Ein alternder Schwindler geht mit Lügen hausieren

Im Kommentarbereich unter dem letzten Posting auf seinem Blog „permanent-revolution“ hat Alex Steiner eine weitere hysterische Denunziation des Internationalen Komitees, der World Socialist Web Site und der Socialist Equality Party abgeladen.[1] Dieser Ausbruch, der keine Spur eines ernsthaften politischen und theoretischen Arguments enthält, mag allen Anti-Trotzkisten und IKVI-Hassern wie Musik in den Ohren klingen. Aber bei den sehr zahlreichen WSWS-Lesern, die sich mit den politischen Positionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale auseinandersetzen und damit vertraut sind, wird sich Steiner damit nur weiter diskreditieren.

Steiner beginnt seine Schimpftirade mit der Behauptung: „Das sogenannte IKVI hat nichts mit dem Erbe Trotzkis zu tun, außer dass es sich seinen Namen aneignet.“ Und er schließt: „In Wahrheit haben sie diesen Traditionen schon vor Jahrzehnten den Rücken gekehrt, um zu der sterilen Sekte zu werden, die sie heute sind.“

„Vor Jahrzehnten?“ Steiner sollte sich etwas genauer ausdrücken. War es vor drei Jahrzehnten (1985), als die Workers League den Kampf des IKVI gegen Healy und seinen Lakaien Savas Michael anführte? War es vor vier Jahrzehnten (1974), als die Workers League Tim Wohlforth als nationalen Sekretär absetzte? War es vor fünf Jahrzehnten, 1963, als das IKVI sich der von Joseph Hansen eingefädelten prinzipienlosen Wiedervereinigung mit den Pablisten widersetzte, oder war es vor sechs Jahrzehnten, 1953, als James P. Cannon den Offenen Brief gegen Pablo veröffentlichte und die Gründung des Internationalen Komitees bekanntgab?

Nichts deutet darauf hin, dass Steiner über die Implikationen seiner Behauptung nachgedacht hat, dass das IKVI den Trotzkismus „vor Jahrzehnten“ aufgegeben habe. Er hat keine Ahnung, noch schert er sich darum, wohin ihn sein heftiger Subjektivismus führen wird. Wie alle Pragmatiker verfälscht Steiner die Geschichte – auch seine eigene –, sobald es seinen unmittelbaren subjektiven und fraktionellen Bedürfnisse dienlich erscheint.

Steiner war ursprünglich 1971 der Workers League beigetreten. Die Grundlage, auf der er für die Bewegung gewonnen wurde, war der Kampf des Internationalen Komitees gegen die opportunistische Revision des Trotzkismus durch das pablistische Internationale Sekretariat. Unter dem Einfluss des Rechtsrucks, der nach der Antikriegsbewegung unter breiten Teilen der Mittelschicht einsetzte, schied Steiner Ende 1978 aus der Workers League (Vorgängerin der Socialist Equality Party) aus. Aber 1985 nahm er wieder Kontakt zur Workers League auf. Steiner erklärte seine volle Übereinstimmung mit der Kritik der Workers League an Gerry Healys Verfälschung des Marxismus und seiner Kapitulation vor dem pablistischen Opportunismus. Obwohl er sich gegen einen Wiedereintritt in die Workers League entschied, hielt er in den folgenden Jahren engen Kontakt zu ihr bzw. zur SEP.

Als Steiner sich schließlich 1999 erneut um die Mitgliedschaft bewarb, erklärte er in seinem detaillierter Antrag auf Wiederaufnahme, warum er 1985 nicht beigetreten war:

„Ich hatte mich Mitte der 1980er-Jahre in einer neuen beruflichen Laufbahn eingerichtet und war damit ziemlich erfolgreich. Ich war in die Reihen der komfortablen Mittelklasse aufgestiegen, und trotz all meiner Versuche, dies vor mir selbst zu verleugnen, wusste ich: Ich wollte diese Stellung nicht erschüttern.

