Berlin: DHM zeigt Russische Revolution als welthistorisches Ereignis

Seit Oktober zeigt das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Oktoberrevolution die Ausstellung „1917. Revolution. Russland und Europa“. Sie lohnt unbedingt einen Besuch.

Die Eröffnung des Zweiten Komintern-Kongresses, von Isaak Brodski, 1924. © Staatliches Historisches Museum, Moskau

Nicht, dass auch Manches zu kritisieren wäre, insbesondere die oberflächlichen, teilweise verfälschenden Textkommentare zu den Ausstellungsstücken, die eine ambivalente Interpretation der Ereignisse von 1917 zulassen.

Auf dem Hintergrund der antikommunistischen Hetztiraden und Schmutzartikel dieser Tage, mit denen Lenin, Trotzki und die Bolschewiki beworfen werden, wirkt diese Ausstellung allerdings wohltuend. Sie bemüht sich um eine nüchterne, dokumentarische Darstellung und macht vor allem zwei Dinge unzweifelhaft deutlich:

Erstens war die Errichtung des ersten Arbeiterstaats kein Putsch einer kleinen Truppe gewalttätiger Anhänger Lenins, sondern das Werk von Millionen Arbeitern, verarmten Bauern und kriegsmüden Soldaten, die sich den Bolschewiki als die konsequenteste Vertretung ihrer Interessen anschlossen.

Zweitens war die Oktoberumwälzung kein isoliertes russisches, sondern ein Weltereignis, das die europäische und Weltentwicklung im ganzen 20. Jahrhundert bestimmt hat und bis heute nachwirkt. Die Schüsse der Aurora, die in der Nacht vom 24. zum 25. Oktober (6. bzw. 7. November nach dem neuen Kalender) das Signal zum Aufstand gaben, führten in den Worten des amerikanischen Zeitzeugen John Reed zu „zehn Tagen, die die Welt erschütterten“.

Genau diese beiden Punkte sind es, die den Zorn der Medien erregen. Sie werfen dem DHM vor, nicht genug die Grausamkeiten der Bolschewiki gezeigt zu haben. Tagesspiegel-Redakteur Schulz vermisst eine Tonkulisse mit „den Schüssen und Explosionen“ der Revolution und den „Schreien der Opfer“. FAZ-Redakteur Kilb erhebt den Vorwurf, die Ausstellung sei „geradezu aufreizend sachlich“. Jens Bisky in der Süddeutsche Zeitung wirft ihr vor, die „falschen Fragen“ zu stellen, und bedient die alte Leier von der Identität von Lenins und Stalins Politik. Besonders wütend kritisiert Arno Widmann in der Berliner Zeitung die Ausstellung. Er vermisse eine Wand zur Erinnerung an „Millionen Opfer von Revolution, Bürgerkrieg und Stalinismus“. Es habe „keine Sekunde“ gegeben, sagt er, „in der die Oktoberrevolution ein befreiender Akt war“.

Die Berliner Ausstellung wurde in Kooperation mit dem Schweizer Nationalmuseum vorbereitet, setzt aber einen anderen Schwerpunkt als die Zürcher Ausstellung, die im Juni zu Ende ging und die Russische Revolution in ihrer Beziehung zur Schweiz thematisierte.

Man wolle in Berlin die „welthistorische Bedeutung“ der Russischen Revolution zeigen, betont das Kuratorenteam, sowie speziell ihre Auswirkung in Europa anhand von sechs Ländern – Deutschland, Ungarn, Polen, Italien, Frankreich und England. Diese sei von „Faszination und Hoffnung auf eine bessere Zukunft“, zugleich von „Angst vor gewalttätiger Radikalisierung und kommunistischen Umsturzversuchen“ gekennzeichnet.

Die Ausstellungsdokumente zur Novemberrevolution 1918/19 in Deutschland, zur kurzen Räterepublik in Ungarn, den massiven Streikwellen in Italien, Frankreich und England bestätigen die internationale Perspektive der Bolschewiki, die die russische Revolution als Teil einer internationalen revolutionären Entwicklung verstanden haben.

Lange verharren Besucher vor den seltenen Filmaufnahmen einer Massenkundgebung in Berlin 1918, auf der Karl Liebknecht spricht, und einer weiteren in München. Die Niederschlagung der deutschen Revolution mit Hilfe der SPD hatte entscheidend zu dem langen blutigen Bürgerkrieg in Sowjetrussland beigetragen.

