Angesichts der Repressalien Spaniens setzt die NPA auf katalanischen Nationalismus

Die aktuelle Lage erfordert in erster Linie die Verteidigung der katalanischen Massen gegen die Repressalien des spanischen Staates und die größtmögliche Einheit zwischen katalanischen und spanischen Arbeitern, um demokratische Rechte zu verteidigen und der drohenden Militärherrschaft entgegenzutreten. Die Arbeiter ganz Spaniens müssen begreifen, dass das brutale Vorgehen vom 1. Oktober in Katalonien die Generalprobe für eine Militärdiktatur in ganz Spanien war. Es wurde von den Regierungen sämtlicher imperialistischen Großmächte in Europa und Nordamerika unterstützt, weil auch sie Massenrepressionen und einen Polizeistaat vorbereiten.

Die katalanischen Krise entlarvt die reaktionäre Rolle der pablistischen Nouveau parti anticapitaliste (Neuen Antikapitalistischen Partei, NPA) in Frankreich und ihrer Verbündeten in Spanien, der Anticapitalistas. Während Madrid die Entsendung der Armee nach Katalonien und die Verhängung des Ausnahmezustands in Spanien vorbereitet, unterstützt die NPA die bankrotte Politik der katalanischen Regionalregierung, die darin besteht, die europäische Bourgeoisie um Unterstützung für die Errichtung eines eigenen kapitalistischen Staats zu bitten. Die NPA will den Arbeitern und Jugendlichen in Katalonien und Spanien einreden, sie sollten auf moralische Appelle an die herrschenden Eliten vertrauen.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) verurteilt die militärische Repression, fordert den Abzug aller spanischen Truppen und Polizeikräfte und lehnt jeden Versuch Madrids ab, Katalonien mit Gewalt in Spanien halten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir die Politik oder das Programm der katalanischen Separatisten unterstützen.

Die NPA hingegen verschließt die Augen vor der Gefahr eines Bürgerkriegs und vor dem faschistischen spanischen Nationalismus, den die Medien aufpeitschen. Sie stellt einen Einsatz des Militärs geradezu als förderlich für die Perspektive eines unabhängigen kapitalistischen Staats in Katalonien dar.

In einer Erklärung mit dem Titel, „Unterstützen wir den Kampf des katalanischen Volkes“ behaupten die NPA und ihre internationalen Schwesterorganisationen, das Referendum vom 1. Oktober sei ein Schlag gegen das Regime, das 1978 durch den Übergang vom Franco-Faschismus zur parlamentarischen Demokratie (der „Transición“) entstanden war. Sie feiern das Referendum, in dem sich eine Mehrheit von 89 Prozent – bei einer mageren Wahlbeteiligung von 42 Prozent – für die Lostrennung aussprach, als „große politische Niederlage des Regimes von 1978 in Katalonien“.

Nun, schreiben sie, hätten der spanische König, die regierende Partido Popular (Volkspartei, PP), die Partido Socialista Obrero Español (Spanische Sozialistische Arbeiterpartei, PSOE) und die Medien „eine Kampagne der Verleumdung, der Lügen und der Hetze gegen die katalanische Volksbewegung losgetreten“. Weiter heißt es: „Man muss dies in Rechnung stellen; es ist ein Faktor zur Indoktrination der Volksklassen des spanischen Staates (und der Europäischen Union), um sie gegen die Katalanen aufzuwiegeln und sie im Namen der ,Einheit der spanischen Nation‘ einzuschüchtern. Das Ziel dieses Machtblocks besteht darin, in den Augen der Bürger des spanischen Staats und auf internationaler Ebene neue, größere repressive Maßnahmen zu rechtfertigen“.

Die Analyse der NPA, in der die spanische und europäische Arbeiterklasse als vom Faschismus indoktriniert abgeschrieben wird, ist von Pessimismus und Demoralisierung durchdrungen. In Wirklichkeit gibt es in der Arbeiterklasse eine massenhafte Opposition gegen die PP, die, ebenso wie die PSOE, durch ihre jahrzehntelange imperialistische Kriegsführung und durch die Sparmaßnahmen, die Spaniens Wirtschaft verwüstet haben, jede Glaubwürdigkeit verloren hat. Nachdem in mehreren Wahlen keine parlamentarische Mehrheit zustande gekommen war, gelang es der PP 2016 erst nach einer fast einjährigen Krise, eine Minderheitsregierung zu bilden.

