Mélenchon schweigt bei Protestveranstaltung in Marseille zu Luftangriffen auf Syrien

Am Samstag, den 14. April fand eine “Anti-Macron”- Demonstration in Marseille statt, zu der die stalinistische Arbeitergewerkschaft (CGT) und ein Dutzend politischer Parteien und Gewerkschaften aufgerufen hatten, einschließlich der Gewerkschaft Solidarität und der Nationalen Studentengewerkschaft Frankreichs (UNEF). Der Protest veranschaulichte den tiefen Graben zwischen den Arbeitern und der Jugend einerseits, entschlossen gegen Macron und die wachsende Kriegsgefahr zu kämpfen, und den Gewerkschaften und pseudolinken Parteien andererseits, die diese Demonstration kontrollierten.

Laut der stalinistischen CGT nahmen 58.000 Demonstranten an dem Protest teil, der von Bahnarbeitern angeführt wurde. Rentner, Studenten, Postbeschäftigte, Dockarbeiter und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes waren auch da, um „Nein“ zum „sozialen Staatsstreich“ von Macron zu sagen.

Unter den Demonstranten gab es auch Aufrufe ein zu einem „unbefristeten Generalstreik“, andere zeigten ihre Ablehnung der französischen, britischen und US-amerikanischen Bombardements gegen das Assad-Regime in Syrien. Man konnte auch den Slogan „Die Regierung Macron muss vertrieben werden, nicht die Demonstranten“ hören. Dies war eine Anspielung auf die gewaltsame Räumung der Umweltschützersiedlung Notre Dame des Landes durch französische Sicherheitskräfte.

Es gibt eine immense Wut auf den französischen Präsidenten Macron, seine Kriegs- und Sparpolitik sowie seine Verachtung für den Widerstand der Arbeiter und Jugend. Im ersten französischen Fernsehkanal TF1 hatte Macron erklärt: „An gesellschaftlichen Forderungen kann man sich doch nicht orientieren. Entschuldigen Sie, dass ich direkt werde, aber was bedeutet schon eine Meinung? Heißt das, wir müssten jeden Tag Umfragen zu diesen und jenen Themen lesen, mit denen uns gesagt wird, was wir tun sollen?“

Interessanterweise bei gab es dann beim Abschluss der Proteste am 14. April von Seiten der anwesenden „Anti-Macron“-Politiker keinerlei Meinungsbeiträge. Nur wenige Stunden nach den aggressiven Militärschlägen der Regierungen in Washington, London und Paris gegen Syrien wollten die politischen Anführer der Proteste nicht die geringsten Verbindung zur massenhaften Opposition gegen dieses Kriegsverbrechen aufnehmen.

Jean-Luc Mélenchon, Parlamentsabgeordneter aus Marseille und politischer Kopf dieser Veranstaltung, hatte einen offenen Brief herausgegeben, der sich an die Führer diverser Parteien sowie an Benoit Hamon richtete, einen früheren Kandidaten der Sozialistischen Partei bei den Präsidentschaftswahlen, um sie zu der Demonstration einzuladen. Philippe Poutou von der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) war neben Mélonchon auf der Veranstaltung anwesend.

Mélenchon sprach den Gewerkschaften Lob aus und rief alle Organisationen, die sich der Bewegung anschließen wollten, zum Schulterschluss auf. „Ich hoffe, dass dies in allen Ländern stattfindet“, sagte er. „Es handelt sich hier um einen großen Durchbruch, mit dem wir von der sozialen Bewegung in die politische Aktion kommen.“

Le Monde schrieb: „Der Parlamentsabgeordnete (Mélenchon) ging bis zum Beginn der Straße La Cenebière (in Marseille) vor den Demonstranten und hinter einem Banner her, auf dem stand: „Die Regierung Medef (eine Anspielung auf den nationalen Unternehmerverband) will uns töten, lasst uns diese Leute aufhalten“. Dann mischte er sich unter seine Anhänger, unter einige tausend Aktivisten, die in Gruppen aus ihren Städten oder Regionen teilnahmen.“

Über die Demonstration befragt, sagte der ehemalige NPA-Präsidentschaftskandidat Poutou, dass „was hier in Marseille stattfindet, ein deutlicher Bruch der sozialen Bewegung mit der offiziellen Politik ist. Ganz klar, da ist ein Wunsch in diesem Land, Macron eine Botschaft zu schicken, damit er seine sozialen Angriffe einstellt.“

In jeder großen revolutionären Krise machen die arbeitenden Massen verschiedene Erfahrungen mit mehreren politischen Strömungen, wobei sie sich zunehmend über die politische Lage und die vor ihnen liegenden Aufgaben bewusst werden. Die Aufgabe einer wirklich revolutionären Führung – und das ist Mélenchon und seine Partei natürlich nicht – besteht darin, die objektive Rolle dieser politischen Tendenzen zu erklären und so auf die politische Orientierung der Arbeitermassen zu wirken, wenn sie in Klassenkämpfe eintreten.