Von den 500 Exponaten, die noch bis April 2018 zu sehen sind, haben Moskauer und Petersburger Museen und Geschichtsinstitute 180 Leihgaben beigesteuert, darunter zahlreiche unbekannte Filmausschnitte, Fotos, Tondokumente, Plakate, beeindruckende Kunstwerke der sowjetischen Avantgarde von Tatlin, Gondscharowa, Kandinsky, Malewitsch und anderen oder auch Architekturentwürfe. An einer speziellen Station kann man Revolutionslieder und Musikstücke sowjetischer Komponisten wie Schostakowitsch, Rachmaninow, Skrjabin hören.

Kunstwerke reflektieren die soziale Situation in Russland. Von l.n.r.: Talin: Der Fischhändler, 1911; Gondscharowa: Bauern beim Sammeln von Äpfeln, 1911; Mjasojedov: Der Zemstvo tagt, 1872. © Staatl. Tretjakow Galerie Moskau

Von Februar bis Oktober 1917

Viele Ausstellungsstücke beschreiben die soziale Lage zu Beginn der Revolution. Gleich am Anfang des Rundgangs illustriert ein großes Gemälde, „Der Pilger“ von Robert Büchtger (1895), die elende Lage auf dem Land. Ein kleines Mädchen führt einen erblindeten alten Bauern über das schlammige Feld, ein starkes Bild für die Hoffnung auf ein Ende der russischen Rückständigkeit, die auch Wandermaler wie Büchtger bewegt hat.

Während sich der Zarenhof und die orthodoxe Kirche mit Prunk umgeben, herrscht auf dem Land bittere Armut und in den städtischen Fabriken unsägliche Ausbeutung. Fotos zeigen Arbeiter in den Putilow-Werken, Tagelöhner beim Entladen eines Schlepplastkahns und auf der Straße schlafende Arbeiter, die keine Unterkunft haben, schließlich die Brutalität der zaristischen Soldateska gegen die revolutionären Unruhen 1905. Dazu ein Filmstreifen aus dem Ersten Weltkrieg mit abgerissenen russischen Soldaten, die Salve für Salve in den Tod gejagt werden, während zu Hause hungernde Frauen und Kinder für Brot Schlange stehen.

Der folgende Abschnitt unter der Überschrift „Utopie und Wirklichkeit“ versucht die Zeit zwischen Februar und Oktober 1917 zu veranschaulichen, allerdings lückenhaft und eklektisch. Von einem Foto der Frauendemonstration, die im Februar 1917 zum Taurischen Palais zog und die Februarrevolution auslöste, springt man zu den Aprilthesen Lenins nach seiner Rückkehr aus dem Schweizer Exil; zur Doppelherrschaft von Provisorischer Regierung und Petrograder Sowjet, zur Unterdrückung der Juli-Demonstration. Schließlich ist man schon bei der Machtübernahme im Oktober und im Bürgerkrieg.

Die Vorbereitung des konterrevolutionären Generals Kornilow auf einen Militärputsch im Oktober fehlt ebenso wie eine Dokumentation der heftigen innerparteilichen Debatten in der bolschewistischen Partei über die Aprilthesen, bei denen Lenin und Trotzki gegen Kamenew und Stalin standen, die die Provisorische Regierung und ihre Fortführung des Kriegs verteidigten. Auch andere objektive Entwicklungen, die für die Entscheidung zum Aufstand im Oktober wichtig waren – die vermehrten Bauernrebellionen, der wachsende Widerstand der internationalen Arbeiterklasse gegen den Krieg, wie der Matrosenstreik in Deutschland – werden nicht dokumentiert. Im Besucherbuch des DHM schreibt ein Gast: „Es gibt viel Interessantes, aber mir fehlt der rote Faden.“

Hiermit lässt die Ausstellung den antikommunistischen Theoretikern mit der These vom bolschewistischen Putsch ein Türchen offen. So heißt es auch im Raumtext: „Im Oktober konnten die Bolschewiki die Macht an sich reißen.“

