Russland-Sanktionen der USA verschärfen Konflikt mit Europa

Nach der einseitigen Verhängung neuer amerikanischer Sanktionen gegen Russland haben die Spannungen zwischen den USA und Europa ein dramatisches Ausmaß erreicht. Vor allem in Deutschland werden die vom US-Kongress mit großer Mehrheit beschlossenen Sanktionen als Handelskriegsmaßnahme gegen Europa interpretiert.

Die Sanktionen zielen auf die Energieexporte Russlands, des größten Erdgas- und zweitgrößten Ölexporteurs der Welt. Betroffen sind nicht nur die Erschließung neuer Vorkommen und der Bau neuer Pipelines, sondern auch die Instandhaltung, Modernisierung und Reparatur bestehender Pipelines, die für die Energieversorgung Deutschlands und anderer europäischer Länder von großer Bedeutung sind.

Führende Politiker, Medien und Wirtschaftsvertreter werfen den USA deshalb vor, sie versuchten Europa wirtschaftlich zu schaden, indem sie die Energiezufuhr verknappen und die Preise in die Höhe treiben. Da ein weiterer führender Gasexporteur, Katar, vom US-Verbündeten Saudi-Arabien blockiert wird, droht bei der Gasversorgung ein globaler Engpass. Ein weiterer Vorwurf gegen die USA lautet, sie nutzten die Sanktionen, um die Exporte der eigenen Schiefergas- und Ölindustrie zu fördern.

Deutsche Firmen, die mit Russland im Geschäft sind, fürchten Probleme in den USA. Es herrsche „eine große Verunsicherung“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben. Wenn die Aktivitäten deutscher Firmen in den USA von den Russlandsanktionen beeinträchtigt würden, treffe das angesichts der Bedeutung des US-Handels für Deutschland eine „Achillesferse“.

Die USA werden auch beschuldigt, sie versuchten gezielt die Europäische Union zu spalten. Polen und die baltischen Staaten lehnen den Bau der Pipeline Nord Stream 2 kategorisch ab, gegen den sich die Sanktionen richten. Da die Gasleitung Russland unter Umgehung ihrer Territorien direkt mit Deutschland verbindet, befürchten sie ein deutsch-russisches Bündnis zu ihren Lasten. In Brüssel und Berlin geht daher die Angst um, dass sie sich im Konflikt mit den USA auf deren Seite schlagen und den Zusammenhalt der Europäischen Union sprengen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat den USA erneut mit scharfen Gegenmaßnahmen gedroht, nachdem Präsident Donald Trump das Sanktionsgesetz am Mittwoch unterzeichnet hat. Sollten amerikanische Strafmaßnahmen konkret europäische Unternehmen benachteiligen, die mit Russland im Energiesektor im Geschäft sind, sei die EU bereit, innerhalb von Tagen adäquat zu reagieren, sagte Juncker. „Wir sind vorbereitet. Wir müssen unsere Wirtschaftsinteressen auch gegenüber den USA verteidigen. Und das werden wir auch tun.“

Die Auseinandersetzung über die Russland-Sanktionen ist der bisherige Höhepunkt einer Konfrontation, die sich seit langem abzeichnet. Die wirtschaftlichen und politischen Interessen der USA und Europas, und hier insbesondere Deutschlands, prallen immer häufiger aufeinander.

So gibt es heftige Konflikte über die Maßnahmen, mit denen die USA gegen Stahlimporte aus China vorgehen wollen. Die EU wirft China zwar auch vor, es exportiere Stahl zu Dumping-Preisen, fürchtet aber, dass amerikanische Strafzölle auch europäische Stahlexporte treffen. Berichten zufolge soll die Europäische Kommission bereits Pläne ausgearbeitet haben, auf US-Stahlzölle „innerhalb von Tagen“ mit der Beschränkung von Agrarimporten zu reagieren.

Eine Studie der regierungsnahen deutschen „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP), die Ende Juli unter dem Titel „Handelspolitik: USA weiter auf Konfrontationskurs“ erschien, plädiert für eskalierende Handelskriegsmaßnahmen. Sie schlägt vor, US-Importe dort zu beschränken, „wo sie die Gewinne von US-Unternehmen spürbar reduzieren“ und „eine große Anzahl von US-Arbeitsplätzen betreffen“. Als Beispiel nennt sie „Dienstleistungen – einschließlich des Finanzbereichs“, bei denen die USA gegenüber der EU anders als beim Handel einen Überschuss verzeichnen.

Die Konfrontation geht also nicht nur von den USA aus. Die herrschende Klasse Deutschlands bemüht sich seit Jahren, Führungsmacht Europas zu werden, um wieder eine eigenständige Rolle als Weltmacht zu spielen, und rüstet dazu massiv militärisch auf. Das bringt sie in Konflikt mit dem US-Imperialismus, der seine Rolle als führende Weltmacht mit brutalen militärischen Mitteln verteidigt.

Verfolgt man die Diskussionen in den tonangebenden politischen Kreisen Deutschlands, wird deutlich, dass sie eine Konfrontation mit den USA für unvermeidlich halten und sich systematisch darauf vorbereiten – und das nicht erst seit der Wahl Trumps und wegen seiner „America first“-Politik. Es ist bezeichnend, dass die Russland-Sanktionen, die von Trump ursprünglich abgelehnt wurden, von der demokratischen und republikanischen Kongress-Mehrheit ausgingen.

Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), der neben der SWP führende deutsche Thinktank, hat Ende Juli ein 40-seitiges Dossier zum Thema „Außenpolitische Herausforderungen für die nächste Bundesregierung“ herausgegeben, das sich wie eine Handlungsanleitung für eine militaristische deutsche Großmachtpolitik liest. Als erste eines Dutzends „außenpolitischer Herausforderungen“ nennt es bezeichnenderweise den „politischen und wirtschaftlichen Risikofaktor USA“.

Auch die anderen Kapitel, die sich mit den deutschen Interessen in Russland und Asien, in der MENA-Region (Naher Osten und Nordafrika) und in Europa befassen, identifizieren die USA immer wieder als Gegner und Rivalen. „Auch im Umgang mit Russland sind die USA ein bedeutender Unsicherheitsfaktor“, heißt es da, und: „Ähnliche Risiken entstehen für den asiatischen Raum durch den wachsenden Wettbewerb zwischen den USA und China.“

Das Dossier beginnt mit einer Aufzählung dessen, was die Bundesregierung bereits erreicht hat, um „Deutschlands internationale und europäische Rolle“ zu stärken und mehr „Verantwortung in der Welt“ zu übernehmen: „Das deutsche Engagement in der Europäischen Union, die Führungsfunktion gegenüber Russland, Bundeswehreinsätze im Nahen und Mittleren Osten und in UN-Einsätzen in Afrika, die Stationierung deutscher Truppen auf dem Territorium von NATO-Alliierten.“

Es bezeichnet die Europäische Union als „wichtigsten, multilateralen Handlungsrahmen Berlins“ und sieht dabei Frankreich als strategischen Partner. Die Autoren sind offensichtlich der Ansicht, dass Emmanuel Macrons Version des „Make France great again“ bei allen Spannungen, die das hervorruft, zumindest vorübergehend mit Deutschlands Interesse nach Unabhängigkeit von den USA kompatibel ist – vor allem wenn es um die gemeinsame Aufrüstung, den Aufbau einer europäischen Armee und gemeinsame Militärinterventionen in Afrika geht.

Als Bilanz zieht das Dossier zwei Schlussfolgerungen. Die erste lautet: „Außenpolitik wird in Deutschland gemacht“. Dazu brauche die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, also das Militär, mehr Ressourcen. Außerdem erfordere „ein machtpolitisches Agieren … Veränderungen im mentalen Koordinatensystem deutscher Außenpolitiker“, die bereit sein müssten, als „Ultima Ratio“ die „nationale Machtoption“ zu wählen.

Die zweite lautet: „Außenpolitik wird für Deutschland gemacht“. Darunter verstehen die Autoren die Notwendigkeit, eine soziale Basis für den deutschen Militarismus zu mobilisieren – oder wie sie zurückhaltend über die Aufgaben der Außenpolitik schreiben: „Sie muss die Interessen Deutschlands vertreten und deshalb die Bevölkerung von der Richtigkeit des Vorgehens überzeugen.“

Schon zuvor hatte ein anderer Autor, Zeit-Journalist Jörg Lau, auf den Seiten der DGAP dafür geworben, die Bundestagswahl zu einer Werbekampagne für Aufrüstung und Militarismus zu machen. Er griff Kritik an dem Ziel, den Militärhaushalt auf zwei Prozent des BIP zu verdoppeln, scharf an und schrieb: „Statt die Bundestagswahl zum Referendum über eine vermeintlich gefährliche Aufrüstung zu machen, sollte die Bevölkerung über die neue Logik der deutschen Sicherheit aufgeklärt werden: nicht wegen, sondern trotz Trump, nicht weil er es befiehlt, sondern weil wir seiner irrlichternden Politik etwas entgegensetzen wollen, müssen wir deutlich mehr für Verteidigung ausgeben.“

Er wird dabei von allen etablierten Parteien unterstützt. Der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte schon unmittelbar nach Trumps Amtsübernahme erklärt, dessen Handelskrieg mit Asien und Südamerika eröffne „auch Chancen für uns“. Wenn „der US-Protektionismus dazu führt, dass sich neue Chancen für Europa in ganz Asien auftun, sollten wir zugreifen“. Kurz darauf wechselte er vom Wirtschafts- ins Außenministerium, wo er einen deutlich schärferen Kurs gegen die USA einschlug.

Übertroffen wird er dabei nur von der Linkspartei. Sahra Wagenknecht forderte kürzlich im Handelsblatt „Gegenmaßnahmen“ Berlins gegen die USA, die sie als „Schurkenstaat“ bezeichnete, die „zum billigen Vorteil der eigenen Gasindustrie agieren“. Jetzt sei „klare Kante gegenüber Washington gefordert“, sagte die Spitzenkandidatin der Linkspartei.

Die Sozialistische Gleichheitspartei ist die einzige Partei, die im Bundestagswahlkampf gegen Krieg und Militarismus auftritt und dies in den Mittelpunkt ihres Programms stellt. Gemeinsam mit ihren Genossen in Großbritannien, Frankreich, den USA und auf der ganzen Welt kämpft sie für die internationale Einheit der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Die Europäische Union, das Werkzeugs des Kapitals und des Militarismus, lehnt sie ab und kämpft für die Vereinigen Sozialistischen Staaten von Europa.

Angesichts der rapiden Zunahme von Militarismus und Kriegsgefahr hat der Wahlkampf der SGP eine enorme Bedeutung. Er bereitet die Arbeiterklasse und die Jugend, die die Hauptlast des Militarismus zu tragen haben, politisch auf die Klassenkämpfe vor, die sich unweigerlich aus den wachsenden sozialen Spannungen ergeben.

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