Japan benutzt Nordkorea als Vorwand für die Anschaffung von Angriffswaffen

Japan benutzt den Teststart einer nordkoreanischen Langstreckenrakete Anfang des Monats als Rechtfertigung, um seine Wiederaufrüstung zu forcieren und die verfassungsgemäßen Einschränkungen seines Militärs abzustreifen. Obwohl die Regierung von Premierminister Shinzo Abe die Möglichkeit haben will, „Präventivschläge“ gegen Nordkorea anzuordnen, wird dieses seit langem angestrebte Ziel des japanischen Imperialismus als eine Form der Selbstverteidigung dargestellt.

Die Regierung Abe arbeitet in dieser Frage unter dem Vorzeichen der „kollektiven Selbstverteidigung“ eng mit der US-Regierung zusammen. Am Mittwoch erklärte der japanische Chefkabinettssekretär Yoshihide Suga ohne Umschweife, Japan und die USA hätten sich auf „bestimmte Maßnahmen“ geeinigt, um „unsere Verteidigungssysteme und unsere Möglichkeiten zur Abschreckung Nordkoreas zu verbessern.“

Nach einem Treffen zwischen Abe und den Präsidenten der USA und Südkoreas am Tag vor dem G20-Gipfel in Hamburg erklärte der Sprecher des japanischen Außenministeriums Norio Maruyama: „Nordkorea stellt heute eine ganz neue Bedrohung für Japan und eine eindeutige Provokation für Japan und die internationale Staatengemeinschaft dar.“

Tokio verhandelt mit den USA momentan über den Verkauf von Marschflugkörpern, u.a. vom Typ Tomahawk. Die New York Times schrieb am 5. Juli unter Berufung auf einen beteiligten amerikanischen Regierungsvertreter, dass der Verkauf dieser Raketen diskutiert werde. Aus Rücksicht auf den Widerstand in der Bevölkerung dementierte das japanische Verteidigungsministerium die Meldung jedoch.

Allerdings hatte auch die Japan Times Anfang Mai berichtet, die Abe-Regierung sei am Kauf von Tomahawk-Raketen interessiert und wolle im Entwurf des Verteidigungsetats für 2018 Geld dafür bereitstellen. Diese Raketen würden auf Kriegsschiffen stationiert werden, sodass sie vom Japanischen Meer aus jeden Ort in Nordkorea treffen könnten.

Japan will auch eine weitere Art von Marschflugkörpern kaufen, die Joint Strike Missiles (JSM), die gemeinsam von amerikanischen und norwegischen Unternehmen hergestellt werden. Mit diesen sollen die neuen Tarnkappenjäger vom Typ F-35A ausgerüstet werden, die Japan im Rahmen des amerikanischen Foreign-Military-Sales-Programms kaufen will. 42 Stück davon sind für den Verkauf an Japan vorgesehen, in der näheren Zukunft wird das Land aber vermutlich weitere Flugzeuge erwerben.

Außerdem plant Japan u.a. den Kauf von Raketensystemen aus den USA, entweder des THAAD-Abwehrsystems oder, wahrscheinlicher, des landgestützten Aegis Ashore-Systems. Diese Anschaffung würde Japan weiter in Washingtons Pläne einspannen, ein Raketenabwehrsystem in der Region aufzubauen und einen Krieg vorzubereiten. Japan hat das Aegis-System bereits auf vier Kriegsschiffen installiert, zwei weitere Schiffe werden dafür umgerüstet und zwei weitere Aegis-Schiffe sind in Planung.

Der Erwerb der Raketen wäre für Japan ein großer Schritt zur Wiederaufrüstung. Bisher war Tokio mit dem Erwerb von Angriffswaffen, wie Flugzeugträgern oder Langstreckenbombern, zurückhaltend.

Das Verhalten des nordkoreanischen Regimes könnte Abe und seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) jedoch den Vorwand liefern, ein Klima der Angst zu schüren und so den weit verbreiteten Widerstand gegen seine Wiederaufrüstungspläne zu überwinden. Die Regierung will verhindern, dass es erneut zu Massenprotesten wie im Sommer 2015 kommt, als das neue Militärgesetz verabschiedet wurde, das „kollektive Selbstverteidigung“ erlaubt. Auf dem Höhepunkt der damaligen Proteste demonstrierten 120.000 Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Tokio, und weitere zehntausende im Rest des Landes.