Doch sprechen die Dokumente eine andere Sprache: Die Tondokumente und Filmausschnitte von Reden Trotzkis (Zur brüderlichen Union der Sowjetischen Republiken, April 1919, keine dt. Übers.) und Lenins (Was ist die Sowjetische Macht?, 23. März 1919, dt. Übersetzung hier) demonstrieren ihre enge Verbindung mit der Bevölkerung; die tiefe Trauer in den Gesichtern von Arbeitern bei der Beerdigung Lenins 1924 ebenso. Neben Fotos über die Schrecken des Bürgerkriegs, vor allem die große Hungersnot am Ende, findet man Abbildungen des berühmten Zugs von Leo Trotzki im Bürgerkrieg und dazu folgendes erstaunliche Zitat aus seiner Autobiographie: „Die Zugbesatzung hatte viele Nebenaufgaben zu erfüllen: bei Hungersnot, Epidemien, Agitationskampagnen und internationalen Kongressen. Der Zug war Pate eines Dorfbezirks und mehrerer Kinderheime. Seine kommunistische Zelle gab eine eigene Zeitung heraus.“

An einer Stelle zeigt ein kurzer Filmausschnitt ein Arbeitslager von 1918, darunter die hanebüchene Beschreibung, dies zeige die „Zwangsarbeit in einem Konzentrationslager“ der Bolschewiki. Die Ausstellung bezieht sich hier auf eine These, die von rechtsradikalen Professoren wie dem Humboldt-Professor Jörg Baberowski verbreitet wird, wonach es bereits im Jahr 1918 Massenerschießungen und Konzentrationslager wie im Holocaust gegeben hätte.

Was ist zu sehen? Ein Aufseher in kaukasischer Kleidung lädt dem sogenannten Zwangsarbeiter – im Anzug und weißen Kragen – Holzscheite auf die Arme, die er verladen soll. Ungewohnt ob solcher Arbeit lässt er ein Holzstück fallen, der Aufseher, fast amüsiert, hebt es wieder auf. Amüsiert ist vielleicht auch der eine oder andere Besucher, der schon immer seinem Chef gewünscht hat, mal seine Arbeit zu übernehmen. Zwangsarbeit in den Konzentrationslagern der Nazis sieht jedenfalls anders aus.

Brot, Land und Frieden

Einen Höhepunkt der Ausstellung bilden unzweifelhaft die Dekrete und Proklamationen der Arbeiterregierung am Tag der Machtübernahme und in den Tagen unmittelbar danach: das Dekret über den Frieden, über Grund und Boden , die Arbeiterkontrolle über Banken und Fabriken, die Trennung von Kirche und Staat, über die Rechte der Völker Russlands.

Dekret über den Frieden (rechts)

Welche revolutionäre Regierung hatte jemals zuvor in der Geschichte mit einer solchen Kühnheit die Forderungen der Arbeiter- und armen Landbevölkerung erfüllt? Die große Französische Revolution jedenfalls, die wesentlich gewaltsamer als die Oktoberrevolution war, zeigte nach ihrem Sieg sehr schnell, dass die Forderungen nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit nicht für die unteren Schichten, sondern nur für die neue herrschende Klasse der Bourgeoisie galten.

Dagegen nahmen Lenin und die neue Arbeiterregierung, der Rat der Volkskommissare, noch in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober die drängendsten Probleme der Bevölkerung in Angriff. Eine Weiterführung des Kriegs ist ein „Verbrechen gegen die Menschheit“, begründete Lenin vor dem Zweiten Allrussischen Kongress das Dekret über den Frieden, das die sofortige Einleitung von Friedensverhandlungen und die Vorbereitung eines Waffenstillstands verfügte. Zugleich appellierte er an alle Arbeiter in den kriegführenden Ländern Europas, sich ebenfalls gegen den Krieg zu erheben.

Schon wenige Monate danach, am 3. März 1918, unterzeichnete die sowjetrussische Verhandlungsdelegation unter Leitung von Leo Trotzki in Brest-Litowsk einen Friedensvertrag, mit dem das Ende des Weltkriegs eingeleitet wurde. Das Original des Vertrags ist in Berlin ausgestellt.

Die Besucher können die Dekrete als Originale oder in Form von Textausschnitten an einer Säule studieren. Wandern sie weiter, finden sie zahlreiche Plakate, oftmals von Künstlern der Avantgarde erstellt, mit denen die bolschewistische Regierung Kampagnen gegen Analphabetentum und Antisemitismus und für die volle Gleichberechtigung der Frauen durchführten. (Eine Rede Lenins gegen Antisemitismus mit deutschen Untertiteln lässt sich übrigens auf YouTube finden.)

