UN-Vollversammlung: Herbe Abfuhr für Trump in Jerusalem-Frage

Die Trump-Regierung musste am Donnerstag in der UN-Vollversammlung eine herbe Niederlage einstecken. 128 Länder verurteilten die Ankündigung des Präsidenten, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Die Abstimmung ergab 128 zu 9 Stimmen bei 35 Enthaltungen. Sie demonstrierte die extreme Isolation der Vereinigten Staaten und steigerte erneut die Gefahr gewalttätiger Zusammenstöße im Nahen Osten.

Vor der Abstimmung hatten Trump und seine Politiker alles getan, um Gegner einzuschüchtern. Am 20. Dezember drohte Trump jedem Land, das gegen die USA stimmen würde, mit der Streichung von Entwicklungshilfe. „Sie nehmen hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden Dollar von uns an, und dann stimmen sie gegen uns“, beschwerte sich Trump. „Wir schauen uns genau an, wer wie abstimmt. Sollen sie doch gegen uns stimmen. Dann sparen wir eine Menge Geld. Das macht uns nichts aus.“

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, setzte die Angriffe in ihrer Rede vor der Vollversammlung fort. „Die Vereinigten Staaten werden sich an diesen Tag erinnern, an dem die Vollversammlung uns angreift, weil wir unser Recht als souveräne Nation in Anspruch nehmen“, erklärte Haley. „Wir werden uns daran erinnern, wenn so manches Land wieder mal an unsere Tür klopft und erwartet, dass wir noch mehr zahlen und unseren Einfluss zu seinen Gunsten zur Geltung bringen.“ Arrogant teilte sie der Versammlung mit, dass die Washingtoner Regierung unabhängig vom Ausgang der Abstimmung an ihrer Politik festhalten werde.

Mit USA und Israel stimmten nur Togo, die Marshall-Inseln, Mikronesien, Palau, Nauru, Guatemala und Honduras für die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt. 35 Länder enthielten sich, und 21 nahmen nicht an der Abstimmung teil. Das weist darauf hin, dass die Drohungen Trumps und Haleys eine gewisse Wirkung zeigten.

Zwar waren die USA mit ihrer Unterstützung Israels schon öfters bei UN-Resolutionen in der Minderheit. Doch in der jüngsten Bereitschaft so vieler Staaten, sich ausdrücklich gegen die USA zu stellen, zeigen sich die wachsenden inter-imperialistischen Gegensätze und der kontinuierliche Niedergang des US-Kapitalismus.

Traditionelle Verbündete der USA wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die sich früher bei Israel-Resolutionen oftmals enthalten hatten, stimmten diesmal offen gegen Trumps Entscheidung. Selbst Kanada, das mit gutem Grund als engster Verbündeter der USA gelten kann, enthielt sich dieses Mal. Bisher hat es in der UNO immer wieder für Israel abgestimmt.

Trumps Drohungen machten wenig Eindruck, und die USA mussten eine Abfuhr einstecken. Damit erhöht sich aber die Gefahr eines katastrophalen regionalen Konflikts, denn die USA könnten im Nahen Osten mit militärischer Aggression reagieren.

Das polternde Auftreten der Trump-Regierung geht auf seine Nationale Sicherheitsstrategie zurück, die er Anfang der Woche bekannt gegeben hatte. Sie erklärte den Rückgriff auf Großmachtaggression zur neuen Normalität. Nach 25 Jahren fast ununterbrochener Kriege, die Millionen das Leben gekostet haben, geht die amerikanische herrschende Klasse jetzt wieder dazu über, so große militärische Konflikte wie in den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert in Betracht zu ziehen.

Sollte Trump seine Drohung wahr machen und Finanzhilfen an Länder stoppen, die sich gegen seine Jerusalem-Politik wenden, dann würde das die Spannungen zwischen den Großmächten im Nahen Osten weiter verschärfen. Ägypten, Jordanien, Afghanistan, Irak und Pakistan haben sich gegen Washington gestellt und die Resolution unterstützt. Die europäischen Mächte mit Deutschland an der Spitze haben in der Jerusalem-Entscheidung eine Gelegenheit erkannt, ihren Einfluss in der Region auf Kosten der USA zu vergrößern. Sie würden sofort in das Vakuum eindringen, das durch ein vermindertes Engagement der USA entstehen würde. Russland und China, die beiden Hauptstolpersteine auf Washingtons Weg zur Dominanz in der energiereichen Region, würden diese Gelegenheit ebenfalls nutzen.

Die Abstimmung in der Vollversammlung hat keinen bindenden Charakter. Drei Tage zuvor hatte Haley im Sicherheitsrat eine einzige Stimme gegen die Resolution abgegeben und damit das Veto der USA eingelegt.

Trumps Jerusalem-Entscheidung hat die jahrzehntelange Farce einer Zweistaatenlösung beendet. Bis dahin hatten die USA und die andern imperialistischen Großmächte jahrzehntelang so getan, als könne durch die Zweistaatenlösung der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern gelöst werden. Trumps Entscheidung hat auch den Bankrott der bürgerlich-nationalistischen Perspektive entlarvt, die davon ausgeht, die Palästinenser könnten ihre demokratischen und sozialen Interessen durch Vereinbarungen mit den Imperialisten realisieren.

