Berichte bestätigen russische Todesopfer bei US-Angriffen auf syrische Ölfelder

Am 7. Februar führten die USA in der ostsyrischen Provinz Deir ez-Zor am Westufer des Euphrat einen Luft- und Artillerieschlag gegen eine Kolonne von Kämpfern durch, die auf Seiten der Regierung von Präsident Baschar al-Assad stehen. Laut Berichten aus Russland wurden dabei Dutzende oder sogar Hunderte von russischen Söldnern getötet.

Bisher sind nur wenige Namen der russischen Todesopfer bekannt. Das rechte nationalistische Parteienbündnis „Das andere Russland“ teilte mit, dass eines seiner Mitglieder, Kirill Ananiew, zu den Toten zähle. Dieser war vor einem Jahr nach Syrien gegangen. Ein Sprecher der Gruppe erklärte, „paramilitärische Strukturen mit Verbindungen zu Russland“ hätten „beträchtliche Verluste erlitten“.

Auch die paramilitärische Organisation „Baltische Kosaken-Union“ meldete ein Todesopfer. In einer Online-Stellungnahme erklärte sie, eines ihrer Mitglieder namens Wladimir Loginow sei bei dem US-Angriff auf Deir Ez-Zor getötet worden.

Die russische Oppositionsgruppe Conflict Intelligence Team, die die Entwicklungen in Syrien überwacht hat, nannte vier weitere Namen: Alexei Ladygin aus Rjasan, Stanislaw Matwejew und Igor Kosoturow aus Asbest, Oblast Swerdlowsk, und Wladimir Loginow aus Kaliningrad.

Ursprünglich hatte das Pentagon erklärt, bei dem Angriff am 7. Februar seien 100 Kämpfer getötet worden. Man habe mit dem Beschuss darauf reagiert, dass bis zu 500 Kämpfer mit Panzern und Artillerie auf ein Hauptquartier der sogenannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) vorgerückt seien, so die Begründung. Die SDF sind Stellvertretertruppen der USA, die überwiegend aus Mitgliedern der syrisch-kurdischen Miliz YPG bestehen. Berichten zufolge befanden sich auch US-Spezialeinheiten in dem Hauptquartier, die von dort aus die Operationen der YPG in dem Gebiet steuerten.

Die US-Truppen setzten in dem verheerenden Angriff Apache-Kampfhubschrauber, ein Luft-Boden-Flugzeug vom Typ AC-130, F15-Kampfflugzeuge sowie Artilleriebatterien ein.

Die syrische Regierung verurteilte die US-Offensive als „Massaker“ und „Kriegsverbrechen“ und betonte, dass ihre Kämpfer gegen die Überreste des Islamischen Staats im Irak und Syrien (IS) im Einsatz gewesen waren.

Gleichzeitig berichtete das Pentagon, es habe am 10. Februar im gleichen Gebiet einen russischen T-72-Panzer angegriffen, weil dieser sich angeblich einer „Verteidigungsstellung“ der SDF bis auf Schussweite genähert hatte.

In beiden Fällen betonten Sprecher des US-Militärs, die amerikanischen Streitkräfte hätten vor und während der Durchführung der Angriffe die Kommunikationskanäle mit Russland genutzt, um dessen Armee darüber zu informieren.

Was die tatsächlichen Motive hinter den militärischen Angriffe waren, zeigt ein Blick auf die Landkarte: Sie fanden beide nahe dem Omar-Ölfeld, dem Hashim-Gasfeld und der ehemaligen Conoco-Erdgasraffinerie statt.

Deir ez-Zor ist das Zentrum der syrischen Gas- und Ölindustrie, die vom IS besetzt und ausgebeutet wurde, um seine Operationen zu finanzieren. Das US-Militär war entschlossen, diese strategischen Ressourcen in seinen Besitz zu bringen, und akzeptierte deshalb im vergangenen Oktober die Kapitulation der syrischen Stadt Rakka. Dafür ließen die USA 4.000 IS-Kämpfer nach Deir ez-Zor evakuieren, wo sie erneut eingesetzt wurden, um den Vorstoß der syrischen Regierungstruppen zu behindern. Danach wurden Washingtons Stellvertretertruppen der SDF rasch in das Gebiet verlegt, damit sie die Kontrolle über die Öl- und Gasfelder übernehmen.