Sowjetisches Plakat „Was die Oktoberrevolution der Arbeiterin und Bäuerin gegeben hat“, 1920 © Deutsches Historisches Museum; daneben Bilder vom 1918 gegründeten jüdischen Habima-Theater, Moskau 1918/1922 © Staatliches Historisches Museum Moskau / Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln.

Die frühe Sowjetunion, die nach dem Bürgerkrieg 1922 gegründet wurde, übte große Anziehungskraft auch noch in der Zeit aus, als die Degeneration unter dem Regime Stalins eingesetzt hatte. Ein herrliches Bild von Heinrich Vogeler, „Rote Metropole“ von 1923, bezeugt dies ebenso wie Fotos von Aufbauprojekten, an denen sich Arbeiter und Ingenieure aus dem Ausland beteiligten. Dies demonstriert zum Beispiel ein Exemplar der „Internationalen Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung“ mit dem Titel: „Deutsche bauen in der UdSSR. Das neue Frankfurt“ aus dem Jahr 1930.

Rote Metropole, von Heinrich Vogeler, 1923 © Staatl. Museum für Zeitgenössische Geschichte Russlands, Moskau; rechts davon eine Leninbüste der Britin Clare Sheridan, Moskau 1920.

Eine besondere Attraktion im Zentrum der Ausstellung stellt ein riesiges Ölgemälde von Isaak Brodski (1924) dar, das vom Staatlichen Historischen Museum Moskau an Berlin ausgeliehen wurde und die Eröffnung zum Zweiten Komintern-Kongress 1920 zeigt. Die Gründung der Kommunistischen Internationale 1919 war ein Hauptanliegen Lenins und Trotzkis, die die russische Revolution als ersten Schritt zum Sturz des Kapitalismus weltweit verstanden.

Jeder einzelne Delegierte ist deutlich zu erkennen: neben Lenin, der gerade spricht, auch Trotzki, Sinowjew, Kamenew, Bucharin und Radek sowie zahlreiche bekannte internationale Sozialisten – darunter die deutschen Delegierten Paul Levi, Ernst Meyer, Willy Münzenberg, Clara Zetkin, oder auch der amerikanische Journalist John Reed und die Sufragetten-Führerin Sylvia Pankhurst. Auch Stalin ist zu sehen, mit besonders starrem Blick auf den Betrachter.

Lenin spricht auf dem Sverdlov-Platz in Moskau zu Truppen der Armee, 5. Mai 1920. © ullstein bild

Die internationale Perspektive der Revolutionäre von 1917 stieß in den 30er Jahren immer heftiger mit der Politik der Stalin-Bürokratie zusammen, die nicht nur dieses Bild fünfzig Jahre lang in streng geschlossener Sonderverwahrung verschwinden ließ, sondern 1943 auch die Kommunistische Internationale auflöste. Die überwiegende Zahl der Delegierten von 1920 fiel dem stalinistischen Terror zum Opfer.

Das Bild wurde zum Glück nicht vernichtet und auch nicht retuschiert, wie etliche andere Bilder und Fotos, bei denen Stalin vor allem die herausragende Rolle Trotzkis in der Oktoberrevolution auslöschen wollte. Das bekannteste Foto, die Rede Lenins am 5. Mai1920 auf dem Moskauer Swerdlow-Platz, ist im DHM zu sehen, einmal mit Trotzki und Kamenew und einmal ohne.

Zweideutigkeiten und Kompromisse

Bei allen interessanten Details und Dokumenten im Deutschen Historischen Museum sucht man vergeblich nach einer politischen Erklärung der Oktoberrevolution und der späteren Degeneration unter Stalin. Trotzkis Kampf gegen den Stalinismus und der Aufbau der Linken Opposition wird nicht thematisiert.

Die einzige Richtschnur scheint zu sein: ‚Viele waren dafür, Viele dagegen‘, oder ‚Sowohl Faszination als auch Gewalt und Terror‘.

Offensichtlich gab es über die Ausrichtung der Ausstellung Konflikte im Wissenschaftlichen Beirat, an dem unter anderen auch der rechte Osteuropahistoriker Jörg Baberowski beteiligt ist. Dessen Essay in dem Begleitband „Russland und die Folgen“, der schon zur Zürcher Ausstellung erstellt wurde, bezeichnet die Russische Revolution als „Geburtsstunde der faschistischen Bewegungen“.

