Bombardier und Siemens bereiten weitere Massenentlassungen vor

Hinter verschlossenen Türen hat der Siemens-Aufsichtsrat am Mittwoch über die Fusionspläne mit Bombardier beraten, die den Zusammenschluss der beiden Sparten Zugherstellung und Signaltechnik in zwei Gemeinschaftsunternehmen beinhalten. Die allgemein erwartete Entscheidung des Siemens-Aufsichtsrats wurde jedoch ohne öffentliche Begründung vertagt. Siemens-Chef Joe Kaeser erklärte nur, es ginge nicht so schnell. Bombardier hat sich zu dem Plan nicht geäußert.

Eine Fusion der Zugsparten der beiden Konzerne steht schon länger im Raum. Ursprünglich sollte dies zu einem einzigen Joint Venture, und nicht zu zwei Sparten-Unternehmen führen, was kartellrechtliche Probleme mit sich gebracht hätte.

Die Verwirklichung der Pläne würde europaweit eine weitere Welle von Massenentlassungen in Gang setzen. Erst Ende Juni hatte Bombardier Transportation Umbaumaßnahmen beschlossen, die allein für die deutschen Standorte die Streichung von 2200 der 8500 Stellen vorsehen. Auch Siemens hatte im Mai 1700 neue Entlassungen angekündigt, darunter 300 in seinem Krefelder Werk der Sparte Mobility.

Vor allem die österreichischen Werke in Wien, wo sowohl Siemens als auch Bombardier Schienenfahrzeuge produzieren, wären massiv betroffen. Eine Fusion könnte zur Schließung eines der beiden Werke führen.

Beim Bombardier-Werk fertigen rund 550 Arbeiter die Wiener Straßenbahnen. Das Werk Siemens SGP Verkehrstechnik beschäftigt noch 1200 Arbeiter, die ÖBB-Schnellbahnzüge (Cityjet) endmontieren, die in Krefeld vorgefertigt werden. Auch das Siemens-Werk in Graz, wo rund 1000 Arbeiter Dreh- und Fahrgestelle herstellen, wäre von Entlassungen bedroht.

Derzeit konkurrieren Siemens und Bombardier um einen Großauftrag der österreichischen Bahngesellschaft ÖBB, die nach der Übernahme des Nachtzugverkehrs der Deutschen Bahn ihre Reisezüge auf der Strecke nach Italien modernisieren will. Bombardier könnte dabei auf seine chinesischen Verbindungen zurückgreifen und kostengünstigere Angebote vorlegen, so der Wiener Standardin einem Bericht am 27. Juli, der sich auf Insider beruft.

Bombardier hat im September 2016 eine Kooperationsvereinbarung mit dem chinesischen Konkurrenten CRRC geschlossen. Siemens habe daher schlechtere Voraussetzungen, den schätzungsweise 400 Millionen Euro umfassenden Auftrag zu erhalten, so der Standardweiter. Möglicherweise gehört dies zu den strittigen Fragen, die die Fusionspläne verzögern.

Siemens und Bombardier sind neben der französischen Alstom die führenden Hersteller von Zügen auf dem westlichen Markt. Mit einer Fusion wollen sie ihre Weltmarktstellung gegen den weltweit größten Anbieter, den staatlichen chinesischen Konzern CRRC, ausbauen.

Mit der Überführung der Geschäftsbereiche Signaltechnik und Zugherstellung in zwei getrennte Joint Ventures versuchen sie zugleich, das Aktienrecht zu umgehen, indem Siemens die Anteilsmehrheit von 80 Prozent in der Signaltechnik erhält und Bombardier 51 Prozent in der Zugherstellung. Beide können somit die Gewinne des Joint Venture, bei dem sie die Mehrheit halten, für sich verbuchen. Zum anderen will Siemens mit dieser Lösung das Kartellrecht umgehen und sich die Unterstützung von EU und Bundesregierung erkaufen.

Vor allem aber geht es um die Einbindung der IG Metall und ihrer Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten beim Kampf um eine marktbeherrschende Position in der Zugsparte. Vor der Siemens-Aufsichtsratssitzung am Mittwoch wurde bekannt, dass diese darauf bestanden haben, den Sitz beider Joint Ventures in Berlin anzusiedeln. Angeblich haben sie auch auf Arbeitsplatzgarantien an deutschen Standorten gepocht.