Washington will der Assad-Regierung den Zugang zu diesen Ressourcen verwehren, damit diese ihre Kontrolle über das zerstörte Land nicht festigen und mit dem Wiederaufbau beginnen kann.

Der russische Militärexperte Wiktor Murachowski erklärte in der Tageszeitung Kommersant: „Für die arabische Republik sind diese Rohstoffe sehr wichtig... Die Kontrolle über Rohstoffe war in vielerlei Hinsicht die Ursache für den Bürgerkrieg in Syrien.“

Die russische Regierung unter Präsident Wladimir Putin verurteilte zwar die Machenschaften der USA in Syrien, hielt sich aber im Bezug auf die gemeldeten russischen Todesopfer in Deir ez-Zor zurück.

Reuters zitierte Quellen aus Russland, laut denen am 7. Februar „Dutzende“ Russen getötet wurden. Bloomberg berichtete am Donnerstag, zwei russische Quellen würden von mehr als 200 „hauptsächlich russischen“ Toten sprechen.

Grigori Jawlinski, Parteichef der prowestlichen und pro-kapitalistischen Partei Jabloko und einer der führenden Köpfe bei der Wiedereinführung des Kapitalismus in Russland, forderte die Putin-Regierung in einer Stellungnahme auf, öffentlich zu machen, was in Deir ez-Zor passiert ist.

Jawlinski, der nächsten Monat bei der Präsidentschaftswahl gegen Putin antritt, erklärte auf Twitter: „Wenn in Syrien russische Staatsbürger in großer Zahl getötet wurden, haben die relevanten Behörden – darunter auch der Generalstab der russischen Streitkräfte – die Pflicht, das Land darüber zu informieren und zu entscheiden, wer dafür verantwortlich ist“.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Dienstag, die Schilderungen über russische Todesopfer in Deir ez-Zor seien nur „Informationen, die in den Medien veröffentlicht wurden“ und bezweifelte, dass Jawlinski über „zuverlässigere Informationsquellen“ verfügt.

Das russische Verteidigungsministerium teilte indes mit, dass sich zum Zeitpunkt des Angriffs keine Angehörigen des russischen Militärs in dem Gebiet befanden. Andere Quellen aus dem näheren Umfeld der russischen Regierung bezeichneten Berichte über massive Opferzahlen als Teil eines vom Westen gesteuerten „Informationskriegs“.

Witali Naumkin, ein führender Nahostexperte, der beim Thema Syrien eng mit dem russischen Außenministerium zusammengearbeitet hat, äußerte sich gegenüber Bloomberg etwas offener: „Niemand will wegen einem Freiwilligen oder Söldner, der nicht vom Staat geschickt und jetzt von den Amerikanern getötet wurde, einen Weltkrieg lostreten.“

Wie hoch die genaue Opferzahl letztlich sein mag: Die russischen Söldner, die bei dem Angriff getötet wurden, arbeiteten offenbar für die „Gruppe Wagner“, ein Militärunternehmen, das als russisches Pendent zu dem US-Unternehmen Blackwater gilt. Söldner dieser Gruppe wurden zur Bewachung von wichtigen Einrichtungen in Syrien eingesetzt, darunter die russische Marinebasis in Tartus, der Luftwaffenstützpunkt Hmeimim sowie Öl- und Gasanlagen. Sie nahmen auch gemeinsam mit syrischen Truppen an schweren Gefechten teil.

Es ist unglaubwürdig, dass diese Söldner ohne die Erlaubnis und enge Zusammenarbeit mit der russischen Regierung in Syrien mit Panzern und Artillerie operieren konnten. Putin hatte zwar letzten Dezember bei einem Besuch in Syrien erklärt, die russischen Streitkräfte hätten den IS besiegt und würden abziehen, aber die Kämpfe dauern an, und scheinbar sind russische Söldner im großen Stil daran beteiligt.