Baberowski fragt: „Wer hätte die wütende Masse zähmen und unter Kontrolle bringen sollen?“ und wirft sogar dem Zarenregime vor, dass es die revolutionäre Bewegung nicht gewaltsam genug unterdrückt habe. „Alles hätte auch anders kommen können, wenn der Zar entschlossen gehandelt ... hätte.“

Helmut Altrichter, ein weiterer Historiker im Wissenschaftlichen Beirat des DHM, spricht im einleitenden Beitrag zum Katalog von der „Revolution als Orgie von Hunger, Tod und Gewalt“. Beide erklären, die Gewalt des Weltkriegs sei von den Bolschewiki ohne Unterbrechung im Bürgerkrieg fortgesetzt worden, und der Stalinsche Terror habe bereits unter Lenin begonnen.

Die Ausstellung versucht dies nicht zu widerlegen. Die wirklichen Ursachen des Bürgerkriegs werden ausgeblendet, die Interventionsarmeen, die im Bund mit den konterrevolutionären weißen Truppen den Arbeiterstaat auf allen Fronten angriffen, kaum erwähnt.

Eine Darstellung der Zürcher Ausstellung von Lenin als „Schreibtischtäter“ – mit einer Reihe kleiner grauer Schreibtische ausgehend von der großen Leninstatue, einer Leihgabe aus Eisleben – hat die Berliner Ausstellung dagegen nicht übernommen. Darauf angesprochen, sagte Kristina Janecke der WSWS, damit habe Zürich die von Lenin ausgehende Bürokratisierung darstellen wollen: „Wir haben darüber viel diskutiert und bewusst entschieden, dies in Berlin nicht zu übernehmen. Ich persönlich fand diese Darstellung eher unglücklich.“

Weil die Ausstellung jedoch den Kampf Trotzkis und der Linken Opposition verschweigt, sorgt sie selbst für Verwirrung über die Entstehung der Stalin-Diktatur und passt sich an rechte Geschichtsrevisionen an. Der Auftritt von Wolf Biermann bei einer Podiumsdiskussion des DHM war deshalb kein Zufall. Er brachte die Theorien von Baberowski und Altrichter mit der ihm eigenen plumpen Weise auf den Punkt, als er in der Sprache des Holocaust erklärte, Karl Marx habe die „Endlösung der sozialen Frage“ angestrebt, und diejenigen, die heute erneut soziale Ungleichheit beseitigen wollten, als „Menschenfeinde“ und als eine Bedrohung bezeichnete. Niemand, auch nicht der Vertreter des DHM, protestierte gegen diese ungeheuerliche Aussage.

Das Interesse an der Ausstellung, das kann man jetzt schon sehen, ist riesig. Manch ein Besucher wird unter den gezeigten Objekten und Dokumenten augenfällige Parallelen zur heutigen Zeit finden. Die Kriegsentwicklung, die soziale Ungleichheit und die Zuspitzung derselben kapitalistischen Widersprüche, die 1917 zur Oktoberrevolution führten, setzen wieder Revolutionen auf die Tagesordnung.

Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht das allgemeine Schweigen über die Festrede von Michail Ryklin bei der Ausstellungseröffnung am 18. Oktober. Stalin habe mit „glühendem Eisen“ versucht, das Vermächtnis der Oktoberrevolution auszulöschen, sagte der russische Philosophieprofessor und verwies auf Stalins „ärgsten Feind Leo Trotzki, den Gründer der Roten Armee und engsten Mitarbeiter Lenins“. Die Anklage des Trotzkismus sei benutzt worden, um „alle Weggefährten Lenins aus dem Weg zu räumen“.

In Russland gebe es keine großen Feiern zum Jubiläum der Revolution, sagte er bedauernd. „Die heutigen Machthaber befürchten anscheinend, das genetische Gedächtnis der Massen könnte dazu führten, sich an die befreiende Wirkung der Revolution zu erinnern.“ Aber die Oktoberrevolution könne man nicht in ein Archiv verbannen und „als bloßes historisches Ereignis abtun“. Er endete unter großem Beifall: „In ihrer Heimat – und ich glaube, nicht nur da – ist sie heute ein Teil des politischen Kampfes.“

Damit hat er sicherlich Recht. Für alle, die heute gegen Krieg und Elend kämpfen wollen, ist ein Verständnis der Oktoberrevolution unerlässlich.

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