Syrien: Meldungen über russische Todesopfer durch US-Angriffe

Mehreren Berichten zufolge wurden bei Luft- und Artillerieschlägen des US-Militärs gegen Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in der nordostsyrischen Provinz Deir Ez-Zor am letzten Mittwoch auch russische Berater getötet.

Zur Begründung der verheerenden Angriffe führte das Pentagon an, regierungstreue Verbände Assads hätten einen Angriff auf einen Leitstand der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) vorbereitet. Die SDF ist eine US-Stellvertretermiliz, die von der syrisch-kurdischen YPG dominiert wird. Die US-Spezialkräfte, die sie anleiten, sind in einem Hauptquartier in der Einflusszone stationiert, die infolge der US-Intervention in Deir Ez-Zor nordöstlich des Euphrat erobert wurde.

Die angegriffenen Truppen der Assad-Regierung bestanden aus 300 bis 500 Mann Infanterie samt Panzern und Artillerie. Sie wurden von F15-Kampfflugzeugen, Apache-Hubschraubern, AC130-Luft-Boden-Flugzeugen und unbemannten Drohnen mit Bomben und Raketen sowie mit Artillerie beschossen.

Laut Quellen des Pentagon wurden 100 der syrischen Kämpfer bei diesem Trommelfeuer getötet. Die syrische Regierung bezeichnete es als grundloses „Massaker“ und „Kriegsverbrechen“, das „Dutzende“ Todesopfer gefordert habe.

Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim zitierte syrische Quellen, laut denen auch mehrere russische Militärberater bei dem Angriff nahe dem Gasfeld Chasham im Osten von Deir Ez-Zor getötet wurden.

Der Washington-Post-Kolumnist David Ignatius, der enge Beziehungen zum US-Militär und zum Geheimdienstapparat pflegt und derzeit aus von den USA besetzten Gebieten in Syrien berichtet, zitierte einen kurdischen Milizkommandanten, der mit den US-Spezialkräften zusammenarbeitet. Der nur als „General Hassan“ identifizierte Kommandant erklärte, unter „den Todesopfern befinden sich einige Russen, offenbar Söldner, die auf Seiten der regimetreuen Kräfte kämpfen“.

CNN zitierte derweil Vertreter des Pentagon, laut denen die Berichte über russische Todesopfer aufgrund der US-Angriffe untersucht würden.

Moskau betonte, es habe keine Streitkräfte in dem Gebiet stationiert. Allerdings haben private russische Söldnerfirmen beträchtliche Kräfte zur Unterstützung der Assad-Regierung entsandt.

Kurz vor dem Angriff, am 3. Februar, wurde ein russisches Kampfflugzeug vom Typ Su-25 über der Provinz Idlib mit einer schultergestützten Flugabwehrrakete („Manpad“) abgeschossen. Diese war vermutlich von der CIA oder der Türkei an die von Al-Qaida dominierten „Rebellen“ geliefert worden. Der Pilot, Major Roman Filippow, konnte sich zwar aus dem abstürzenden Flugzeug retten, wurde aber am Boden von Angehörigen der Al-Nusra-Front getötet. Am Donnerstag kamen etwa 30.000 Gäste zu seiner Trauerfeier im südwestrussischen Woronesch.

Diese beiden Vorfälle haben die Spannungen in Syrien zwischen den Atommächten Russland und USA auf ein bisher beispielloses Niveau verschärft.

Der Vorwand für die rechtswidrige US-Militärintervention – der so genannte Krieg gegen den Islamischen Staat im Irak und Syrien (IS) – hat sich in nichts aufgelöst und die wahren Motive sind offen sichtbar geworden: ein Regimewechsel in Syrien, der ursprünglich durch Al-Quaida-nahe islamistische Milizen mit Unterstützung der CIA und des Pentagon herbeigeführt werden sollte, und allgemeiner gesprochen die Eindämmung des iranischen und russischen Einflusses sowie die Fortsetzung des seit Jahrzehnten andauernden Kampfs der USA um die Hegemonie über den ölreichen Nahen Osten.

US-Verteidigungsminister James Mattis, der bis zu seiner kürzlichen Pensionierung Marinegeneral war, erklärte am Donnerstag in einer Pressekonferenz, das US-Massaker an Regierungstruppen in Deir Ez-Zor sei „Notwehr“ gewesen. Diese Behauptung wird durch die Tatsache widerlegt, dass die US-Truppen und ihre kurdischen Stellvertreter kein einziges Todesopfer und nur ein verwundetes YPG-Mitglied meldeten.

Mattis erklärte: „Natürlich mischen wir uns nicht in den syrischen Bürgerkrieg ein.“ Das Massaker vom Mittwoch beschrieb er als „verwirrende Situation“ und betonte, er habe „keine Erklärung dafür“, warum es zur Schlacht gekommen sei.

Allein der Schauplatz liefert allerdings eine einleuchtende Erklärung: Die syrischen Regierungstruppen rückten auf Gas- und Ölfelder vor, die zuvor vom IS kontrolliert worden waren und danach von den US-Stellvertretertruppen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) besetzt wurden. Nach der Eroberung dieser Felder hatte ein SDF-Kommandant im September 2017 gegenüber dem Wall Street Journal erklärt: „Unser Ziel ist es, zu verhindern, dass das Regime die Ölgebiete besetzen und dadurch seine frühere Kontrolle über das Land wiederherstellen kann.“ Mit „uns“ meinte er Washington und seine Stellvertreterkräfte.

