Eine Antwort an einen Verfechter des „iranischen islamischen Sozialismus“

Der Kampf gegen den Imperialismus und für die Arbeitermacht im Iran – Teil 2

Dies ist der zweite Teil einer dreiteiligen Entgegnung auf die Kritik des iranischen Journalisten Ramin Mazaheri. Mazaheri hatte die Berichterstattung der WSWS und ihre Unterstützung für den Ausbruch sozialer Wut in der Arbeiterklasse gegen das bürgerlich-klerikale Regime im Iran zu Beginn des Jahres kritisiert. Der erste Teil ist hier veröffentlicht. Auf Englisch ist die komplette Serie bereits im Februar erschienen und kann hier abgerufen werden.

Die Tudeh-Partei und die Klassendynamik der iranischen Revolution

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass Mazaheri in seinem zweiten Blog die Tudeh-Partei mit keinem Wort erwähnt, obwohl er sich abfällig über unser Argument geäußert hatte, dass der Iran eine lange säkulare sozialistische Tradition habe und die Tudeh-Partei starke Wurzeln in der Arbeiterklasse hatte.

Im Rahmen dieser Antwort auf Mazaheri können wir nicht im Detail auf die Geschichte der Tudeh-Partei und ihrer Vorläuferorganisation, der Kommunistischen Partei Persiens (Iran) eingehen. Allerdings lässt sich die Geschichte des Iran im 20. Jahrhundert nicht ernsthaft erörtern, ohne die Rolle dieser Partei und die Auswirkungen der russischen Revolutionen von 1905 und 1917 auf den Iran zu untersuchen.

Die ersten iranischen Arbeiter, die für den revolutionären Sozialismus gewonnen wurden, waren Migranten, die als Arbeiter in Russland, vor allem in Baku, dem Zentrum der Ölproduktion im Zarenreich, mit den Bolschewiki in Kontakt kamen.

Beide russische Revolutionen, 1905 und 1917, übten einen großen Einfluss auf die innenpolitische Entwicklung im Iran aus. 1905 endete die Revolution zwar in einer Niederlage, doch ihr prägendes Merkmal war bereits, ebenso wie 1917, die revolutionäre Energie und Initiative der noch jungen Arbeiterklasse.

Die Revolution von 1905 gab der Demokratischen und Konstitutionellen Revolution im Iran einen starken Anstoß. Die Arbeiterklasse, die noch am Anfang ihrer Entwicklung stand, und Irans neugegründete Sozialdemokratische Partei spielten dabei eine wichtige Rolle. Die Aufgaben, die sich der Revolution objektiv stellten – Befreiung des Irans vom Joch des britischen und russischen Imperialismus, Sturz der Monarchie, Trennung von Kirche und Staat, Beseitigung der feudalen Beziehungen auf dem Land –, überstiegen die revolutionären Fähigkeiten der iranischen Bourgeoisie bei weitem. Von 1906 bis 1921 erlebte der Iran eine Reihe von Unruhen; damals stationierten zuerst der russische Zar und dann die britischen Imperialisten Truppen, um die wacklige Qajar-Dynastie an der Macht zu halten und den Bestand der „Ungleichen Verträge“, durch die sie wirtschaftlich und politisch das Land dominierten, zu sichern und ihre Geltungsdauer zu verlängern.

1919 übte der Erzimperialist Lord Curzon starken Druck auf Teheran aus, einen neuen Anglo-Iranischen Vertrag zu akzeptieren, durch den der Iran in einen Vasallenstaat des britischen Empire verwandelt und zu einer Basis für Militäroperationen gegen das revolutionäre Russland werden sollte. Die Bolschewiki, die den „Ungleichen Vertrag“ Russlands mit Persien von 1907 bereits aufgekündigt hatten, nahmen mit den iranischen revolutionären Sozialisten über das von Sowjets kontrollierte Baku Kontakt auf, um Einfluss auf die nationalistische Jangli-Revolte im Iran zu gewinnen und von ihr Unterstützung zu erhalten, und entsandten eine kleine Militäreinheit in den Nordiran.

