzeitig Milliardenbürgschaften für die Berliner Bankgesellschaft unterschrieben wie die Linkspartei. In Griechenland ruiniert ihre Schwesterpartei Syriza mit einem brutalen Sparprogramm das Leben von Millionen Menschen.

Die von Wagenknecht formulierten sogenannten „Haltelinien“ sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Andere Redner ließen daran keinen Zweifel. Der langjährige Fraktionschef und Vorsitzende der Europäischen Linken, Gregor Gysi, erklärte: „Ich weiß, dass wir dazu tendieren, 50 rote Haltelinien zu verabschieden, aber ich habe Vertrauen zu unserer Parteiführung und weiß, dass sie diese nicht benötigt. Wer nicht kompromissfähig ist, ist auch nicht demokratiefähig, und wer zu viele Kompromisse macht, gibt seine Identität auf.”

Gysi und die Linke sind bereit, sehr weit zu gehen, um ihre nicht vorhandene „Identität“ aufzugeben. In Frankreich verteidigte Gysi am Tag der Parlamentswahl den neuen Präsidenten Emmanuel Macron, obwohl dieser den Ausnahmezustand verlängert hat und massive Angriffe auf die Arbeiterklasse vorbereitet.

„Hätte Le Pen gesiegt, wäre die EU tot. Wollen wir in einer vergleichbaren Situation in einem anderen Land wieder auf einen Macron hoffen? Und überhaupt: Wie weit ist es gekommen, dass ich als Linker auf jemanden wie Macron zu hoffen gezwungen bin? Aber immerhin, im Unterschied zu Le Pen hält er demokratische Strukturen ein, lässt er linke Alternativen zu,“ erklärte Gysi zynisch.

Dietmar Batsch, neben Wagenknecht der zweite Spitzenkandidat der Linken in der Bundestagswahl, versicherte in seiner Rede, dass die gesamte Partei den Regierungskurs unterstützt: „Tausend Mal haben wir alle, und zwar ohne Differenz in Fraktion und Partei, gesagt: ‚Natürlich sind wir auch bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen.‘ Das ist ja überhaupt gar keine Frage. Natürlich sind wir das!“

Die Ziele der Linkspartei sprach Bartsch offen an: „Wir brauchen dringend eine andere Politik in der zentralen Industriemacht Europas, liebe Genossinnen und Genossen. Im Wahlprogramm steht sehr weit vorne: die Welt ist aus den Fugen geraten […]. Wenn es dann schon einen solchen Präsidenten wie Trump gibt, dann bräuchte es ein starkes, ein friedliches Europa. Aber die EU steckt in der größten Krise ihrer Geschichte: der Brexit, die unbewältigte Finanzkrise, die grassierende Jungendarbeitslosigkeit in den Südländern – in Griechenland, Spanien, seit vier Jahren über 50 Prozent.“

Um Bartschs Lamento auf den Punkt zu bringen: Unter Bedingungen der tiefsten Krise des kapitalistischen Systems seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und wachsender politischer und sozialer Instabilität auch in Europa steht die Linke bereit, den deutschen und europäischen Kapitalismus nach innen zu stabilisieren und nach außen gegen seine Rivalen in Stellung zu bringen. Dazu versucht sie wie die Bundesregierung selbst, die weitverbreitete Opposition gegen die rechte Politik Trumps mit „humanitären“ Phrasen in Unterstützung für eine eigenständige deutsche und europäische Großmachtpolitik umzumünzen.

Nur wenige Tage vor dem Parteitag veröffentlichte der Gründer und langjährige Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, auf seiner Facebook-Seite ein Statement, in dem er den ehemaligen französischen Staatschef Charles de Gaulle, einen autoritären Nationalisten, als Vorbild preist: „Seit Jahren fordert DIE LINKE eine eigenständige europäische Außenpolitik. Lange ist es her, dass Charles de Gaulle erkannte, dass Frankreich selber darüber entscheiden muss, ob es sich an einem Krieg beteiligt. Deshalb integrierte er die französische Armee nicht in die militärische Struktur der Nato, sprich der USA.“

Die Parteivorsitzende Katja Kipping hatte angesichts der wachsenden transatlantischen Spannungen vor dem Parteitag gefordert, es sei „nun endlich an der Zeit, das Verhältnis zu den USA neu auszurichten und zwar endlich auf Augenhöhe“. Um die Welt „sicherer“ zu machen, brauche „es eine Alternative“ zur Nato, „ein kollektives Sicherheitssystem“.

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