Der Einsatz solcher Kräfte hat für die Putin-Regierung ganz offensichtlich den Vorteil, dass sie über diesen Weg jegliche Verantwortung für militärische Zusammenstöße abstreiten und die eigenen Verluste in Syrien vor der Öffentlichkeit verbergen kann.

Die Gruppe Wagner soll Berichten zufolge auch an Wirtschaftsdeals mit der syrischen Regierung beteiligt sein. Bis zu 25 Prozent der Einnahmen aus den Öl- und Gasfeldern, die von russischen Kämpfern zurückerobert werden, sollen demnach den Interessen des russischen Kapitals garantiert werden.

Der russische Energieminister Alexander Nowak kündigte am Dienstag an, Moskau habe sich mit der syrischen Regierung auf einen „Fahrplan“ zur Rückeroberung und Erschließung der Öl- und Gasfelder geeinigt. Sehr wahrscheinlich standen die Söldner, die bei dem US-Angriff auf Deir ez-Zor getötet wurden, im Dienst dieser Vereinbarungen.

Die russische Militärintervention in Syrien, die im Jahr 2015 begann, sollte Moskaus wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten unterstützen und die USA daran hindern, über die Bewaffnung und Unterstützung von Al-Qaida-nahen Milizen einen Regimewechsel in Syrien herbeizuführen.

Russlands Absichten in Syrien sind auch mit den Interessen der Oligarchie Russlands und des größten russischen Konzerns Gazprom verknüpft. Angesichts der Pläne Katars, Zugang zu syrischem Staatsgebiet zu erlangen und eine Gaspipeline nach Westeuropa zu bauen, sahen Gazprom und die russische Elite ihre Profitinteressen gefährdet. Moskau befürchtete außerdem, dass Syrien zu einer Operationsbasis für Al-Qaida-nahe islamistische Kämpfer aus der russischen Kaukasus-Region werden könnte, die diesen Kräften die Möglichkeit gibt, mit Unterstützung der CIA eine Offensive zu starten, um die Russische Föderation zu destabilisieren und letztlich zu zerstückeln.

Trotz dieses defensiven Elements ist die russische Intervention in Syrien in keiner Weise von progressiven Motiven geleitet. Die russische Regierung repräsentiert die Interessen einer reaktionären und kriminellen kapitalistischen Oligarchie. In den letzten Wochen hat sie den türkischen Angriff auf die kurdische Enklave Afrin sowie die israelischen Bombenangriffe auf syrische und iranische Truppen stillschweigend unterstützt.

Auch wenn die Putin-Regierung jetzt versucht, die jüngste militärische Konfrontation in Deir ez-Zor herunterzuspielen, hat sich gezeigt, dass die objektiven geostrategischen Konflikte, die die Kämpfe in Syrien bestimmen, die Welt an den Rand eines Kriegs zwischen den beiden größten Atommächten treiben.

Die Washington Post forderte am Dienstag in einem Leitartikel eine weitere Eskalation in Syrien. Die führende US-Tageszeitung bringt damit die aggressive Haltung des US-Militär- und Geheimdienstapparats und einflussreicher Teile des politischen Establishments zum Ausdruck.

Die Post warnte: „Statt sich zu entspannen, droht der syrische Bürgerkrieg direkte Konflikte zwischen den USA und der Türkei, Israel und dem Iran oder sogar den USA und Russland auszulösen. Diese Gefahren können nur durch Diplomatie auf höchster Ebene und vor dem Hintergrund einer glaubwürdigen Drohkulisse entschärft werden. Bisher sieht die Reaktion der Trump-Regierung kraftlos aus.“

Der Leitartikel betonte, Washington könne nur durch eine militärische Eskalation verhindern, dass Russland „die dominante Macht in Syrien und damit zu einer der wichtigsten Mächte im Nahen Osten wird“.

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