Wilder Streik bei Ford in Rumänien

Arbeiter werfen Gewerkschaftsführer hinaus und stoppen Produktion

Am Donnerstag vergangener Woche brach ein wilder Streik in einem Ford-Werk in der rumänischen Stadt Craiova aus. Die Arbeiter erzwangen die Absetzung des Gewerkschaftsvorsitzenden und wiesen den Tarifvertrag für die Jahre 2018-19 zurück, auf den sich die Gewerkschaft am Tag zuvor mit dem Unternehmen geeinigt hatte.

Die Stimmung kochte am Donnerstagmorgen über, als knapp 200 Arbeiter spontan ihre Arbeit niederlegten und eine Demonstration außerhalb des Werkes begannen. Als die neue Schicht zur Arbeit kam, schlossen sich Hunderte von ihnen dem Protest an, der auf etwa 1.000 Arbeiter anwuchs. Die Produktion kam zum Stillstand.

Der Streik in Craiova ist ein Meilenstein für die weltweit wachsende Opposition unter Autoarbeitern gegen die Forderungen der Konzerne und die partnerschaftlich mit den Unternehmen agierenden Gewerkschaften. Die Autoarbeiter in den Vereinigten Staaten und Kanada werden im Kampf ihrer rumänischen Klassenbrüder und -schwestern ihren eigenen wiedererkennen.

Der Streik begann, weil der zwischen Gewerkschaft und Unternehmen abgeschlossene Tarifvertrag keinen Ausgleich zu den Lohnkürzungen vorsah, die von der rumänischen Regierung von Premierminister Mihai Tudose (Sozialdemokratische Partei) eingeführt worden sind. Die Regierung verabschiedete kürzlich ein Gesetz, das zum 1. Januar in Kraft tritt und mit dem der Sozialversicherungsbeitrag der Arbeiter drastisch ansteigen wird. Bisher teilten sich Arbeiternehmer und Arbeitgeber den Beitrag, doch das neue Gesetz zwingt die Arbeiter nun, die vollen Kosten in Höhe von 37,25 Prozent ihres Gehaltes zu tragen.

Die geringe Lohnerhöhung, die der von den Gewerkschaften unterschriebene Vertrag beinhaltet, gleicht den erhöhten Abzug nicht aus, der eine faktische Lohnkürzung um 22 Prozent bedeutet. Darum ist der Streik vom Donnerstag in erster Linie ein Protest gegen die Gewerkschaft, die die Arbeiter als verlängerten Arm des Unternehmens wahrnehmen. Ein streikender Arbeiter sagte zu der Lokalpresse: „Wir haben es nicht geschafft“, eine Arbeitervertretung in die Tarifverhandlungen zu entsenden, die keine „von Ford bezahlte“ Organisation ist.

Ford erklärte: „Ford Rumänien kommentiert nicht interne Diskussionen zwischen Gewerkschaften und ihren Mitgliedern. Die Verhandlungen über den neuen Tarifvertrag für die Jahre 2018 und 2019 wurden gestern abgeschlossen und wir haben dem nichts hinzuzufügen.“

Auffallend ähnlich ist die Situation, in der sich die Arbeiter in Rumänien, den USA und weltweit befinden. Ebenso wie in den Vereinigten Staaten hassen die rumänischen Arbeiter ihre Gewerkschaft, die vom Unternehmen gekauft und bezahlt wird. Gegen die amerikanische Gewerkschaft UAW (United Auto Workers) laufen zur Zeit Ermittlungen, weil sie für die Kontrolle der Belegschaft im Gegenzug Bestechungsgelder von GM, Ford und Fiat Chrysler angenommen haben soll.