Die Briten übten lange Zeit die Kontrolle über Irans Ölreichtum aus. Doch schon bald kamen sie zu dem Schluss, dass der Anglo-Iranische Vertrag ein Fehler gewesen sei, und verzichteten auf seine Umsetzung. Der Vertrag hatte nicht nur unter fast allen Fraktionen der herrschenden iranischen Elite Widerstand gegen die britische Dominanz entfacht. Auch die Sympathien der Iraner für die Bolschewiki wuchsen ständig. Die Bolschewiki, so ein hoher Funktionär des britischen Imperiums, „waren in den Augen der Iraner nicht schlimmer und könnten viel besser sein, falls sie ihre Versprechen, den unterdrückten Klassen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ehrlich meinten.“ [5]

Im Juni 1920 gegründet, gehörte die Kommunistische Partei des Iran zu den ersten kommunistischen Parteien in Asien. Sie rief schon bald den ersten Gewerkschaftsverband mit etwa 15.000 Mitgliedern ins Leben. Die Debatten auf ihrem Gründungskongress drehten sich um entscheidende Fragen der revolutionären Perspektive: Welche Rolle soll die Arbeiterklasse im antiimperialistischen Kampf und der bürgerlich-demokratischen Revolution spielen, in welchem Verhältnis stehen demokratische und sozialistische Revolution in der Epoche des Imperialismus und der Sowjetmacht.

Die Tragik bestand darin, dass die Kommunistische Internationale (KI) zu einem Instrument der stalinistischen Bürokratie wurde, noch bevor genügend Klarheit in diesen Fragen erreicht werden konnte. Die KI erklärte die „permanente Revolution“ zur Kardinalsünde. Sie zwang der iranischen KP und auch den Kommunistischen Parteien in Asien, Afrika und Lateinamerika die menschewistisch-stalinistische „Zwei-Stufen-Theorie“ auf, welche die Arbeiterklasse und revolutionäre Sozialisten auf die Rolle „linker“ Verbündeter der so genannten bürgerlichen Führer der demokratischen Revolution beschränkt.

Gut ein halbes Jahr nach Gründung der iranischen KP putschte General Reza Pahlavi und setzte Sayyed Ziya Tabatabai als neuen Premierminister ein. Die britische Botschaft beschrieb ihn als „bekannt für seine Anglophilie“. Reza Pahlavi präsentierte sich als starker Mann, der den Bolschewismus vernichten könne, und gewann so 1921 die Unterstützung der Briten und der iranischen Großgrundbesitzer- und Händlereliten für seinen Putsch und 1925 für seine Ernennung zum Schah. Reza Pahlavi ging rücksichtslos gegen die junge und unerfahrene Kommunistische Partei vor und verbot alle Gewerkschaften.

Nachfolgerin der Kommunistischen Partei Persiens wurde die 1941 gegründete Hizb-i Tudeh-I Iran (Partei der iranischen Massen, Tudeh-Partei). Es herrscht weitgehend Einigkeit, dass sie die erste politische Massenpartei des Iran war. 1945 zählte sie Zehntausende Mitglieder aus der Arbeiterklasse und war im Gewerkschaftsverband CCFTU, der mehr als 275.000 Mitglieder zählte, die führende Kraft.

Das anfängliche Wachstum der Tudeh-Partei wurde durch die Besetzung des Irans durch Alliierte Armeen sicherlich begünstigt (die Rote Armee hielt den Norden und die britische den Süden in einer abgestimmten Operation besetzt, die den nazifreundlichen Reza Schah zu Fall brachte. Ersetzt wurde er durch seinen Sohn, Mohammad Reza Pahlavi, um die Versorgungswege der Alliierten zur UdSSR und die fortgesetzte britische Kontrolle über Irans Öl zu gewährleisten.)

Doch die Unterstützung der Massen für die Tudeh-Partei war aufrichtig. Sie identifizierten die Partei mit Antiimperialismus, Sozialismus und der Oktoberrevolution. Ihr Einfluss im ganzen Land wuchs rasch, auch im britisch besetzten Süden und in Abadan, dem Sitz der Anglo-Iranian Oil Company (später British Petroleum). Bald nach Kriegsende spielte die Partei plötzlich die führende Rolle in einer breiten Streikbewegung. Der CCFTU rief in den ersten neun Monaten von 1946 über 160 Mal zu Streiks auf, u. a. die Textil-, Hafen- und Bergarbeiter sowie die Busfahrer in Teheran. Die größte Streikbewegung war der Generalstreik in Khusistan (in dieser Provinz liegt Abadan) mit 65.000 Teilnehmern, bis heute der größte Arbeitskampf im Nahen Osten.