Die Prämisse der NPA, dass die Arbeiter in Spanien und in ganz Europa für den Faschismus eingenommen seien, ist eine haarsträubende politische Lüge. Die objektiven Bedingungen sind reif dafür, die Arbeiter in Spanien und Europa insgesamt zu vereinen im Kampf gegen soziale Ungleichheit, Militarismus und die Angriffe auf demokratische Rechte von Seiten des europäischen Imperialismus.

Indem die NPA und andere kleinbürgerliche Parteien wie Podemos in Spanien eine solche Entwicklung blockierten, haben sie eine schwere politische Schuld für die dadurch bedingte Stärkung reaktionärer Kräfte auf sich geladen. Während Podemos die spanischen Arbeitern und Jugendlichen auffordert, darauf zu hoffen, dass sich die PP auf eine friedliche Beilegung des Konflikts mit den katalanischen Nationalisten besinnt, rufen die NPA und ihre Verbündeten zur Unterstützung der katalanischen Nationalisten auf.

In den Augen der NPA sind die staatlichen Repressalien insoweit nützlich, als sie breite Schichten der katalanischen Bevölkerung, die sich derzeit von der rechten und arbeiterfeindlichen Politik der katalanischen Nationalisten abgestoßen fühlen, doch noch zur Unterstützung der Separatisten veranlassen könnten. Die NPA schreibt: „Ein zögernder Bruch mit den Institutionen hat eingesetzt, der sich unter den Schlägen der staatlichen Repression mit Sicherheit radikalisieren wird.“

In der Hoffnung, diese Repression werde Regierungen rund um die Welt erschrecken und zu einer Kursänderung bewegen, fordert die NPA ihre Leser auf, „Druck auf ihre jeweiligen Staaten auszuüben, den sich vollziehenden Akt der Souveränität zu erkennen und eine eventuelle Ausrufung der katalanischen Republik oder eine Unabhängigkeitserklärung anzuerkennen.“

Diese Haltung ist identisch mit derjenigen der katalanischen Regierung. Es ist eine selbstgefällige und falsche Einschätzung der Lage, die nur dazu taugt, die Arbeiter und Jugendlichen zu entwaffnen – mit potenziell verheerenden Folgen. Die Europäische Kommission und die Regierungen von Deutschland, Großbritannien und Frankreich haben sich nach den Polizeieinsätzen vom 1. Oktober wiederholt hinter Rajoy als Regierungschef von Spanien gestellt und der PP unmissverständlich einen Blankoscheck ausgestellt. In Katalonien und den benachbarten Regionen werden die Guardia Civil und Soldaten zusammengezogen, um eine gewaltsame Intervention vorzubereiten.

Es ist nicht wahr, dass das Referendum vom 1. Oktober ein revolutionärer Schlag gegen das bröckelnde Regime war, das in Spanien aus dem Übergang vom Faschismus zur parlamentarischen Demokratie hervorging. Die politischen Kräfte, die es ausgerufen haben – die katalanischen nationalistischen Parteien und ihre kleinbürgerlichen Unterstützer, wie die Candidatura d’Unitat Popular (Kandidatur der Volkseinheit, CUP) – sind in Wirklichkeit ein integraler Bestandteil dieses Regimes. Sie stellen seit langem die katalanische Regionalregierung, wo sie insbesondere seit dem Wall-Street-Crash 2008 im besten Einvernehmen mit der EU eine Sparpolitik gegen die Arbeiter durchsetzen.

Weit davon entfernt, eine entscheidende Niederlage erlitten zu haben, ist die spanische Armee bereit, mit Unterstützung der EU gegen Katalonien vorzugehen, während Madrid unterdessen in Spanien eine faschistische Atmosphäre anheizt. Die Medien verurteilen Katalonien und fördern Aufmärsche der Rechtsextremen in ganz Spanien, auf denen Lieder aus der Franco-Zeit, wie die Hymne der Legion und Cara al Sol gesungen werden. Das politische Establishment zieht aktiv die Verhängung des Ausnahmezustands und die Aussetzung der demokratischen Rechte in Spanien in Betracht.

In der Arbeiterklasse Spaniens und ganz Europas herrscht eine tiefe, historisch verwurzelte Opposition gegen die Rückkehr zu faschistischen und autoritären Herrschaftsformen. Doch diese Opposition kann nur unabhängig von der gesamten europäischen herrschenden Klasse und in revolutionärer Opposition zu ihr mobilisiert werden – und dies schließt Opposition gegen die korrupten Kräfte ein, die in Katalonien und ganz Spanien an der Macht sind. Wie das IKVI erklärt hat, bedeutet dies in erster Linie einen Kampf für die Einheit der katalanischen und spanischen Arbeiter auf der Grundlage einer sozialistischen und internationalistischen Perspektive.