Der IG Metall geht es in Wahrheit nicht um die Arbeitsplätze. Den 2200 Entlassungen bei Bombardier Transportation, die vor allem die ostdeutschen Werke in Hennigsdorf und Görlitz trifft, haben ihre Vertreter im Bombardier-Aufsichtsrat Ende Juni zugestimmt und sich gerühmt, selbst an der Ausarbeitung diese „Transformationskonzepts“ teilgenommen zu haben.

Ebenso sind bei Siemens die Betriebsräte und Aufsichtsratsvertreter der IG Metall seit langem in die Umstrukturierungen und Massenentlassungen des Konzerns eingebunden. Die hochbezahlten Spitzenfunktionäre und Betriebsratsvorsitzenden sind an sämtlichen Aufsichtsratsgesprächen beteiligt, wo hinter dem Rücken der Beschäftigten die Entlassungspläne und Werksschließungen abgesprochen werden.

Nicht anders läuft es beim Bombardier-Konzern. Seit dem 3. Juli sucht Bombardier in einer Stellenanzeige einen „Head of Transformation“ für Mannheim, dem heutigen Zentrum Antriebs-, Leit- und Signaltechnik, das von einer Fusion mit Siemens stark betroffen wäre. In der Anzeige heißt es, der neue Manager habe sicherzustellen, dass die mittel- und langfristige profitable Restrukturierungsstrategie definiert, umgesetzt und erledigt werde. Dazu gehöre auch die Koordination und Sicherung der Unterstützung durch den Betriebsrat.

Vor allem positionieren sich die Gewerkschaftsfunktionäre immer schärfer als Vertreter der deutschen herrschenden Klasse bei ihrem Griff nach den Weltmärkten und unterstützen daher die Fusionspläne. Dies steht hinter ihrer Forderung, die Unternehmenssitze beider Joint Ventures in Berlin anzusiedeln und einen Abzug der Zentrale von Bombardier nach Kanada zu verhindern.

Dass es nicht um Arbeitsplatzgarantien geht, macht die jüngste Erfahrung bei Bombardier deutlich: Nach dem Aufsichtsratsbeschluss Ende Juni löste sich sogar der angeblich vereinbarte „Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen“ in Luft auf.

Arbeiter müssen daher gewarnt sein: Eine Fusion der Zugsparten von Siemens und Bombardier ist längst mit der Gewerkschaft abgesprochen, es geht nur noch um Detailfragen, wie man am besten den weitergehenden Arbeitsplatzabbau, und vor allem wo, durchsetzt.

Es geht der Gewerkschaft genauso wie dem Management um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Firmen und Werke – auf Kosten der Werke in anderen Ländern. Für diese „Germany first“-Politik sind sie jederzeit bereit, auch die Löhne, sozialen Rechte und Arbeitsplätze in Deutschland zu opfern, wenn dies die Jagd nach Gewinnmaximierung und Marktanteilen erfordert.

In letzter Konsequenz werden sie mit dieser Politik auch die Hand für Kriegsaufrüstung und militärische Einsätze reichen. IG Metall und andere Gewerkschaften spielen die Rolle einer Betriebspolizei gegen die wachsende Opposition der Arbeiter gegen Arbeitsplatz-, Lohn- und Sozialabbau. Vor allem spalten sie die Arbeiter von ihren Kollegen in anderen Ländern, schüren nationalistische Stimmungen und reichen der herrschenden Klasse Deutschlands die Hand für ihre wirtschaftlichen und politischen Großmachtambitionen.

Arbeiter brauchen ihre eigene, unabhängige Organisation, die für einen gemeinsamen Kampf über die Grenzen hinweg gegen den Kapitalismus eintritt. Die Herstellung von Zügen und anderen Transportmitteln muss weltweit den kapitalistischen Eigentümern entrissen und unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter nach den Bedürfnissen der Bevölkerung organisiert werden, statt für den Profit einiger mächtiger Wirtschafts- und Finanzbosse.

Dies ist Bestandteil des Programms der Sozialistischen Gleichheitspartei, die zur Bundestagswahl antritt und gegen soziale Ungleichheit und Krieg mobilisiert. Diskutiert mit uns über das sozialistische Programm der SGP bei der kommenden Veranstaltung in Hennigsdorf am 10. August.

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