Die Tudeh-Partei war vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Putsch im August 1953, einer Periode hartnäckiger politischer und sozialer Krise im Iran, ein potentieller Anwärter auf die politische Macht. Erst der Putsch besiegelte die Alleinherrschaft des Schahs und des US-Imperialismus über den Iran. Doch schon mit Gründung der Partei sagten sich die Stalinisten von der Perspektive der sozialistischen Revolution los. Die Tudeh bezeichnete sich selbst als „patriotisch-demokratische Einheitsfront“, nicht als revolutionäre Arbeiterpartei. Ein Leitartikel in ihrer Tageszeitung bekräftigte die Unterstützung der Partei für die aus der Revolution von 1906 hervorgegangene bürgerliche Verfassung, die eine konstitutionelle Monarchie vorsah: „Warum? Weil wir glauben, dass der Kommunismus eine Ideologie für soziale Verhältnisse ist, wie sie im Iran nicht existieren. Eine kommunistische Partei wird in unserem Land keine Wurzeln schlagen können.“ [6]

1949 nutzte der Schah einen gescheiterten Mordanschlag als Vorwand für ein Verbot der Tudeh und des CCFTU. Er festigte seine Machtstellung und erhob Anspruch auf herrschaftliche Besitzungen, die er 1941 an den Staat hatte abtreten müssen. Doch damit hatte er den Bogen überspannt. Die massenhafte Opposition gegen die Monarchie und den Imperialismus meldete sich zurück, als er vorschlug, Großbritanniens Kontrolle über die iranische Ölindustrie gegen eine geringfügige Anhebung der Lizenzgebühren auszuweiten.

Unter der Führung von Dr. Mohammad Mossadegh und seiner bürgerlichen Nationalen Front entwickelte sich schon bald eine Massenbewegung für die Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie. 1951 wurde Mossadegh das Amt des Premierministers angetragen, nachdem sich die Tudeh-Partei als ernstzunehmende politische Kraft zurückgemeldet hatte. In Khusistan hatte sie eine Generalstreikbewegung und in anderen Städten Sympathiestreiks angeführt und damit der politischen Elite des Landes Angst und Schrecken eingejagt.

Mossadegh suchte mehrmals die Unterstützung der Arbeiterklasse, um die Verstaatlichung der Anglo-Persian Oil Company durchzusetzen und den britischen und amerikanischen Versuchen entgegenzutreten, den Iran durch die Erschwerung iranischer Ölexporte in die Knie zu zwingen. 1952 beispielsweise trat er wegen ernsthafter Differenzen mit dem Schah als Premierminister zurück. Doch nach fünf Tagen mit Streiks, Demonstrationen und blutigen Zusammenstößen, bei denen die von der Tudeh und den Tudeh-geführten Gewerkschaften mobilisierte Arbeiterklasse die Hauptrolle spielte, wurde er wieder als Premierminister eingesetzt.

Während Mossadegh die Unterstützung der Tudeh-Partei nutzte, um Druck auf den Schah und die Briten auszuüben, war er sich der potenziellen Gefahr von links völlig bewusst. Seine gesamte Amtszeit über weigerte er sich, das Verbot der Tudeh-Partei und des CCFTU offiziell aufzuheben; gleichzeitig suchte er mit politischen Manövern die Unterstützung der USA zu gewinnen. Im Oktober 1951 appellierte er öffentlich an die USA, im Konflikt des Iran mit Großbritannien zu vermitteln. Und hinter den Kulissen vertrat er weiterhin die Meinung, dass der US-Imperialismus profitieren würde, wenn der Iran das britische Monopol über das Öl im Persischen Golf aufheben würde.

Mossadegh mit US-Präsident Truman im Jahr 1951. Als der Führer der Nationalen Front den Einfluss Großbritanniens über das iranische Öl am Persischen Golf herausforderte, suchte er die Unterstützung Washingtons.

