Macron kündigt weitere Sozialkürzungen an

Trotz des zunehmenden Widerstands in der Bevölkerung, der durch den Privatisierungsbeschluss für die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF ausgelöst wurde, plant der französische Präsident Emmanuel Macron weitere Sozialkürzungen und sucht den Schulterschluss mit der extremen Rechten. Dies war der Inhalt einer Rede, die er vergangenen Mittwoch vor Vertretern der Krankenversicherungen in Montpellier hielt- Ähnlich äußerte er sich während seines anschließenden Besuchs bei dem rechtsextremen Politiker Philippe de Villiers.

Während die Nationalversammlung am Dienstagabend ihre Abstimmung über die Privatisierung der SNCF vorbereitete, veröffentlichte Macron ein Video, in dem er sich verächtlich über Sozialausgaben ausließ. Der 40-Jährige, der durch seine Tätigkeit als Banker in wenigen Jahren zum mehrfachen Millionär wurde, gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Bevölkerung faul sei und sich auf staatliche Hilfe verlasse. Über die Krankenversicherung klagte er: „Wir geben zu viel Geld aus, wir lassen zu, dass sich Leute vor der Verantwortung drücken, wir sind im Reparaturmodus.“ Zudem kritisierte er, Frankreich gebe „irrsinnige Summen“ für Soziales aus, obwohl „die Armen arm bleiben“.

Gleichzeitig erschienen Umfragen, laut denen Macrons Popularität weiter sinkt. Seine Zustimmungswerte liegen nur noch bei 40 Prozent, d.h. er hat die Unterstützung von 19 Prozent der Wähler verloren, die im ersten Wahlgang ihre Stimme für ihn abgegeben haben – was allerdings auch nur 16 Prozent aller Wahlberechtigten waren. Der Stab des Präsidenten im Elysee-Palast erklärte dazu lapidar: „Unsere Basis lässt uns nicht im Stich.“

Am Mittwoch wurde Macron bei seiner Rede ausgebuht, beharrte aber dennoch darauf, seine Pläne um jeden Preis durchzusetzen.

Er forderte drastische Kürzungen: „Wir sollten nicht davon ausgehen, dass die einen an soziale Veränderungen glauben und sich verschulden wollen, und die anderen nicht daran glauben und die Ausgaben kürzen wollen. Die schlechte Nachricht lautet: Sozialausgaben bezahlen Sie und wir.“

Macron erwähnte kurz die massive Wut über die sozialen Bedingungen in der französischen Bevölkerung: „Wir leben in einem Land, in dem demokratische Versprechen oft nicht eingehalten werden, weil wir viele formelle Rechte beibehalten haben, die oft nur auf dem Papier existieren. Das ist der Grund für die derzeitige Empörung in Frankreich. Und trotzdem geben wir mehr von unserem Haushalt für Soziales aus.“

Für den Millionär im Elysée-Palast steht die Lösung für dieses Problem fest: Wenn die Franzosen nicht genügend Dankbarkeit für soziale Wohltaten zeigen, sind weitere Kürzungen angezeigt, um den Reichtum dort zu konzentrieren, wo er es laut den Regeln des Gottesgnadentums sein sollte: an der Spitze. Macron versprach, Frankreich von den Dingen zu „befreien“, die es belasten. Er verglich seine Pläne für eine „tiefe Revolution“ mit der Schaffung der Sozialversicherung durch den Nationalen Widerstandsrat (Conseil national de la Résistance, CNR) im Jahr 1945.

Macrons Rede war eine Reaktion auf die zunehmende Besorgnis in seiner eigenen Partei über den Einbruch seiner Popularität und die wachsenden Streiks bei der Bahn, den Elektrizitätswerken, bei Air France und in ähnlichen Branchen nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa. Einer der Hauptgründe für diese Besorgnis ist, dass die Bahnarbeiter die vom Parlament beschlossene Reform mit überwiegender Mehrheit ablehnen.

Letzte Woche hatten drei von Macrons Beratern – Philippe Aghion, Philippe Martin und Jean Pisani-Ferry –einen zynischen Vorschlag unterbreitet, sein Image zu verbessern. Das entsprechende Memo war teilweise an die Presse durchgesickert. Neben detaillierten Beschreibungen der vorgesehenen Sozialkürzungen wurde darin die Sorge geäußert, Macron erwecke „den Eindruck, als sei ihm die soziale Frage gleichgültig“.