Mélenchon, die NPA und deren verbündete Gewerkschaftsbürokratien weisen den Arbeitern und Jugendlichen, die gegen die Sparpolitik kämpfen, keinen Weg nach vorne. Fünfzig Jahre nach dem Generalstreik vom Mai 1968 haben sich diese Kräfte, die aus dem Kleinbürgertum und der anti-marxistischen Studentenbewegung dieser Zeit stammen, nun unter dem Banner des „humanitären“ Kriegs versammelt, mit dem die französische Regierung ihre imperialistischen Interessen vorantreibt.

Die gegenwärtigen Proteste finden unter den Bedingungen einer revolutionären Krise statt, die weit fortgeschrittener ist als vor einem halben Jahrhundert. Die Politik der Klassenzusammenarbeit liegt inzwischen in Scherben, sie beruhte auf der Unterwerfung der Studenten von 1968 unter die damalige französische Regierung (in der sog. Vereinbarung von Grenelle) und auf dem Verrat der Stalinisten am Generalstreik. In der ganzen Welt bereitet sich die herrschende Klasse auf Krieg vor. Macron versucht die Klassenbeziehungen nach autoritären Grundsätzen zu reorganisieren, um bis 2024 seine Steuergeschenke an die Reichen und 300 Milliarden Dollar für das Militär zu finanzieren.

Im Gegensatz zum Mai 68 wird die Regierung Macron wegen der wirtschaftlichen Krise, die ihr keine Spielräume mehr lässt, nunmehr keinerlei Zugeständnisse an die Arbeiter machen, auch wegen der Vorbereitungen der NATO auf einen Krieg gegen Russland, die sich auch in der französischen Intervention in Syrien zeigen. Damit die herrschende Klasse diese Strategien verfolgen kann, ist sie gezwungen, durch Notstandsgesetze und die Zensur des Internet einen Polizeistaat aufzubauen, um den Widerstand in der Bevölkerung zu unterdrücken.

Die Protestbewegung der Jugendlichen mit einem revolutionären Kampf der Arbeiter zu vereinen – dies kann unter einer Führung von Mélenchon und den Gewerkschaften nicht geschehen. Diese Kriegsunterstützer und pseudolinken Populisten können keine erfolgversprechende politische Perspektive anbieten.

Die Gewerkschaften haben nicht nur bei der Formulierung der Arbeitsgesetze und bei Macrons arbeiterfeindlichen Erlassen Pate gestanden sondern auch bei der Kriegstreiberei, indem sie in einer Erklärung von 2012 ausdrücklich den Krieg in Syrien befürwortet haben. Sowohl Mélenchon als auch die NPA haben die Nato im Libyenkrieg unterstützt, ebenso den Kriegsbeginn gegen Syrien. Und sie schwiegen während der Demonstration Mitte April in Marseille zum kriminellen Charakter der neuesten Bombardements imperialistischer Mächte gegen Syrien.

Mélenchon hat Präsident Macron mehrere Male angeboten, ihm als Premierminister zu dienen. Aber die Gesetze einer Macron-Mélenchon Regierung wären nicht grundsätzlich anders als die der gegenwärtigen von Macron und seines Premiers Edouard Phillipe. Die Idee, eine solche bürgerliche Regierung zu bilden – eine Perspektive, die tatsächlich das völlige Gegenteil der Machtergreifung durch die Arbeiterklasse wie in Russland im Oktober 1917 bedeuten würde – ist eine Falle.

Die grundlegende Aufgabe, vor der Arbeiter und Jugendliche im Jahr 2018 stehen, wird im Aufruf der Parti de l‘Egalité Socialiste deutlich: Sie will im Gegensatz zur rückwärtsgewandten Politik der kleinbürgerlichen Pseudolinken eine marxistische Führung aufbauen.

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