Mossadegh hatte keine andere Wahl, als dem Schah die Stirn zu bieten, der in den imperialistischen Intrigen gegen seine Regierung zur zentralen Figur wurde. Doch er war bestrebt, die Unterstützung für die Verstaatlichung in der Bevölkerung im Zaum zu halten. Selbst Großgrundbesitzer, lehnte er eine Landreform ab und trat Forderungen nach Abschaffung der Monarchie entgegen. Die Stalinisten bestanden dennoch darauf, dass die Arbeiterklasse sich politisch Mossadegh und der nationalen Bourgeoisie unterordnen müsse.

Iranische Nationalisten erheben gegen die Tudeh seit Langem den Vorwurf, dass sie gegen den von der CIA unterstützten Putsch im August 1953 nicht sofort Widerstand in der

Arbeiterklasse mobilisiert habe. Dies war sicher ein Fehler, und der Kader der stalinistischen Partei hat einen hohen Preis dafür bezahlt. Die Kritiker übersehen allerdings, dass Mossadegh, der eine radikalere Entwicklung befürchtete, selbst die Armee zu Hilfe rief, und zwar auf Geheiß Washingtons. Die Passivität der Stalinisten angesichts des Putsches ergab sich aus ihrer Verwirrung und Desorganisation, weil sie auf den scharfen Rechtsruck ihres bürgerlichen Verbündeten nicht vorbereitet waren.

Der Historiker Ervand Abrahamian hat dargelegt, dass Mossadegh am 16. August 1953 einen Putschversuch von royalistischen Offizieren, der die Unterstützung der CIA und des britischen Geheimdiensts MI 6 hatte, dank einem Hinweis der Tudeh-Partei überlebte. Am Tag danach floh der Schah aus dem Iran, die „Nationale Front bildete einen Ausschuss, um über die Monarchie zu entscheiden, und Tudeh-Anhänger strömten in Massen auf die Straßen“ und besetzten in einigen Provinzstädten öffentliche Gebäude.

„Am nächsten Morgen, nach einem schicksalhaften Gespräch mit dem amerikanischen Botschafter, der ihm Hilfe zusagte, falls Recht und Ordnung wiederhergestellt würden, wies Mossadegh die Armee an, die Straßen von allen Demonstranten zu räumen. Die Ironie wollte es, dass Mossadegh das Militär, seinen einstigen Feind, einsetzen wollte, um die Massen, die seine Hauptstütze waren, niederzuwerfen.

„Es überrascht nicht, dass das Militär die Gelegenheit nutzte, gegen Mossadegh loszuschlagen. Am 19. August, die Tudeh hatte Mossadeghs Schlag gegen sie noch nicht wirklich realisiert, ließ [General] Zahedi den Amtssitz des Premiers mit 35 Sherman-Panzern umstellen. Nach neunstündigem Gefecht wurde Mossadegh gefangengenommen.“ [7]

Am 16. August 1953 strömten Menschenmassen in die Straßen von Teheran, nachdem ein britisch-amerikanisch unterstützter royalistischer Putschversuch gescheitert war. Erschrocken über die radikale Richtung, die die Ereignisse nahmen, forderte der Premierminister der Nationalen Front, Mossadegh, die Armee auf, die Straßen zu räumen.

Wie verhielt sich der schiitische Klerus bzw. die Ulema (die Religionsgelehrten des Islam), die Mazaheri als führende Kraft im Kampf gegen den Imperialismus anpreist? Welche Rolle spielten sie damals? Sie bezogen Position aufseiten Londons, Washingtons und des Schahs. Der mächtigste Kleriker im Iran, Ajatollah Borujedi – der nicht zufällig fast zwanzig Jahre lang Khomeinis wichtigster Mentor war – unterstützte den Schah und Irans halbfeudale Struktur durch eine politisch abstinente Haltung, die er auch der Ulema als Ganzer aufzwingen wollte.

Der bedeutendste Kleriker Teherans, Ajatollah Behbehani, unterstützte den Putsch derart offen, dass die CIA-Gelder, die imVorfeld des Putsches an den Basar flossen, den Beinamen „Behbehani-Dollars” erhielten. Ajatollah Kashani, der von den der Nationalen Front nahestehenden Mullahs der bekannteste war, brach in den Monaten vor dem Putsch öffentlich mit Mossadegh, und seine engsten Unterstützer im Parlament beschuldigten den Premier, ein Sozialist zu sein, der das Privateigentum in Frage stelle.

