Opel-Arbeiter im Gespräch mit der WSWS:

„IG Metall und Betriebsrat verteidigen uns nicht“

Die Angriffe auf die Opel-Arbeiter nehmen zu. Der PSA-Konzern, die Opel-Direktion und die Gewerkschaften arbeiten eng zusammen und setzen die Rationalisierungspläne rücksichtslos durch. Für die Arbeiter bedeutet das Stellenstreichungen, Werksschließungen, Kurzarbeit, Lohnverzicht und eine gnadenlose Verschärfung der Arbeitshetze.

Schichtwechsel in Rüsselsheim

Am Dienstag, 8. Mai, sprachen WSWS-Reporter in Rüsselsheim während des Schichtwechsels mit Opel-Arbeitern. Seit Wochen werden im Stammwerk immer mehr Leiharbeiter entlassen und teilweise durch Kollegen aus Eisenach und dem polnischen Gliwice ersetzt.

Das „Autoarbeiter Info“ mit, mit dem Artikel „Wie die IG Metall die Verteidigung der Arbeitsplätze sabotiert“ stieß auf großes Interesse. Viele Arbeiter sind wütend. Ein Leiharbeiter aus Polen, der seit drei Jahren bei Opel ist, kommentiert die Kündigungen der Leiharbeiter mit drastischen Worten und fügte dann hinzu: „Aber die IG Metall verteidigt uns ja nicht.“

In der Tat haben Gesamtbetriebsrat und IG Metall im Rahmen des Sanierungsprogramms „Pace“ zugestimmt, dass die Leiharbeiter massenhaft gekündigt werden. So sollen Arbeitsplätze abgebaut werden, um dem Ziel näher zu kommen, jährlich bis zu 1,7 Milliarden Euro einzusparen. Zum Jahresanfang gab es noch etwa 700 Leiharbeiter in Rüsselsheim, aber von ihnen ist nur noch etwa ein Drittel im Werk.

Dijhan

Djihan, ein Leiharbeiter in Rüsselsheim, sagte: „Wir haben jeden Tag Angst, dass auch wir die Kündigung bekommen.“ Er arbeitet schon seit drei Jahren bei Opel als Leiharbeiter, ohne dass man ihm einen festen Vertrag angeboten hätte. „So geht es vielen: Es gibt keine Übernahmen mehr. Opel müsste uns normalerweise schon längst fest einstellen.“

Tatsächlich müssten Djihan und viele andere Leiharbeiter längst zur Opel-Belegschaft gehören. Laut dem neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) von 2017 dürfen Leiharbeiter nur noch maximal 18 Monate in einem Betrieb arbeiten. Wir trafen gleich mehrere Kollegen, die schon deutlich länger bei Opel beschäftigt sind und doch nicht übernommen worden sind. Zu Öffnungsklauseln und betrieblichen Ausnahmen, die einen solchen Missbrauch möglich machen, hat der Betriebsrat Ja und Amen gesagt.

Ein anderer Leiharbeiter, der ebenfalls schon seit drei Jahren bei Opel arbeitet, berichtet: „Wir leisten genau die gleiche Arbeit wie die Festangestellten, aber wir haben nicht ihre Sicherheit und nicht ihre Tarifleistungen, zum Beispiel kein Weihnachtsgeld und kein Urlaubsgeld.“ Er fügt hinzu: „Als Leiharbeiter bist du Verfügungsmasse. Sie stopfen dich rein, wo es gerade nötig ist, und können dich jederzeit wieder loswerden.“

Viele Arbeiter aus Eisenach sind zurzeit in Rüsselsheim beschäftigt. Zwei junge Arbeiter kommen herbei und sagen: „Wir können die Eisenacher gut verstehen, dass sie [am 24. April] auf die Straße gegangen sind. Wir sind selbst aus Eisenach. Wir sind eigentlich alle fest eingestellt, aber jetzt haben sie uns zum Arbeiten nach Rüsselsheim versetzt, und keiner weiß, wie das alles weitergehen soll.“

„Schlimm, was sie mit Eisenach machen“, sagt ein älterer Opel-Arbeiter. „Aber die IG Metall ist auch nicht das Wahre, die machen ja alles mit.“ So wie er sind viele mit Betriebsrat und IG Metall unzufrieden.

Heiner, ein langjähriger Opel-Arbeiter, ist zum Beispiel schon vor fünf Jahren aus der IG Metall ausgetreten. Er sagt: „Die IG Metall setzt sich nicht für die Leute ein. Ich habe das oft mit Kollegen erlebt. Gerade wenn es ältere Mitarbeiter sind: Die sollen immer noch schneller werden, auch wenn sie das gar nicht schaffen. Wer auf einen andern Arbeitsplatz wechseln möchte, stellt fest, dass der Betriebsrat so gut wie nicht präsent ist. Das kann sehr frustrierend sein. Es ist meinem Kollegen passiert. Er hat mit 60 die Konsequenzen gezogen und sich für Altersteilzeit entschieden. Dadurch wird aber seine Rente geringer.“

„Ich bin nicht der einzige, der aus der IG Metall ausgetreten ist“, fährt Heiner fort. „Einer war 40 Jahre lang Mitglied in der IG Metall, der ist jetzt auch ausgetreten.“ Er habe sich gewundert, warum nicht einmal jemand vorbeigekommen sei, um nach den Gründen für den Austritt zu fragen.

