Abschluss im öffentlichen Dienst

Verdi schließt die Reihen mit der Regierung

Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst, den die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände am Mittwoch nach der dritten Verhandlungsrunde präsentierten, ist ein Schlag ins Gesicht der 2,3 Millionen öffentlich Beschäftigten der Kommunen und des Bundes, die in den letzten Wochen zu Zehntausenden für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne auf die Straße gegangen sind.

Der Abschluss schreibt für viele Berufsgruppen den Reallohnverlust der letzten Jahre fort und verbietet den Arbeitern mit seiner extrem langen Laufzeit 30 Monate lang jegliche Arbeitskampfmaßnahmen. Für fast die gesamte Legislaturperiode sind damit Streiks gegen die unsoziale Politik der Großen Koalition illegal.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die GEW und der Beamtenbund schließen die Reihen mit der Regierung, die heftige Angriffe auf die Arbeiter plant. Im Koalitionsvertrag ist die umfassendste Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg festgeschrieben. Dafür müssen dutzende Milliarden in anderen Bereichen gekürzt werden. Um das durchzusetzen, soll ein Polizeistaat aufgebaut werden.

Die Warnstreiks der letzten Wochen haben gezeigt, dass Arbeiter nicht bereit sind, diese Politik und eine weitere Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen hinzunehmen. Sie gingen auf die Straße, weil sich in nahezu allen Bereichen die Arbeitshetze und die Ausbeutung derart verschärft haben, dass sie es schlichtweg nicht mehr ertragen. In Krankenhäusern, Kitas und Pflegeheimen herrscht ein regelrechter Notstand, aber auch Entsorgungsbetriebe, der Nahverkehr und sogar Ämter sind betroffen.

Die Gewerkschaften hatten sich von Anfang an geweigert, diese Fragen auch nur aufzuwerfen. Allerdings versuchten sie, durch höhere Gehaltsforderungen und einige Warnstreiks die Wut aufzufangen und in harmlose Kanäle zu lenken. Sie forderten sechs Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die unteren Gehaltsgruppen sollten durch eine Mindesterhöhung von 200 Euro pro Monat aufgrund ihrer besonders prekären Lage weit über zehn Prozent mehr Lohn erhalten.

Das Ergebnis zeigt, dass es Verdi nie um eine Verbesserung der Situation der Beschäftigten ging, sondern darum, die Ziele der Regierung gegen sie durchzusetzen. Der Einigung zufolge beträgt die durchschnittliche Erhöhung der Tariflöhne rückwirkend zum 1. März nur 3,19 Prozent. 13 Monate später sollen die Löhne noch einmal um 3,09 Prozent und am 1. März 2020 schließlich um 1,06 Prozent erhöht werden. Insgesamt ergibt sich demnach eine Erhöhung von 7,5 Prozent bei einer Laufzeit von 30 Monaten.

Legt man allerdings die Rechnung der kommunalen Arbeitgeberverbände zugrunde, fällt die tatsächliche Steigerung des Lohnniveaus noch deutlich geringer aus. Die VKA hatte berechnet, dass eine Erhöhung der Löhne um sechs Prozent bei 12 Monaten Laufzeit sechs Milliarden Euro Mehrausgaben bedeuten würde. Für das jetzige Ergebnis geben sie für die 30 Monate Mehrausgaben von nur 7,4 Milliarden an. Demnach bleibt die reale Erhöhung des durchschnittlichen Lohnvolumens sogar weit unter der Hälfte der ursprünglichen Verdi-Forderung und damit nur leicht über der voraussichtlichen Inflationsrate.

Die Erhöhung ist dabei allerdings höchst ungleich verteilt. Ein Arbeiter in Stufe 3 der Entgeltgruppe 5, der bisher 2598 Euro brutto erhielt, erhält in den 30 Monaten laut Tabellen des Beamtenbunds lediglich eine Erhöhung von 6,8 Prozent. Wer in der gleichen Stufe in Entgeltgruppe 13 schon bisher 4274 Euro monatlich erhielt, bekommt hingegen einen Zuschlag von satten 11,34 Prozent. Dies gilt laut Verdi-Chef Frank Bsirske insbesondere für Fach- und Führungskräfte, Techniker, Ingenieure und IT-Fachleute, die in den Behörden gerade dringend gesucht werden.