In der Folgezeit des Putsches gingen die Stalinisten weiter nach rechts und orientierten sich immer ungenierter an der zahmen bürgerlich-liberalen Opposition zum Schah, vor allem an der Nationalen Front. Gegen Ende der 1960er Jahre suchten sie sogar Verbündete unter den unzufriedenen Elementen der Diktatur. Darunter befand sich, eine Schändlichkeit ohnegleichen, ein ehemaliger hoher SAVAK-Funktionär, der für die Unterdrückungsmaßnahmen in Teheran nach dem Putsch von 1953 verantwortlich war.

1976 schrieb der Sekretär des Zentralkomitees der Tudeh, Nourredin Kianuri, die Partei sollte in ihre „demokratische Front“ auch die „Großbourgeoisie“ aufnehmen, und müsse im „antiimperialistischen und demokratischen Stadium” bereit sein, sich mit „sozialen Kräften zu verbünden … die weit von der Linken, ja sogar von jeglichem demokratischen Anspruch entfernt sind.“ [8]

Das Regime des Schahs stützte sich auf einen riesigen und grausamen Sicherheitsapparat. Doch die Tudeh-Partei war zu einer wirksamen Untergrundarbeit vor allem deshalb unfähig, weil sie sich politisch nicht der Arbeiterklasse, sondern der iranischen Kleinbourgeoisie und Bourgeoisie zuwandte.

Trotz all dem suchten die stalinistischen Bürokratien der Sowjetunion und Chinas enge wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen mit dem monarchisch-diktatorischen Schah-Regime aufzubauen.

Die Tudeh-Partei hatte sich dermaßen diskreditiert, dass ab Mitte der 1960er Jahre radikal gesinnte Studenten gegen sie rebellierten und sich dem „bewaffneten Kampf“, also dem individuellen Terror zuwandten, der die Massen aufrütteln sollte. Doch sie lieferten damit dem Regime nur neue Vorwände für seine Unterdrückungsmaßnahmen und gingen dem Kampf, die Arbeiterklasse politisch zu erziehen und zu mobilisieren, aus dem Weg.

Organisationen wie die Volksmudschahedin blieben trotz aller Kritik an der Tudeh stark unter dem Einfluss des Stalinismus (die maoistische Variante inbegriffen), vor allem, was das angeblich progressive Potential der nationalen Bourgeoisie angeht. Ähnlich der Tudeh wurden auch sie von der Explosion des Widerstands der Massen gegen die Herrschaft des Schahs 1978 überrascht, und leisteten Illusionen in Khomeini Vorschub.

Das Fehlen einer politischen Führung in der Arbeiterklasse, das ein Ergebnis von Verrätereien der stalinistischen Tudeh-Partei über Jahrzehnte war, machte es Khomeini möglich, als konsequentester Gegner des Schahs aufzutreten, und erlaubte es ihm und seinen klerikalen Anhängern, zwischen 1975 und 1979 die Unterstützung von Massen zu gewinnen, vom Basar bis zu den Armen in Stadt und Land.

Zwischen den Basarhändlern und dem schiitischen Klerus im Iran besteht eine Jahrhunderte alte symbiotische Beziehung. Mit dem Steigen des Ölpreises 1973-74, das die Kassen des Schahs füllte, während es gleichzeitig die Inflation anheizte und wirtschaftliche Verwerfungen erzeugte, finanzierte der Basar die Fraktion der Geistlichkeit, deren Führer Khomeini war.

Diese Fraktion bediente sich eines heterodoxen schiitischen Populismus, um die Opposition gegen die monarchistische Diktatur zu sammeln. Die Feindschaft des Basars gegen den Schah steigerte sich noch, als dieser versuchte, wachsenden Zorn in der Bevölkerung über die grassierende Inflation durch Preiskontrollen und eine öffentlichkeitswirksame Kampagne gegen „Profiteure, Betrüger und Hamsterer“ abzulenken. Zehntausenden Basarhändlern, kleinen Ladeninhabern bis hin zu großen Händlern, wurden Geldstrafen auferlegt oder sie wanderten ins Gefängnis.

Die populistischen schiitischen Geistlichen hatten freien Zugang zum ausgedehnten Netz an Moscheen und anderen religiösen Institutionen im Iran. Sie profitierten außerdem davon, dass sich die Geheimpolizei auf die Gefahr von links konzentrierte.