Im Gespräch darüber, dass die Rechtswende der Gewerkschaften weltweit stattfindet, in einigen Ländern Arbeiter offen dagegen rebellieren und, dass es notwendig sei eine internationale sozialistische Partei aufzubauen, sagt Heiner, er kenne die politische Richtung der WSWS, und dass sie gegen Krieg sei und für die Flüchtlinge eintrete. „Das ist auf jeden Fall richtig. Schreiben Sie das: Deutsche Arbeiter müssen die Flüchtlinge verteidigen. Es ist eine Schweinerei, was man mit ihnen macht.“

Kumal

Um die Personalkosten rasch zu senken und besonders viele gut bezahlte Mitarbeiter loszuwerden, haben Direktion und Betriebsrat ein aggressives Programm von Altersteilzeit, Vorruhestand und Abfindungen aufgelegt. Damit zerstören sie Arbeitsplätze, die für die junge Generation wichtig wären.

Kumal ist einer der Arbeiter, welche die Abfindung angenommen haben. Er hält im Auto an und sagt, er komme gerade von einem Termin, bei dem er die letzte Unterschrift unter seine Papiere erhalten habe. „Jetzt ist es fest“, sagte Kumal. Er setzte hinzu, es komme ihm vor wie die große Freiheit.

Mit IG Metall und Betriebsrat ist Kumal sehr unzufrieden. Er berichtet, er habe 28 Jahre lang bei Opel gearbeitet und sei immer IG Metall-Mitglied gewesen. „Jeden Monat habe ich meinen Beitrag gezahlt, und am Warnstreik habe ich meine ganze Familie mit ans Tor gebracht.“ Dann erzählt er, dass er vor mehreren Jahren eine fristlose Kündigung erhalten habe. „Ich ging damit zum Betriebsrat, damals war das noch der alte Vorsitzende, der Klaus Franz. Ich sagte zu ihm: ‚Mach was! Ich habe Kinder, muss Miete und alles bezahlen. Allein für mein Auto brauche ich 300 Euro im Monat. Jetzt wollen sie mich rausschmeißen.‘

Da sagte der Franz zu mir: ‚Du bist nicht der einzige, der gekündigt wurde‘.“ In dem Moment sei ihm klargeworden, so Kumal weiter, dass der Betriebsrat die Entlassungen mit beschlossen habe. Als er später wieder im Werk arbeitete, sei er nicht mehr zu den Betriebsversammlungen hingegangen. „Von den IG-Metall-Betriebsräten habe ich zu viele Lügen gehört. Von denen macht sich jeder nur seine eigene Tasche und seinen Bauch voll.“

Ein Opel-Arbeiter sagt: „Wir erfahren hier als letzte, was im Sanierungsplan wirklich drinsteht. Alles wird hinter verschlossenen Türen verhandelt und beschlossen, und dann setzt uns der Betriebsrat vor vollendete Tatsachen.“ Ein anderer Arbeiter, der den Handzettel beim Vorbeigehen mitnimmt, möchte nichts sagen und begründet das mit der Bemerkung: „Mir reicht‘s. Ich habe schon die Schließung in Bochum hinter mir.“

Andere bleiben stehen und kommentieren auch die politische Lage, wie Giulietto, der sich große Sorgen über die Kriegsentwicklung macht. Er weist auf die Bombenanschläge auf Syrien vor kurzem hin und sagt: „Die USA und andere Großmächte haben Damaskus bombardiert. Davor hat man uns erzählt, die syrische Regierung habe Giftgas eingesetzt, aber das war eine Lüge.“

Man könne „überhaupt nichts glauben, was in den Zeitungen steht“, fährt Giulietto fort. Man müsse sich fragen: „Was ist daran demokratisch, wenn Journalisten, die die Wahrheit sagen, zum Schweigen gebracht werden? Die Wahrheit ist für die Herrschenden bitter und gefährlich. Sie sagen uns: Ihr lebt in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat, aber das stimmt vorne und hinten nicht.“ Man müsse selbst die Augen aufmachen und sich fragen, ob das, was die Medien schreiben, überhaupt stimmen könne. „Ein großer Teil der Nachrichten ist manipuliert, und das bringt die Menschen in Verwirrung.“

Giulietto kam vor dreißig Jahren aus Italien nach Deutschland und arbeitet seither bei Opel in Rüsselsheim, zuletzt in der Qualitätskontrolle. Er sei dem Betriebsrat gegenüber sehr kritisch eingestellt, sagte der Arbeiter. „Die sitzen doch mit im Aufsichtsrat und spielen eine wichtige Rolle im Sinn des Unternehmens.“ Er erinnerte daran, dass man den früheren Betriebsratschef Klaus Franz „sogar den ‚Mister Opel‘ nannte – das war kein Zufall. Die meisten Arbeiter bezahlen jeden Monat die Gewerkschaftsbeiträge, aber was haben sie davon? Was da in der letzten Zeit bei Opel abläuft, was das Management und der Betriebsrat da zusammen organisieren, das ist nicht in Ordnung.“