Die NPA und ihre Verbündeten, die für einen Teil der wohlhabenden Mittelschicht in Europa sprechen, die aus Ehemaligen der Studentenbewegung von 1968 hervorgegangen ist, vertreten eine andere, prokapitalistische Perspektive. Sie schreiben die spanische und europäische Arbeiterklasse als faschistisch indoktriniert ab und versuchen den Katalanen einzureden, sie müssten für einen unabhängigen kapitalistischen Staat kämpfen, indem sie moralische Appelle an das Gewissen des europäischen Imperialismus richten.

Dieses katalanisch-nationalistische Programm hilft der spanischen und europäischen Bourgeoisie unweigerlich, die Arbeiterklasse zu spalten und ihren Widerstand gegen staatliche Repression und autoritäre Herrschaft zu schwächen.

Mit moralischen Appellen an die EU erreicht man gar nichts. In den letzten 25 Jahren, seit die stalinistische Bürokratie durch die Auflösung der Sowjetunion ein wesentliches Gegengewicht zu imperialistischen Kriegen und der Verarmung der Arbeiterklasse beseitigte, hat die herrschende Klasse immer wieder ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber menschlichem Leid unter Beweis gestellt. Die imperialistischen Kriege im Irak, in Syrien und in Libyen haben Millionen Menschenleben gekostet und Millionen zu Flüchtlingen gemacht. Die europäische Arbeiterklasse ihrerseits wurde insbesondere seit 2008 zum Opfer brutaler Sparmaßnahmen der EU.

Die anderen EU-Mächte werden Rajoy nicht stoppen, weil sie in ihren Ländern eine ähnliche Politik vorbereiten. Das harte Durchgreifen in Katalonien, die Legitimierung des Franco-Regimes und die Vorbereitung einer Militärherrschaft in Spanien sind Teil einer Krise des Kapitalismus und der Wende zu autoritären Formen der Herrschaft in ganz Europa. Frankreich verewigt den Ausnahmezustand, um arbeiterfeindliche Arbeitsmarktreformen durchzusetzen; und nach der Bundestagswahl im letzten Monat sitzt mit der Alternative für Deutschland (AfD) zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des NS-Regimes eine faschistische Partei im Bundestag.

Diese enorme soziale und wirtschaftliche Krise zerstört die politischen Grundlagen des kapitalistischen Europas. „Der Unterschied zwischen der republikanisch-demokratischen und der monarchistisch-reaktionären imperialistischen Bourgeoisie verwischt sich gerade deshalb, weil die eine wie die andere bei lebendigem Leibe verfault“, so charakterisierte Lenin während des Ersten Weltkriegs die Epoche von Imperialismus und Krieg. Was sich heute vor dem Hintergrund historischer Angriffe auf demokratische Rechte in ganz Europa abspielt, ist die Beseitigung der verbleibenden Unterschiede zwischen dem Post-Transición-Regime und dem Franco-Regime, aus dem es hervorgegangen ist.

In dieser tiefen Krise haben die NPA und ihre Verbündeten unaufhörlich versucht, Arbeiter und Jugendliche an pro-kapitalistische Kräfte einschließlich der rechtsextremen Parteien zu binden. Im Libyen- und im Syrienkrieg forderten sie, dass die europäischen Regierungen die Aufständischen, die von islamistischen Milizen mit Verbindungen zur Al-Qaida dominiert wurden, bewaffnen sollten um einen Regimewechsel herbeizuführen. Im Jahr 2014 riefen sie zum Aufbau eines „Linken Sektors“ innerhalb der ukrainischen faschistischen Rechten auf und unterstützten damit die Kräfte, die der NATO als die Speerspitze für den Sturz der pro-russischen Regierung dienten.

Der katalanische Nationalismus der Pablisten und ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Gefahr militärisch-faschistischer Unterdrückung in Katalonien und Spanien fügen sich nahtlos in diese reaktionäre internationale Politik ein. Dabei geben sie selbst zu, dass die Forderung nach Lostrennung dazu diente, eine kleinbürgerliche Bewegung zu schaffen, die Sparmaßnahmen und Angriffe auf die Arbeiterklasse unterstützt.

Seit 2008 liegen die katalanischen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Nationalisten in einem bitteren Clinch mit der spanischen Zentralregierung, wenn es um die Haushaltsplanung geht. Dabei haben beide Regierungen, in Barcelona und in Madrid, Arbeitsplätze und Sozialausgaben gestrichen und für die Bereicherung der Banken und der Finanzaristokratie gesorgt.