Demonstranten konfrontieren die Sicherheitskräfte des Schahs kurz vor dem Sturz seines blutigen, von den USA unterstützten Regimes.

Anfang 1978 begannen große regierungsfeindliche Proteste, die im Verlauf des Jahres immer breitere Schichten der Bevölkerung elektrisierten, von Universitätsstudenten und anderen kleinbürgerlichen Schichten bis zu den städtischen Armen. Wie bereits erwähnt, war es aber die Welle der Streiks, vor allem der politischen Streiks der Ölarbeiter, die das Schicksal des Schahs endgültig besiegelten.

Mazaheri setzt die Islamische Republik mit der „demokratischen volksnahen“ Erhebung von 1978 und 1979 gleich. Doch in Wirklichkeit waren daran antagonistische Klassenkräfte beteiligt, mit sehr unterschiedlichen Klassenzielen und -bestrebungen.

Irans Arbeiter wollten im Kampf gegen das Schah-Regime elementare demokratische Rechte und soziale Gerechtigkeit erreichen – Arbeitsplätze, Wohnungen, Bildung, Gesundheit, Arbeiterrechte und Land für die Bauern. Diese Forderungen waren objektiv nur durch eine sozialistische Reorganisation der Gesellschaft zu befriedigen.

Dagegen geriet die Bourgeoisie in Konflikt mit dem Schah, weil er den Iran dem US-Imperialismus unterordnete, eine kleine Schicht von eng vernetzten Kapitalisten förderte und den Ölreichtum des Landes plünderte. Damit beschränkte er die Möglichkeiten der Ausbeutung und Bereicherung für sie selbst.

Die Tudeh, die von der revolutionären Erhebung 1978-79 überrascht worden war, trat nach dem Sturz des Schahs im Februar 1979 als entschiedenster Verteidiger von Khomeini hervor und ernannte ihn zum Führer der „national-demokratischen Revolution“. Der damalige Generalsekretär der Tudeh, Kianuri, bezeichnete das Schiitentum als „revolutionäre und progressive Ideologie, die unseren Weg zum Sozialismus nie versperren wird … Daher ist die Mitarbeit unserer Partei nicht taktischer, sondern strategischer Natur.“ [9]

Die Volksmudschahedin, zumindest mehrheitlich ihre Führung, stimmten mit dieser Linie überein und strebten einen Zusammenschluss mit der Tudeh an. Eine „islamistisch-sozialistische“ Gruppe mit großer Gefolgschaft im Kleinbürgertum, nahmen die Volksmudschahedin im Juni 1980 den „bewaffneten Kampf“ gegen das neue Regime auf. 1979 hatten sie Khomeinis „Führung“ der Revolution noch gutgeheißen. Im Oktober 1979 hatten sie gelobt, „die progressive Geistlichkeit und vor allem Seine Hoheit, den Großen Ajatollah Khomeini, immer zu unterstützen.“ [10]

Die Arbeiterklasse selbst wollte ihre unabhängigen Interessen unbedingt geltend machen. Mit Streiks verlieh sie ihren Forderungen Nachdruck, bildete Arbeiterräte in Betrieben und besetzte Fabriken. Diese Ereignisse, zu denen auch Landnahmen durch Bauern gehörten, setzten ein, nachdem politische Streiks und eine bewaffnete Erhebung den Schah gestürzt hatten. Sie weckten bei manchen Kommentatoren Erinnerungen an das Russland von 1917.

Die iranische Revolution von 1979 war eine massive antiimperialistische Erhebung.

Doch die Arbeiterklasse hatte keine marxistische Partei, die mit dem Programm der permanenten Revolution ausgerüstet war. Die politische Dominanz der schiitischen Populisten und die Konsolidierung der Islamischen Republik waren nicht unvermeidlich, sondern die tragische Konsequenz der Verrätereien des Stalinismus.

Dennoch gelang es der Bourgeoisie nur mit Mühe, die sozialen Bestrebungen der iranischen Arbeiterklasse im Zaum zu halten, zu kanalisieren und zu unterdrücken. Erst nach einer Periode scharfer politischer Krisen und dem Einsatz eines reorganisierten Staatsapparates zur Zerschlagung aller unabhängigen Arbeiterorganisationen und linken Parteien konnte das islamistische Regime die bürgerliche Herrschaft stabilisieren.