Das hat sich am 21. Dezember in der UN-Vollversammlung ebenfalls gezeigt, als Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde einer Resolution applaudierten, die im Wesentlichen den Status Quo zementiert. Sie bedeutet nichts anderes als eine Festschreibung des Rahmens, in dem Israel das palästinensische Volk seit Jahrzehnten brutal unterdrückt. Der Präsident der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, feierte die Abstimmung als „Sieg für Palästina“. Das Abbas-Regime dient Israel und dem US-imperialismus als Sicherheitsorgan und ist bei den Palästinensern weithin verhasst.

Abbas Sprecher fügte noch hinzu: „Wir werden weiter in den Vereinten Nationen und allen internationalen Gremien für ein Ende dieser Besatzung und die Errichtung unseres Palästinenserstaates kämpfen, und Ostjerusalem soll unsre Hauptstadt sein.“

In Wirklichkeit hat Washington klar gemacht, dass es die Entstehung eines solchen Staates niemals zulassen werde. Und auch den europäischen Imperialisten ist das Schicksal der Palästinenser egal, denn sie hoffen, die Situation für ihre eigenen Ambitionen im Nahen Osten ausnutzen zu können. Sie spekulieren auf die Unfähigkeit Washingtons, ein Abkommen zwischen den Israelis und den Palästinensern zu vermitteln, und auf eine Niederlage seiner Militärintervention in Syrien.

Für die bürgerlichen arabischen Regimes war die Vollversammlung eine Gelegenheit, um öffentlich gegen Trumps Politik aufzutreten. Dabei waren sie alle im Voraus über Trumps Ankündigung informiert worden. Saudi-Arabien ist daran interessiert, israelische Unterstützung für seine Angriffspläne gegen den Iran zu gewinnen. Im November hatte Saudi-Arabien Abbas nach Riad einbestellt, um ihm die Bedingungen für ein Abkommen zu diktieren, das die Kontrolle Israels über Jerusalem beinhalten und das palästinensische Territorium dauerhaft auf ein paar kleine, voneinander isolierte Enklaven reduzieren würde.

In Israel hat Trumps Jerusalem-Entscheidung die Position von Benjamin Netanjahu gestärkt. In den zwei Wochen seit Trumps Rede reagierten die israelischen Sicherheitskräfte auf Massenproteste mit scharfer Munition. 1.900 Palästinenser wurden verletzt, 200 festgenommen und zehn getötet. Die Entscheidung hat die Regierung in Tel Aviv auch ermutigt, in den besetzten Gebieten durch die Ausweitung der illegalen Siedlungsprogramme weiter internationales Recht zu verletzen.

Wie nicht anders zu erwarten, ging Netanjahu nach der Abstimmung in die Offensive. Er nannte das Ergebnis „absurd“ und verkündete, Jerusalem sei schon immer Israels Hauptstadt gewesen und werde es immer sein.

Trumps Jerusalem Politik hängt mit dem Plan zusammen, eine anti-iranische Allianz im Nahen Osten zu schmieden und Krieg gegen den Iran vorzubereiten. Im Mai besuchte Trump Saudi-Arabien, wo er eine Rede vor arabischen Führern hielt. Er forderte sie auf, eine sunnitische Allianz für den Kampf gegen den Iran zu bilden. Trump und sein Stab haben seitdem jede Gelegenheit genutzt, die Spannungen mit dem Iran zu verschärfen.

Kaum zwei Monate vor seiner Anerkennung Jerusalems hatte Trump sich geweigert, zu bestätigen, dass der Iran seine Verpflichtungen nach dem Atomvertrag von 2015 erfüllt hatte. Der US-Präsident verlangte vom Kongress härtere Sanktionen und ein Einschreiten gegen das iranische Programm zur Entwicklung ballistischer Raketen.

Schon in den Tagen vor der UN-Abstimmung vom 21. Dezember hatte sich gezeigt, was für scharfe Spannungen im Nahen Osten vorherrschen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte Trumps Drohungen, Hilfsgelder zu kürzen. Er rief die internationale Gemeinschaft auf, den USA „eine wirksame Lehre zu erteilen“. „Mr. Trump, Sie können den demokratischen Willen der Türkei nicht mit Ihren Dollars kaufen. Unsere Entscheidung ist klar“, fuhr er fort. „Ich fordere die ganze Welt auf: Verkauft nicht euren demokratischen Kampf und euren Willen um ein paar Dollar.“

Sicher ist in solchen Bemerkungen eine Menge Großspurigkeit enthalten. Die Türkei versucht, die Palästinafrage zur Stärkung ihrer eigenen Position zu benutzen. Aber Erdogans Bemerkungen sind auch Ausdruck der zunehmenden Spaltung zwischen der Türkei und den USA. Erdogan hat sich dieses Jahr siebenmal mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. Seine Regierung hat ihre Bereitschaft deutlich gemacht, ein russisches Raketenabwehrsystem zu erwerben. Außerdem scheint sich die türkische Regierung mit Russland und dem Iran über Syrien-Friedensverhandlungen geeinigt zu haben. An diesen Verhandlungen sollen kurdische Vertreter beteiligt werden, während die USA weitgehend davon ausgeschlossen wäre.

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