Ford Rumänien drohte den Arbeitern, man würde die Produktion an einen anderen Ort verlagern, falls sie das Angebot des Unternehmens nicht akzeptierten. Am 13. Dezember schrieb der Ford-Funktionär John Oldham: „In den vergangenen Wochen verhandelten wir gemeinsam mit eurer Gewerkschaft über den neuen Tarifvertrag. Unsere Priorität bestand darin, eine Zwei-Jahres-Vereinbarung abzuschließen, um die Wettbewerbsposition des Werkes Craiova zu verbessern, was ein Schlüsselfaktor für die Gewinnung neuer Produkte und den Erhalt von Arbeitsplätzen ist.“

Der neue Tarifvertrag entspricht den Ausverkäufen, auf die sich die amerikanische UAW im Jahr 2015 und die kanadische Gewerkschaft Unifor im Jahr 2016 mit den drei großen amerikanischen Autobauern geeinigt hatten. Der Deal beinhaltet zusätzliche „Flexibilität“, eine rumänische Variante des „Alternativen Arbeitszeitplans“, der in Nordamerika gilt und bei dem die Arbeitsstunden jederzeit wechseln können. Der Deal erlaubt dem Unternehmen zudem, die Produktion während schwacher Phasen einzustellen und die Arbeiter tage- oder wochenlang ohne Lohn zu belassen. Ebenso wie in den Vereinigten Staaten und Kanada setzt Ford auf die wirtschaftliche Notlage der rumänischen Arbeiter, indem das Unternehmen bescheidene Lohnerhöhungen sowie einen lumpigen Bonus für die Unterzeichnung anbietet. Unerschrocken spuckten die Arbeiter darauf.

In den vergangenen Jahren arbeitete Ford mit der Gewerkschaft zusammen, um Massenentlassungen derjenigen Arbeiter durchzusetzen, die sich der Allianz von Gewerkschaft und Unternehmen entgegenstellten.

Nach einer im Jahr 2016 veröffentlichten Studie des Central European Labour Studies Institute (CELSI) entließ Ford im Jahr 2014 insgesamt 520 Arbeiter, die Kritik an den wiederholten Ausverkäufen und achtprozentigen Lohnkürzungen übten, die die Belegschaft trafen. Die Gewerkschaft ließ diese Entlassungen geschehen. Die Studie bemerkt, dass die Massenentlassung „die Gewerkschaftsvertreter zwar überraschte, aber bei ihnen keine bedeutende Reaktion auslöste“.

Ein Tarifvertrag, den Unternehmen und Gewerkschaft im Jahr 2015 unterzeichneten, erlaubt dem Unternehmen „sehr kurzfristig erhebliche Belegschaftsreduzierungen vorzunehmen“ und „gab den Managern volle Flexibilität bei wichtigen Produktionsvorgaben“, das heißt bei rasanten Steigerungen und gefährlichen Drosselungen der Produktion.

Das Ergebnis der jüngste Tarifverhandlungen war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Romania-insider.com schreibt hierzu: „Maria Manea, die frühere Gewerkschaftsvorsitzende, wurde beurlaubt, da Beschäftigte ihr vorwerfen, nicht ihre, sondern die Interessen des amerikanischen Konzerns zu vertreten. Laut einem internen Dokument droht Ford den Angestellten direkt, ihre Bruttogehälter würden trotz der neuen Sozialabgabenregelung überhaupt nicht erhöht, wenn sie den Vertrag nicht für zwei Jahre unterzeichnen und sich damit den Forderungen des Unternehmens beugen.“

Das Unternehmen begann kürzlich die Produktion der Geländelimousine EcoSport, die zuvor von noch schlechter bezahlten Arbeitern im indischen Chennai gebaut wurde. Die europäischen Verkäufe des Ford-SUV wuchsen 2016 über 30 Prozent und nochmals um 27 Prozent in den ersten acht Monaten des Jahres 2017. Im Werk wird zudem der Ford EcoBoost gebaut, ein Viertakt-Ottomotor.

Die Aktion der Arbeitern bei Ford Rumänien zeigt, dass die Autoarbeiter der ganzen Welt demselben Feind gegenüber stehen und ihren Kampf auf internationaler Ebene koordinieren müssen, um gemeinsam gegen internationale Konzerne wie Ford vorzugehen. In den vergangenen Jahren wurden Streiks gegen Ford an verschiedenen Orten geführt, darunter im Jahr 2015 in der Türkei und Brasilien.

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