Obwohl ich in politischer Solidarität mit der Bewegung stand, war mein tägliches Leben weit entfernt von den Anliegen des revolutionären Sozialismus. Ich war Teil der Kultur der New Yorker Mittelklasse.“

Trotz dieses freimütigen Eingeständnisses, wie wohl er sich in der Mittelklasse fühlte, erklärte Steiner, dass ihn die Arbeit der SEP und insbesondere die Gründung der World Socialist Web Site politisch und theoretisch inspiriert habe. Und so schloss er mit dem mitreißenden Bekenntnis:

„Ich bin zu der Einsicht gelangt, dass ich die Rolle eines Teilnehmers am Kampf für den Sozialismus spielen will. Nichts sonst wird mir die Befriedigung verschaffen, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Hierin liegt das wahre Wesen der Freiheit.“

Trotz dieses überschwänglichen Lobs hielt es die SEP aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit Steiners politischem Wankelmut für geboten, ihn von einem übereilten Sprung ins Reich der Freiheit abzuhalten. Sie lehnte seinen Antrag auf Mitgliedschaft ab, hielt die politische Beziehung zu ihm aber aufrecht. Eine weitere notwendige Bemerkung zum Antrag Steiners im Jahr 1999: Alle politischen Positionen, die er jetzt anprangert, waren bereits damals im Programm der SEP enthalten.

Trotz der Ablehnung seiner Antrags schrieb Steiner weiterhin Beiträge für die World Socialist Web Site. Im März 2003 nahm er an einer Konferenz gegen die US-Invasion im Irak teil, die von der Socialist Equality Party einberufen worden war. Im Anschluss an diese Konferenz deutete Steiner erstmals politische Meinungsverschiedenheiten mit der SEP an.

Trotz seiner dröhnenden Beschwörungen der Dialektik ist Steiner nicht in der Lage, eine kohärente Darstellung seiner eigenen politischen Entwicklung zu liefern. Er kommt mit seinen eigenen Widersprüchen nicht zurecht. Steiner kann nicht erklären, warum er, nachdem er 1971 der Workers League beigetreten war, um sich der antimarxistischen Politik der Pablisten und Shachtmanisten zu widersetzen, nun deren Positionen übernimmt. Er regt sich über den „quasi-religiösen Glauben“ der IKVI-Mitglieder auf, „dass sie die einzigen sind“, die „im Namen Trotzkis sprechen“. Diese Überzeugung, so erklärt er, sei ein weiterer Beweis für die „sektiererische“ Abkehr des IK vom Übergangsprogramm Trotzkis aus dem Jahr 1938. Neben vielem anderen scheint Steiner auch vergessen zu haben, was Trotzki in den letzten Absätzen des Übergangsprogramms erklärte: „Außer diesen Kadern [der Vierten Internationale] gibt es auf unserem Planeten keine einzige revolutionäre Tendenz, die dieses Namens würdig wäre.“ So die Worte des „sektiererischen“ Leo Trotzki.

Die politische Entwicklung Steiners erinnert an diejenige von Tim Wohlforth. Kurz nachdem Wohlforth im August 1974 als nationaler Sekretär der Workers League abgesetzt wurde, weil er die politische Sicherheit der Partei und ihrer Mitglieder schwer gefährdet hatte, verließ er die Organisation. Innerhalb weniger Monate schloss er sich wieder der pablistischen Socialist Workers Party an und begann, das Internationale Komitee und die Workers League öffentlich mit subjektiv motivierten Verleumdungen zu überschütten.

1976 verfassten Steiner und ich gemeinsam die Broschüre Die Vierte Internationale und der Renegat Wohlforth, in der wir die wüsten Attacken von Tim Wohlforth auf das Internationale Komitee widerlegten. Eines der Kapitel hieß „Ein alternder Schwindler geht mit Lügen hausieren“. Für Steiner ist die Geschichte, an der er selbst beteiligt war, nur noch Schnee von gestern. Er schleudert nun dem IKVI und der SEP die gleichen Verleumdungen entgegen, wie Wohlforth vor mehr als 40 Jahren. Steiner ist selbst zum alternder Schwindler geworden.

Er kann nicht erklären, wie und warum er alles, woran er einst zu glauben vorgab, mittlerweile ablehnt und anprangert. Doch es gibt eine Erklärung, und sie findet sich in Steiners offenem Eingeständnis von 1999: „Ich war in die Reihen der komfortablen Mittelklasse aufgestiegen, und trotz all meiner Versuche, dies vor mir selbst zu verleugnen, wusste ich: Ich wollte diese Stellung nicht erschüttern. … Ich war Teil der Kultur der New Yorker Mittelklasse.“

Das war er in der Tat. Und er ist es bis heute.

[1] Siehe den Kommentarbereich unter „Karl Marx at 200“ (http://forum.permanent-revolution.org/2018/05/karl-marx-200-years-later.html)

Eine detaillierte Abhandlung der theoretischen und philosophischen Fragen, die mit Steiners politischer Entwicklung und seinem Angriff auf das IKVI zusammenhängen, findet sich in: Die Frankfurter Schule, die Postmoderne und die Politik der Pseudolinken. Eine marxistische Kritik.

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