Vertreter der US-Regierung, allen voran Außenminister Rex Tillerson, haben deutlich gemacht, dass die US-Streitmacht aus offiziell etwa 2.000 Mitgliedern der Spezialeinheiten auch nach der Niederlage des IS in Syrien verbleiben wird, um Assad zu stürzen und ein US-Marionettenregime an die Macht zu bringen. Zu diesem Zweck will Washington die Zerstückelung des syrischen Staatsgebiets fortsetzen und Damaskus den Zugang zu den strategisch wichtigen Rohstoffquellen in Deir Ez-Zor verwehren, die es für den Wiederaufbau des Landes braucht. Das ist der Hintergrund des Angriffs vom letzten Mittwoch.

Die Pläne der USA für eine unbefristete militärische Besetzung Syriens und die Stationierung einer 30.000 Mann starken „Grenzschutztruppe“, die zum Großteil aus der kurdischen YPG-Miliz besteht, ist der Hauptgrund für die neuerliche Eskalation der Gewalt.

Das türkische Militär hat seine Luftangriffe auf die nordwestsyrische Enklave Afrin wiederaufgenommen, nachdem Russland wegen des Verlusts eines Kampfflugzeugs eine viertägige Pause angeordnet hatte. Moskau übt faktisch die Kontrolle über den Luftraum der Region aus, hat Ankara aber offenbar freie Hand gelassen, um die Spannungen zwischen den USA und der Türkei zu verschärfen.

Mattis, Tillerson und der nationale Sicherheitsberater H.R. McMaster werden nächste Woche zu dringenden Gesprächen mit der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei erwartet. Erdogan wirft den USA vor, durch ihre Pläne würde faktisch ein kurdischer Staat an der Grenze zur Türkei geschaffen. Er hat angekündigt, die türkische Offensive nach Osten auf die Stadt Manbidsch auszuweiten, die momentan von den YPG sowie den sie betreuenden US-Spezialkräften besetzt ist. Dies könnte zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen den USA und der Türkei und damit zwischen zwei Nato-Mitgliedern führen.

Der langjährige Nahostkorrespondent des britischen Independent Patrick Cockburn berichtete unter Berufung auf Quellen aus der Region, die an der Afrin-Offensive der türkischen Armee teilnehmenden Milizen bestünden fast ausschließlich aus ehemaligen IS-Kämpfern, die zu Kämpfern der „Freien Syrischen Armee“ umfirmiert wurden.

Obwohl Washington dieser Umstand bekannt sein dürfte, unternimmt es nichts gegen die türkische Operation in Afrin, solange sie sich nicht nach Osten auf das von den USA besetzte Gebiet ausdehnt. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass das Pentagon selbst ehemalige IS-Kämpfer einsetzt. Während der Belagerung von Rakka und anderen Städten durch die USA und ihre Stellvertreter wurden Tausende ehemalige IS-Kämpfer samt Waffen und Munition evakuiert, um anderswo gegen syrische Regierungstruppen eingesetzt zu werden.

Gemeinsam mit der französischen Regierung unter Präsident Emmanuel Macron reagierte Washington mit Protesten und Drohungen auf die zivilen Opfer, die bei den Luftangriffen Russlands und der syrischen Armee auf von Al-Quaida-nahen Milizen kontrollierte Gebiete in der Provinz Idlib und der Region Ost-Ghuta außerhalb von Damaskus ums Leben kamen. Die Mainstreammedien wiederholten diese Proteste gehorsam. Sie sind jedoch reine Heuchelei, tragen die USA doch selbst die Verantwortung für Zehntausende Tote im syrischen Rakka und im irakischen Mossul.

Um die Voraussetzungen für eine neue Militärintervention gegen die syrische Regierung zu schaffen, setzten Washington und Paris nun die unbewiesene Behauptung in die Welt, Damaskus habe mit Unterstützung durch Russland Chlorgas gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt.

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly erklärte am Freitag in einem Interview mit dem französischen Sender Inter, Paris verfüge über „potenzielle Hinweise“, jedoch keine „endgültigen Beweise“ für einen solchen Giftgaseinsatz.

Diese Äußerungen decken sich mit denjenigen von US-Verteidigungsminister Mattis, der wegen unbestätigter Behauptungen über Chemiewaffenangriffe mit militärischer Vergeltung drohte. Dabei gab er jedoch zu: „Wir haben keine Beweise dafür, aber wir widerlegen sie nicht.“

Die New York Times veröffentlichte am Freitag an prominenter Stelle einen Artikel der erfahrenen Propagandistin Anne Barnard, die die angeblichen Gräueltaten der syrischen und russischen Streitkräfte in schrillen Farben ausmalte. Gleich die erste Zeile lautete: „Ein halbes Dutzend neugeborene Kinder wurden blinzelnd und mit verbogenen Rücken aus einem Krankenhaus gebracht, das nach Luftangriffen in Brand geraten war.“

Das Wall Street Journal veröffentlichte am Freitag einen Artikel, in dem es den Drang der Herrschenden nach einer aggressiveren Haltung gegenüber Syrien artikulierte. Es warf der Trump-Regierung vor, sie setze „fast wie Obama darauf, Russland anzubetteln, Assads jüngsten Angriffen Einhalt zu gebieten“. Weiter hieß es, man könne mit Moskau unmöglich verhandeln, weil es „Assad an der Macht halten, seine Stützpunkte in Syrien aufrechterhalten und von dort aus die Nato bedrohen und die Ziele der USA im Nahen Osten unterbinden will“.

Die Zeitung betonte, Damaskus habe Washingtons „rote Linie“ überschritten, und forderte die Regierung auf, Syrien eine weitere „Botschaft“ wie die 59 Marschflugkörper im April letzten Jahres zu schicken.

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