Ford-Arbeiter in Saarlouis solidarisch mit ihren Kollegen in Rumänien

Wo immer Ford-Arbeiter vom spontanen Streik ihrer Kollegen im rumänischen Craiova hören, reagieren sie mit großem Interesse und Anteilnahme. Auch bei den Ford-Werken in Saarlouis haben sich in dieser Woche Autoarbeiter mit dem Kampf in Rumänien solidarisch erklärt.

Kurz vor Weihnachten hatten tausend Arbeiter in Craiova die Arbeit niedergelegt, um einen neuen Ausbeutervertrag der Ford Motor Company zu verhindern. Ihre Gewerkschaftsvertretung hatte dagegen den Vertrag schon unterzeichnet.

In Craiova, wo Ford den SUV EcoSport bauen lässt, will der Konzern für die 4200 Beschäftigten einen Tarifvertrag mit zweijähriger Laufzeit durchsetzen. Damit sollen die Gehälter der langjährig Beschäftigten eingefroren und die Löhne der neu eingestellten Arbeiter auf einen Betrag abgesenkt werden, der unter dem Mindestlohn liegt. In einigen Fällen bekommen neu Eingestellte demnach nur 300 Euro im Monat. Schon jetzt verdienen die Autoarbeiter nur einen Bruchteil dessen, was ihre Kollegen im Westen für die gleiche Arbeit bekommen.

Die Arbeiter in Craiova widersetzen sich der Vereinbarung nach wie vor, aber sie sind nicht nur mit dem Konzern, sondern auch mit ihrer Gewerkschaft konfrontiert, die eng mit dem Management zusammenarbeitet. Sie kämpfen auch gegen die Regierung, die durch neue Gesetze die ganze Last der Sozialabgaben (auch den Unternehmeranteil!) den Arbeitern aufbürdet. Einen betrieblichen Ausgleich für diese Verluste knüpft Ford an die Akzeptanz des neuen Vertrags.

Um ihre Kollegen in Westeuropa und den USA über ihren Kampf zu informieren, haben die Arbeiter in Craiova Kontakt mit dem Autoarbeiter-Newsletter der World Socialist Web Site aufgenommen.

Warnstreik bei Ford Saarlouis

Am 10. Januar verteilte ein Team der WSWS bei den Ford-Werken in Saarlouis die Erklärung: „Rumänische Ford-Arbeiter leisten Widerstand gegen erpresserischen Tarifvertrag“. An diesem Tag fand ein Warnstreik der IG Metall statt, den die Arbeiter unterstützten, weil sie sich davon mehr Lohn und mehr Freizeit erhofften. 6000 Arbeiter sind bei Ford im Saarland beschäftigt.

Zahlreiche Ford-Arbeiter, sowie auch Arbeiter der Zulieferbetriebe, nahmen die Flyer der WSWS mit und kamen sogar zurück, um sich welche zu holen. Mehrere sagten, sie wollten auf die Website gehen, um sich über den aktuellen Arbeitskampf in Rumänien zu informieren.

Beim Schichtwechsel unterstützte ein Arbeiter die Forderung, dass Ford-Arbeiter weltweit zusammenarbeiten müssen, und sagte: „Auch hier nimmt der Druck ständig zu. Das zerstört alles, und es macht auch die Familien kaputt!“ Er wäre sofort bereit, einen internationalen Arbeitskampf zu führen. Ein anderer Kollege war eher skeptisch und entgegnete: „So ein richtiger internationaler Streik, der sich gegen den Kapitalismus richtet – ich weiß nicht, ob man das bei Ford hinkriegt.“

Ein Arbeiter stellte sich als WSWS-Leser vor, der schon über den spontanen Streik in Rumänien Bescheid wusste und bereits mehrere Kollegen darüber informiert hatte. Jens, der schon seit einem Vierteljahrhundert bei Ford arbeitet, berichtete uns, dass der Konzern die verschiedenen nationalen Belegschaften bewusst gegeneinander ausspiele.

„Als es hier um die Einrichtung einer neuen Anlage ging, hat man uns ständig gedroht: In Rumänien ist es SOOO viel billiger. Und von der WSWS habe ich erfahren, dass man den Arbeitern in Rumänien mit den Chinesen droht. Den chinesischen Arbeitern wird man dann vermutlich mit den Mexikanern oder Vietnamesen drohen …“ Jens fuhr fort: „Hoffentlich halten die Kollegen in Rumänien durch! Sie dürfen sich nicht unterdrücken lassen.“

Jens erklärte, er halte es für ein bewusstes Manöver, dass Google und andere Konzerne die WSWS jetzt blockieren. „Hier hat ja gar niemand von Craiova gewusst“, sagte Jens. „Ich habe dann selbst letzte Woche immer wieder die Artikel weitergereicht, weil ich ja die WSWS kannte.“