Nicht zum ersten Mal werden Pläne für „Präventivschläge“ gegen Nordkorea diskutiert. Bereits Ende Januar hatte Abe erklärt, Japan habe das Recht, in „Notwehr“ Nordkorea anzugreifen. Im März schlug der verteidigungspolitische Rat der Regierungspartei LDP den Erwerb von Marschflugkörpern vor, um „unser Abschreckungs- und Reaktionspotenzial als Teil des japanisch-amerikanischen Bündnisses zu stärken.“

Der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses der LDP, Hiroshi Imazu, erklärte im gleichen Monat: „Japan darf nicht warten, bis es vernichtet ist. Es ist Japan rechtlich möglich, eine feindliche Basis anzugreifen, von der eine Rakete auf uns abgefeuert wird, aber wir haben weder die Mittel noch die Kapazitäten dafür.“

Imazu beanspruchte auch das Recht, im Falle eines mutmaßlichen Angriffs auf einen Verbündeten einen Angriff anzuordnen. Wenn die USA einen Krieg gegen Nordkorea oder sogar China beginnen, könnte Japan dies als Vorwand für einen japanischen Angriff benutzen. Diese Wahrheit verbirgt sich hinter dem Begriff „kollektive Selbstverteidigung“, den Abe erstmals im Juli benutzt und im September 2015 in einem Militärgesetz festgeschrieben hat.

Die japanische Verfassung schließt „präventive“ Selbstverteidigung explizit aus. In Artikel 9 heißt es ausdrücklich, das japanische Volk verzichte „für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten“. Weiter heißt es, um dieses Ziel zu erreichen, „werden keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel unterhalten“. Abe setzt sich über diesen Artikel hinweg, und wird dabei von den USA unterstützt.

Abe und US-Präsident Donald Trump hatten sich letzten Sonntag bei einem Telefonat darauf geeinigt, weiteren Druck auf China auszuüben, u.a. durch eine Demonstration ihrer gemeinsamen militärischen Stärke. Trump, Abe und der südkoreanische Präsident Moon Jae-in betonten am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung ihre Absicht, „weiterhin zu kooperieren, um größtmöglichen Druck auf die DPRK [Volksrepublik Nordkorea] auszuüben. Sie muss ihren Kurs ändern, von provokantem und bedrohlichem Verhalten absehen und die notwendigen Schritte unternehmen, um zu einem ernsthaften Dialog über nukleare Abrüstung zurückzukehren.“

Sie „forderten auch die Nachbarstaaten der DPRK [d.h. China und Russland] zu weiteren Anstrengungen auf, um das Regime der DPRK zu überzeugen, von seinem derzeitigen bedrohlichen und provokanten Weg abzurücken und sofort Schritte zur atomaren Abrüstung und zum Abbruch seines Raketenprogramms zu unternehmen.“

Washingtons Politik, „maximalen Druck“ auf Pjöngjang auszuüben und die Vorwürfe, China tue zu wenig, erhöhen jedoch die Gefahr eines katastrophalen Kriegs auf der koreanischen Halbinsel und in der ganzen Region. Japan baut sein Militär rapide aus, damit es wieder seine imperialistischen Interessen in Asien und der Welt vertreten kann.

Die japanische Bourgeoisie hat sich nie mit der Verfassung abgefunden, die ihr die USA nach dem Zweiten Weltkrieg aufgezwungen hatten. Abe und die LDP streben nicht nur die Wiederaufrüstung des Landes an, sondern wollen auch seine Verfassung und Gesetze verändern, um demokratische Rechte abzubauen und die Macht des Staates und des Kaisers zu stärken.

Die japanische Bourgeoisie gibt sich nicht damit zufrieden, in der Region nach den USA die zweite Geige zu spielen. Japans Wiederaufrüstung wird auch die Gefahr eines Kriegs zwischen Tokio und Washington verschärfen. Denn die Interessenkonflikte zwischen den beiden Mächten haben vor mehr als 75 Jahren zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Pazifik geführt.

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