Macrons wollte nun deutlich machen, dass er weder seine Politik ändern noch seinen Ruf als knallharter Sanierer durch eine PR-Kampagne abschwächen wird. Die Verachtung des Präsidenten gegenüber den französischen Wählern ist Ausdruck einer scharfen Rechtswende der gesamten herrschenden Klasse. Sie versucht nicht einmal mehr, den Eindruck zu erwecken, sich in ihrer Politik nach dem Willen der Bevölkerung zu richten.

In Frankreich und ganz Europa bahnt sich eine revolutionäre Situation an. Macron verlässt sich darauf, dass die Gewerkschaften die anhaltenden Streiks gegen die Reform der SNCF und andere Austeritätsmaßnahmen unterdrücken. Allerdings lässt er keinen Raum für Manöver oder Kompromisse, falls die Arbeiter gegen die Gewerkschaftsbürokratie rebellieren, um sich zu verteidigen. Macron bereitet die massive Polizeistaatsmaschinerie, die ihm der Ausnahmezustand beschert hat, für alle Fälle auf eine offene Konfrontation mit der Arbeiterklasse vor.

Macron bekennt sich zwar heuchlerisch zu den Sozialreformen der Gaullisten und Stalinisten aus der Nachkriegszeit, hat sich aber ihre Zerschlagung zum Ziel gesetzt. Das alte Arbeitsrecht wurde 2016 faktisch abgeschafft. Seither dürfen Arbeitgeber mit dem Einverständnis der Gewerkschaften gegen Tarifverträge verstoßen. Auf diese Reform stützt sich Macron auch bei der Privatisierung der SNCF. Daneben sind weitere Kürzungen bei der Sozialhilfe, im Rentensystem und bei anderen grundlegenden Sozialprogrammen geplant.

Diese Programme wurden in ihrer heutigen Form nach dem Zweiten Weltkrieg von den gaullistischen, sozialdemokratischen und stalinistischen Kräften im Nationalen Widerstandsrat geschaffen. Sie sollten Frankreich zu einer „sozialen“ Republik machen und „den großen Wirtschafts- und Finanzaristokratien die Kontrolle über die Wirtschaft entziehen“.

Heute distanziert sich die Bourgeoisie unter Macron offen von den Reformen, die nach der Befreiung vom Vichy-Regime (das mit den Nazis kollaborierte) eingeführt wurden, um einen revolutionären Kampf der Arbeiterklasse unter Führung der Vierten Internationale zu verhindern. Alle staatlichen Institutionen, einschließlich der Gewerkschaftsbürokratie, sind damit beschäftigt, die Kürzungen umzusetzen und die Kämpfe der Arbeiter dagegen zu desorganisieren.

Dies bestätigt den Aufruf der Parti de l’égalité socialiste (Sozialistische Gleichheitspartei) zum Kampf gegen Macron. Die einzige tragfähige Strategie für die Arbeiter ist eine Rebellion gegen die Gewerkschaften und die Bildung unabhängiger Aktionskomitees, um die verschiedenen Kämpfe in Frankreich und ganz Europa zusammenzuschließen und den Weg des Kampfs um die Macht einzuschlagen.

Macron selbst knüpft engere Beziehungen zur extremen Rechten. Nach der Abreise aus Montpellier besuchte er Philippe de Villiers, dem ehemaligen Parteichef des erzreaktionären Rassemblement pour la France (RPF) und Betreiber des Themenparks Puy du Fou.

Im Vorfeld seines Wahlsiegs hatte Macron einige ablehnende Kommentare in der Presse ausgelöst, weil er die Französische Revolution kritisiert und Frankreich einen König empfohlen hatte: „Es gibt eine Lücke im demokratischen Prozess. In der französischen Politik ist diese Lücke das Fehlen des Königs, dessen Tod die französische Bevölkerung meiner Meinung nach im Grunde nicht wollte.“

Nachdem er im April die Königsgräber in der Basilika von St. Denis besucht hatte, betonte Macron letzte Woche seine guten Beziehungen zu dem bekennenden Royalisten de Villiers und erklärte, er habe „lebhafte“ Diskussionen mit ihm geführt. Er fügte jedoch hinzu, de Villiers „verteidigt nicht die gleichen Werte oder Prinzipien wie ich“.

Macrons Berater Bruno Roger-Petit betonte, der Präsident teile grundsätzlich die Ansichten des Monarchisten von der RPF: „Er und Macron haben die gleichen Vorstellungen von der vertikalen Natur der Machtausübung.“ Diese Formulierung bringt Macrons völlige Verachtung gegenüber sozialen und demokratischen Rechten auf den Punkt.

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