Zunächst ernannte Khomeini Mehdi Bazargan, den sehr gemäßigten Führer der traditionellen bürgerlichen Opposition zum Schah, zum Premierminister einer Übergangsregierung, die vor allem aus Mitgliedern von Bazargans Befreiungsbewegung und der Nationalen Front bestand. Neun Monate später, im November 1979, entließ er Bazargan und seine Regierungsmannschaft, die mit den USA unbedingt neue Beziehungen anknüpfen wollte und ohnehin das Ende der Revolution anstrebte. Khomeini war aufgebracht, weil Bazargan es ablehnte, dem schiitischen Klerus das enorme politische Gewicht einzuräumen, das der Entwurf einer islamischen Verfassung vorsah. Er erkannte außerdem, dass der Regierung Bazargan die Unterstützung im Volk fehlte, und sie unfähig war, das Drängen der Massen nach entschiedenen sozialen Veränderungen abzuwehren.

Khomeini mit dem ersten Premierminister der Islamischen Republik, Medhi Bazargan. Bazargan leitete die Befreiungsbewegung des Iran, die zusammen mit der Nationalen Front die wichtigsten Säulen der traditionellen bürgerlichen Opposition gegen den Schah bildete.

Währenddessen orientierten sich die Basarhändler immer entschiedener an Khomeini und seinen schiitischen Unterstützern in der Geistlichkeit, die in ihren Augen am besten dafür sorgen konnten, dass die neue politische Ordnung ihren eigenen Klasseninteressen nutzen würde.

Die populistische Version des schiitischen Islam, entwickelt und propagiert von Khomeini, erfüllte mehrere Funktionen. Durch die Verwendung pseudosozialistischer Phrasen und Symbole konnte er an die antiimperialistischen Gefühle und sozioökonomischen Probleme der Massen appellieren und gleichzeitig die Klassenspaltungen in der Anti-Schah-Bewegung vernebeln. Nach der Revolution war dies der Ansatzpunkt für einen zunehmend gewaltsam geführten Angriff auf den „gottlosen“ Marxismus. Und schließlich diente sein Islam der Bourgeoisie als Garantie, dass das neue Regime ihr Eigentum verteidigen werde. O-Ton Khomeini: „Solange es den Islam gibt, wird es das freie Unternehmertum geben.“ [11]

Anfänglich verfolgten Khomeini und seine Unterstützer im schiitischen Klerus, die seit Mitte 1979 in der Islamischen Republikanischen Partei organisiert waren, eine Doppelstrategie. Sie verschärften ihre Repression gegen die Linken und erfüllten andererseits weitverbreitete Forderungen nach Sozialreformen. Doch viele der „radikalen“ Maßnahmen der ersten beiden Jahre der Revolution wurden schon bald verwässert oder zurückgenommen. Bei dieser Rechtswende spielten die „Kontroll“-Institutionen der Regierung, die ausschließlich mit schiitischen Geistlichen besetzt waren und die vom Volk gewählten Majlis ausbremsen sollten, eine führende Rolle. Zwischen 1981 und 1987 lehnte der Wächterrat etwa 100 Gesetzesinitiativen ab, u. a. für eine Landreform, die den Großgrundbesitz beschränkte, Arbeiterrechte erweiterte und progressive Besteuerung vorsah. Sie seien antiislamisch, weil sie Eigentumsrechte verletzten.

Khomeini seinerseits mäßigte seinen schiitischen Populismus. Während er die unterdrückten Massen (mostazafin) erst verherrlicht und erklärt hatte, ein Tag im Leben eines Arbeiters „sei wertvoller als das Leben aller Kapitalisten und Feudalisten zusammengenommen“, hob er nun die Verbindung zum Basar hervor, zur Ulema und der Islamischen Republik. Der Verlust der Unterstützung durch den Basar, warnte er, würde „unvermeidlich zum Sturz der Islamischen Republik führen.“ [12]

Mithilfe geheimdienstlicher Informationen der CIA und des britischen MI-6 verhafteten die iranischen Behörden ab Sommer 1982 massenhaft Kader der Tudeh, und machten unter Folter erzwungene Geständnisse von langjährigen Tudeh-Führern öffentlich. Kianuri und andere mussten nicht nur Spionage im Dienst der Sowjetunion gestehen, man zwang sie auch, den Marxismus als eine ausländische Doktrin zu verurteilen, die die iranische Wirklichkeit nicht erklären könne, und die Überlegenheit des Islam anzuerkennen. Diese öffentliche Zurschaustellung zeigte, dass die Mullahs den Marxismus unverändert hassten und fürchteten. Durch die Erniedrigung der zerschlagenen Tudeh-Führung versuchten sie – vergeblich – den Marxismus zu vernichten.