Die untersten Gehaltsgruppen erhalten hingegen selbst auf die 30 Monate gerechnet nicht einmal die für zwölf Monate geforderten 200 Euro Lohnsteigerung. Wer bisher 1.751 Euro verdiente, erhält in den zweieinhalb Jahren nur 179 Euro mehr. In der Pflege, Sozialarbeit und Erziehung ist es besonders schlimm. So erhält ein Mitarbeiter des Sozial- und Erziehungsdienstes, der bisher 2106 Euro erhielt in den 30 Monaten nur 158 Euro mehr. Zusätzlich gibt es lediglich eine Einmalzahlung von 250 Euro, die nicht tabellenwirksam ist.

Dieser üble Abschluss ist das Ergebnis der engen Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften und der Bundesregierung. Nicht umsonst lobte Bsirske Innenminister Horst Seehofer (CSU) auf der abschließenden Pressekonferenz in den höchsten Tönen als „angenehmen Verhandlungspartner“, mit dem es während der Verhandlungen „launige, entspannte Momente“ gegeben habe. „Ich würde mich freuen, noch ganz viele Verhandlungen mit ihm zu machen“, schäkerte der Verdi-Chef.

Seehofer gehört zu den rechten Scharfmachern der Bundesregierung. Er hetzt gegen Flüchtlinge, diffamiert den Islam und hat den Aufbau eines Polizeistaats angekündigt. Auf diese Weise will er das Programm der Aufrüstung und der sozialen Angriffe gegen die Bevölkerung durchsetzen. Für diese Aufgabe bieten sich auch die Gewerkschaften an.

Der Tarifabschluss muss in direktem Zusammenhang mit den Aufrüstungsplänen gesehen werden. Denn im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, dass sie von jedem Euro, den sie an anderer Stelle einsparen können, 50 Cent ins Militär und 50 Cent in die zivile Konfliktintervention stecken werden. Jeder Cent, der den öffentlich Beschäftigten fehlt, fließt also direkt in die Aufrüstung. Auf diese Weise soll der Militärhaushalt in den nächsten sechs Jahren auf mindestens 70 Milliarden Euro verdoppelt werden.

Arbeiter reagierten auf den Abschluss mit Wut und Empörung. Die Kommentare im Verdi-Netz waren eindeutig. Ein User schreibt: „30 Monate Laufzeit? Einmalzahlung von 250 EUR bis EG 6? (…) Ich hoffe doch sehr, dass das ein arg verspäteter und schlechter Aprilscherz ist, denn verarschen kann ich mich alleine.“

Weitere Kommentare lauten: „Als Eurofighter gestartet und als Papierflieger gelandet“; „Ein Mindestbetrag ist nur dann ein Mindestbetrag wenn er auch tabellenwirksam ist. Die soziale Komponente (Mindestbetrag) ist (nicht war!) zentraler Bestandteil unserer Forderungen bei dieser Tarifrunde! Und dabei muss es auch bleiben!!!“; „Ja Verdi hat es geschafft, seine Mitglieder nun vollends zu verkaufen. 30 Monate Laufzeit, seid ihr noch zu retten? Soviel Streikbeteiligung wie lange nicht mehr, und wir bekommen 30 Monate Laufzeit? Adios Verdi, war schön mit euch!“

Bei aller berechtigten Wut ist es nötig, nüchtern Bilanz zu ziehen. Die Gewerkschaften sind keine Organisationen der Arbeiter mehr, sondern dienen dazu, jeden Widerstand gegen die sozialen Angriffe zu unterdrücken. Je mehr sich die sozialen Gegensätze zuspitzen und je mehr sich die Gegensätze zwischen den Großmächten zuspitzen und die Kriegsgefahr wächst, desto näher rücken die Gewerkschaften an die herrschende Klasse und die Regierung heran.

Der Abschluss hat die Perspektive bestätigt, die die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) bereits in der letzten Woche in einer Erklärung zum Streik formuliert hatte:

„Die SGP ruft Arbeiter auf, den Streik in die eigenen Hände zu nehmen und von den Gewerkschaften unabhängige Aktionskomitees zu gründen. Diese müssen umgehend Kontakt zu den Arbeitern anderer Branchen und anderer Länder aufnehmen, um eine internationale Bewegung gegen soziale Angriffe und Krieg aufzubauen.

Eine solche Bewegung wird unweigerlich politische Formen annehmen und in eine Konfrontation mit der Regierung geraten. Sie benötigt eine sozialistische Perspektive, die sich gegen den Kapitalismus richtet. Denn kein gesellschaftliches Problem kann gelöst werden, ohne die Banken und Konzerne zu enteignen und unter demokratische Kontrolle zu stellen.“

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