Die katalanischen Nationalisten haben an der Spitze arbeiterfeindlicher Regionalregierungen in Barcelona Sparmaßnahmen durchgesetzt und Streiks der Lokführer und Flughafenarbeiter niedergeschlagen. Da Kräfte wie die Anticapitalistas und die IAC-Gewerkschaft die Entstehung einer politischen Bewegung in der Arbeiterklasse blockierten, waren Puigdemont und seine Verbündeten in der Lage, das so erzeugte politische Vakuum mit katalanischem Nationalismus gegen Madrid zu füllen. Ziel war es, die Entstehung einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiter zu verhindern.

Dies war eine bewusste Strategie, an der sich die NPA und ihre katalanischen Verbündeten beteiligten. Das für Unternehmen zuständige Mitglied der katalanischen Regionalregierung, Santi Vila, bemerkte in einem Treffen mit Politikern und Geschäftsleuten: Wenn Katalonien „keine nationalistisch unterlegte Debatte losgetreten hätte, wie hätte es dann Haushaltsanpassungen von über 6 Mrd. Euro überstehen können?“

Die Führung der Anticapitalistas erklärt selbst, dass die Unabhängigkeitsbewegung eine Bewegung der Mittelklasse für Austerität darstellt, die gegen die Interessen der Arbeiterklasse gerichtet ist und auch große Teile der politischen Rechten umfasst. Doch das hindert sie nicht daran, diese Bewegung zu unterstützen. In seinem Artikel, „Die Entscheidung der Katalanen“ schreibt Josep María Antentas, dass „die Unabhängigkeitsbewegung zwar nicht gegen die Sparpolitik gerichtet war, aber dennoch von der Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Situation profitieren konnte und einen konkreten Vorschlag – Unabhängigkeit von Spanien – als Ausweg aus der gegenwärtigen Situation anzubieten hatte".

Das heißt, die Forderung nach katalanischer Unabhängigkeit von Spanien diente dazu, der Regionalregierung in Barcelona einen „radikalen“ Anstrich zu geben, obwohl ihre Politik insgesamt der EU-Sparpolitik auf dem ganzen Kontinent entsprach. Aus diesem Grund fanden die katalanischen Nationalisten und kleinbürgerlich-nationalistischen Parteien wie die CUP wenig Unterstützung in der Arbeiterklasse – eine weitere Tatsache, die von den Anticapitalistas zugegeben wird.

So schreibt Antentas: „Die Unabhängigkeitsbewegung vereint verschiedene Klassen und Generationen, wird aber von den Mittelklassen und jungen Menschen dominiert. Die Großbourgeoisie hat den Unabhängigkeitsprozess von Anfang an abgelehnt und hinter den Kulissen konsequent versucht, ihn aus der Bahn zu werfen. Die traditionelle Arbeiterklasse – historisch gesehen Einwanderer aus Südspanien, die in den 1960er Jahren nach Katalonien kamen – hat sich wenig daran beteiligt. Die Arbeiter in Katalonien sind in der Frage der Unabhängigkeit nach wie vor uneins, und ein großer Teil sieht in einem unabhängigen Staat keine Zukunftsperspektive."

Die Gleichgültigkeit und Ablehnung, mit der die Arbeiterklasse seit jeher der Perspektive des Aufbaus eines unabhängigen katalanischen Staat begegnet, so Antentas, hänge mit dem Einfluss offen rechtsextremer Kräfte innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung zusammen. Er schreibt: „Ein Paradox der Unabhängigkeitsbewegung besteht darin, dass die dominierende politische Kraft von Anfang an die katalanische nationalistische Rechte, die Convergència Democràtica de Catalunya (CDC) war.“

Der Charakter der katalanischen nationalistischen Parteien, die der Arbeiterklasse gegenüber feindlich sind und sich in ihrer Politik praktisch nicht von anderen Austerität und Krieg befürwortenden Regierungen in Europa unterscheiden, bestätigt den Aufruf des IKVI, beim Referendum am 1. Oktober mit „Nein“ zu stimmen. Der Übergang der Macht in die Hände solcher Kräfte würde den katalanischen Arbeitern nichts bringen, außer sie von ihren Klassengenossen im übrigen Spanien zu spalten.

Der Kampf gegen die katalanischen Nationalisten muss von den Arbeitern geführt werden. So reaktionär die Politik der Separatisten auch sein mag, die Opposition gegen sie darf nicht der PP-Regierung, ihren faschistischen Verbündeten, der PSOE und der spanischen Armee anvertraut werden, die mit Waffengewalt die Einheit Spaniens erzwingen würde.

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