In seinem Testament bestand Khomeini darauf, dass“ das Privateigentum und der Markt der islamischen „sozialen Gerechtigkeit“ zugrunde lägen. „Während der Islam das Privateigentum schützt, „will“ der Kommunismus „alle Dinge teilen – auch die Frauen und Homosexuelle.“ [13]

Mit Beendigung des Iran-Irak-Kriegs im August 1988 – ein entsetzlicher achtjähriger Konflikt, auf den wir noch ausführlich zu sprechen kommen – und Khomeinis Tod zehn Monate später begann die Islamische Republik, nun unter dem Obersten Führer Ajatollah Khamenei und Präsident Hashemi Rafsanjani, ein „strukturelles Anpassungsprogramm“ Marke IMF umzusetzen, das aus Privatisierungen, Deregulierungen und einer massiven Abwertung des Rial bestand.

Rafsanjanis Nachfolger Mohammad Khatami hielt an diesem politischen Kurs fest und führte ihn noch entschiedener fort. 2004 verkündete die Regierung die „Wiedereröffnung“ der Teheraner Börse, um das Privatisierungsprogramm beschleunigt umzusetzen, erlaubte die Gründung privater Banken und strich den Artikel 44 der Verfassung, der elementare Infrastruktur als staatliche Aufgabe definiert hatte.

Ahmadinejad gewann die Wahl im darauffolgenden Jahr indem er sich auf die Massenopposition gegen wachsende soziale Ungleichheit und grassierende Armut stützte. Doch es war seine Regierung, die die alte Forderung der Bourgeoisie erfüllte, die Subventionierung von Grundnahrungsmitteln und staatlichen Dienstleistungen abzuschaffen, u. a. für Brot, Energie, Elektrizität, medizinische Versorgung und öffentlichen Verkehr.

Heute ist die soziale Ungleichheit im Iran ähnlich stark ausgeprägt wie unter dem Schah. Millionen sind arbeitslos, bei den Jugendlichen sind es etwa 40 Prozent. Nach Angaben des iranischen Ministeriums für Arbeit und Soziales hat die Hälfte aller iranischen Arbeiter unsichere Zeitarbeitsverträge (andere Quellen sprechen von fast 80 Prozent). Ein Bericht, der kürzlich in der Zeitung der Islamischen Revolutionären Garden, Sobhe Sadeq, erschien, kam zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebt. Die World Wealth and Income Database (WID) kommt zu dem Ergebnis (auf Basis von Daten aus 2013), dass das oberste 1 Prozent der Iraner 16.3 Prozent des Volkseinkommens monopolisiert, nur geringfügig weniger, als die untersten 50 Prozent zusammen besitzen. Die obersten 10 Prozent streichen 48.5 Prozent ein, beinahe das Dreifache des Anteils am Volkseinkommen, auf den die ärmste Hälfte der Iraner kommt.

Wird fortgesetzt

Anmerkungen

[5] Zitiert bei Ervand Abrahamian, A History of Modern Iran (Cambridge: Cambridge University Press, 2008), S. 62.

[6] Zitiert bei Ervand Abrahamian, Iran Between Two Revolutions (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1982), S. 285.

[7] Ebd., S. 280.

[8] Zitiert bei Fred Halliday, Iran: Dictatorship and Development (New York: Penguin Books, 1979), S. 230.

[9] “Interview with Tudeh’s Kianuri,” Middle East Research and Information Project.

[10] Zitiert bei Ervand Abrahamian, Radical Islam: The Iranian Mojahedin (London: I. B. Tauris, 1989), S.196.

[11] Zitiert bei Reza Molavi, Oil and Gas Privatization in Iran (Reading, UK: Ithica Press, 2009), S. 80.

[12] Zitiert bei Radical Islam, S. 75.

[13] Zitiert bei Ervand Abrahamian, Khomeinism: Essays on the Islamic Republic (Berkeley: University of California Press, 1993), S. 42.

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