Mehrere Arbeiter sprachen darüber, dass Ford in Saarlouis objektiv mit dem Arbeitskampf in Rumänien verbunden sei. Die weitere Existenz des Werks sei längerfristig direkt vom Ausgang solcher Arbeitskämpfe wie in Rumänien abhängig. Einer sagte: „Wenn es dem Management gelingt, die rumänischen Arbeiter in die Knie zu zwingen, dann wird über kurz oder lang unsre Produktion nach Osteuropa abwandern.“

Ein älterer Arbeiter sagte: „Nach dem Niedergang der osteuropäischen Staaten ist die Lage auch für uns schlechter geworden.“ Wie er berichtete, hatte er bei Ford als Leiharbeiter angefangen, wurde jedoch nach zwei Jahren vom Betrieb fest übernommen. Viele Leiharbeiter arbeiten bei Ford, und sie akzeptieren einen Anfangslohn von 10 Euro (etwa der Hälfte des normalen Lohns), weil sie hoffen, fest übernommen zu werden. „Das ist aber heute längst nicht mehr der Normalfall.“

Derselbe Arbeiter berichtete, er arbeite in der Logistik, wo die Produkte aller Fremdfirmen ankommen. „An den Teilen sehen wir täglich, wie international unsere Arbeit ist. Sie kommen aus allen Teilen der Welt, aus Spanien, Mexiko, China, Polen und sonst woher.“

Timo

Timo, ein Ford-Arbeiter, zeigte sich erschüttert, als er über die Zustände in Rumänien erfuhr. „Der Streik dieser Arbeiter war berechtigt! Sie müssten die gleichen Rechte haben wie wir“, sagte Timo. Er hoffe, dass es dort zu einem vernünftigen Arbeitsvertrag komme, „von dem jeder leben kann, und der Sicherheit bietet“.

Arbeiter von Saarstahl Völklingen und von der Dillinger Hütte, die sich am Warnstreik beteiligten, berichteten über den Versuch ihrer Unternehmen, durch die Abschaffung höherer Lohngruppen auch dort Lohnsenkungen durchzusetzen. „Man muss ständig kämpfen“, sagte Frank, ein älterer Stahlarbeiter.

Ein Arbeiter der Dillinger Hütte berichtete, in ihrem Betrieb habe der Arbeitsstress in letzter Zeit stark zugenommen. „Aber diese Zustände in Rumänien – das ist ja noch viel schlimmer.“ Er kenne ein anderes Beispiel aus Osteuropa: „In Bulgarien sind die Löhne gleich schlecht wie in Rumänien, und durch die EU steigen die Preise in all diesen Ländern. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man damit über die Runden kommt.“ Markus, ein junger Ford-Arbeiter am Fließband, kommentierte: „Man kann es nicht mit Deutschland vergleichen, aber von seinem Lohn sollte man schon leben können.“

Eddy

„Es ist ein Skandal, wie man mit den Kollegen in Rumänien umgeht“, sagte Eddy. Er griff sich gleich mehrere Flyer und begann, sie unter den Arbeitern zu verteilen. Das müsse sofort an die Öffentlichkeit, und er werde auch den Betriebsrat ansprechen. „Warum hat die IG-Metall nicht schon längst was dagegen unternommen?“

Die IG Metall weigert sich, die rumänischen Arbeiter auch nur zu erwähnen. Auf der Website des IG Metall-Vorstands sucht man vergeblich eine Stellungnahme zum Konflikt in Rumänien. Die DGB-Gewerkschaften haben die Wiedereinführung des Kapitalismus in Osteuropa prinzipiell begrüßt, und der Ford-Betriebsrat, der die Dinge aus der Sicht des Ford-Konzerns ansieht, in dessen Lohn und Brot er steht, hat vor vier Jahren schon die Schließung des Ford-Werks in Genk und die Angriffe auf Löhne und Arbeitsplätze in Köln und Saarlouis mitorganisiert.

Das Management hatte damals damit gedroht, die Ford-Produktion nach Rumänien zu verlagern, wenn die Kürzungen und Schließungen nicht akzeptiert würden. Diese Erpressung hat die IG Metall mitgetragen und gegen die Belegschaft eingesetzt. Als nun die Autoarbeiter in Craiova die Arbeit niederlegten, hat die IG Metall den Ford-Arbeitern im Westen kein Wort davon erzählt.

Die Kommentare machen deutlich, dass immer mehr Arbeiter die Notwendigkeit verstehen, sich gegen die globalen Konzerne international zusammenzuschließen. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale hat mit der World Socialist Web Site und ihrem Autoarbeiter-Newsletter ein Nachrichtenorgan geschaffen, das die Arbeiter weltweit über die Kämpfe ihrer Kollegen informiert.

Sie hat den rumänischen Ford-Arbeitern vorgeschlagen, ein Komitee aus einfachen Arbeitern zu bilden, das die Interessen und Rechte der Arbeiter unabhängig vom Einfluss des Unternehmens und der Gewerkschaft verteidigt. Dasselbe gilt auch für die Autoarbeiter von Ford in Deutschland, Westeuropa und auf der ganzen Welt.

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