Perspektive

Die Türkei-Krise und die Gefahr eines Dritten Weltkriegs

Am Dienstag drohte die Trump-Regierung der Türkei mit einer weiteren Eskalation der US-Wirtschaftssanktionen. Schon jetzt haben diese das Land in eine Wirtschaftskrise getrieben.

Am vergangenen Freitag verdoppelte Washington die US-Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei auf 50 bzw. 20 Prozent. Die Maßnahme führte dazu, dass die türkische Lira mit einem Absturz um 20 Prozent rasant an Wert verlor. Der Kurs der Landeswährung war bereits seit Monaten gesunken. Die Folge ist eine Inflation, die den Lebensstandard der türkischen Arbeiter aushöhlte.

Washington führt damit einen Strafangriff auf seinen einstigen NATO-Verbündeten durch – die Türkei stellt innerhalb des Militärbündnisses zahlenmäßig die zweitgrößten Streitkräfte gleich nach dem US-Militär. Der Vorwand für den Angriff ist die fortgesetzte Inhaftierung des evangelikalen amerikanischen Predigers Andrew Brunson. Dieser war 2016 wegen dem Vorwurf verhaftet worden, er sei ein Komplize der Organisatoren eines fehlgeschlagenen Militärputsches im Juli desselben Jahres, der den Sturz des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan anstrebte.

„Die Regierung wird dabei außerordentlich unnachgiebig bleiben. Der Präsident ist zu 100 Prozent der Überzeugung, dass es seine Pflicht ist, Pastor Brunson nach Hause zu holen. Wenn wir in den nächsten Tagen oder in einer Woche keine Schritte sehen, könnten weitere Maßnahmen ergriffen werden“, erklärte ein hoher Beamter des Weißen Hauses gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Während die öffentliche Stimmungsmache zum Schicksal Brunsons der innenpolitischen Agenda Trumps dient und an seine christliche rechte Basis appelliert, liegen die wahren Motive für die Absicht, die türkische Wirtschaft in die Knie zu zwingen, an anderer Stelle. Washingtons Maßnahmen sind Teil der Versuche des US-Imperialismus, seine eigene Krise durch Handelskriege, Wirtschaftssanktionen und direkte militärische Konfrontationen auf den Rücken seiner Feinde und vermeintlichen Verbündeten zu verlagern.

Der amerikanische Tyrann Trump versucht, jede einzelne Regierung der Welt zu bedrohen und einzuschüchtern, damit sie sich den Interessen der Wall Street und der in den USA ansässigen transnationalen Konzerne beugt.

Im vergangenen Monat verhängten die USA nicht nur Sanktionen gegen die Türkei, die die Lira auf Talfahrt geschickt haben, sondern auch neue Sanktionen gegen den Iran, nachdem Washington das Atomabkommen zwischen dem Iran und den P5+1 (USA, Großbritannien, Frankreich, China, Russland und Deutschland) einseitig aufgekündigt hatte. Die Sanktionen haben zu schweren Belastungen der iranischen Wirtschaft geführt. Im November sollen dann noch weitaus verheerendere Sanktionen gegen iranische Energieexporte und Banken verhängt werden.

Weitere Sanktionen sind zudem gegen Russland gerichtet. In diesem Fall wegen des angeblichen Angriffs mit Nervenkampfstoff auf den ehemaligen russischen Spion Sergej Skripal und dessen Tochter in der britischen Stadt Salisbury. Die russische Regierung von Präsident Wladimir Putin hat jede Beteiligung an der Affäre bestritten und es wurden keinerlei handfeste Beweise vorgelegt, die das Gegenteil belegen. Wie im Fall des Iran steht Russland vor der Aussicht, dass noch in diesem Jahr weitere Sanktionen gegen das Land verhängt werden.

Der russische Premierminister Dmitri Medwedew warnte am vergangenen Freitag, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Blockierung russischer Bankgeschäfte „einer wirtschaftlichen Kriegserklärung gleichkommen“ und nach „einer Antwort mit wirtschaftlichen Mitteln, politischen Mitteln und, wenn nötig, anderen Mitteln“ verlangen würden.

Der Angriff auf die Türkei ist mit den zunehmend aggressiven Maßnahmen der USA gegen Russland und den Iran verbunden. Die Außenpolitik der Regierung Erdogan läuft den geostrategischen Zielen der USA im Nahen Osten und ganz allgemein in Eurasien direkt zuwider.

In Syrien hat Ankara sowohl mit Russland als auch mit dem Iran eine Vereinbarung getroffen, die es der Türkei erlaubt, ihre Interessen entlang der Südgrenze des Landes zu verfolgen. Gleichzeitig steht die Türkei am Rande einer militärischen Konfrontation mit den USA, die die syrisch-kurdische YPG-Miliz als ihre hauptsächlichen Stellvertreterkräfte einsetzen. Die YPG sind mit der türkisch-kurdischen PKK verbunden, gegen die Ankara eine langwierige und blutige Kampagne zur Aufstandsbekämpfung geführt hat.

Unterdessen hat die türkische Regierung Pläne zum Kauf des hochmodernen Raketenabwehrsystems S-400 aus Russland bekannt gegeben, das im nächsten Jahr ausgeliefert werden soll und mit den Raketenabwehrsystemen der NATO nicht kompatibel ist.

Darüber hinaus hat Ankara signalisiert, dass es nicht die Absicht hat, sich an die einseitigen Sanktionen zu halten, die von Washington gegen den Iran, der eine der Hauptquellen der Energieimporte der Türkei ist, verhängt werden. Und wie Trump kürzlich in einem Tweet zu verstehen gab: „Wer mit dem Iran Geschäfte macht, wird KEINE Geschäfte mit den Vereinigten Staaten machen.“

Dieselben internationalen Konflikte, insbesondere der Kurswechsel der Türkei auf engere Beziehungen zu Russland und China, waren auch das Motiv für die Unterstützung der USA und Deutschlands für den gescheiterten Militärputsch gegen Erdogan im Juli 2016, der noch während der Amtszeit Obamas eingeleitet wurde.

Trump und seine Politik der Bedrohung sind keine groteske Verirrung, sondern das authentische Gesicht einer parasitären herrschenden Oligarchie in den USA, die bereit ist, bei der Durchsetzung ihrer Interessen Verbrechen von welthistorischem Ausmaß zu begehen.

Im Falle der Türkei gibt es in Washington zweifellos Planspiele, laut denen es kaum direkte Auswirkungen auf die USA hätte, wenn Washington die krisengeschüttelte Wirtschaft der Türkei in den Abgrund stoßen würde. Mit einem Anteil von nur 0,6 Prozent an den US-Exporten im ersten Halbjahr liegt die Türkei auf Platz 28 der Auslandsmärkte für US-Waren. US-Banken hielten zum Ende des ersten Quartals dieses Jahres nur 38 Milliarden Dollar an türkischen Schulden.

Im Gegensatz dazu haben spanische, französische und italienische Banken der Türkei 83,3 Milliarden Dollar, 38,4 Milliarden Dollar bzw. 17 Milliarden Dollar geliehen.

Die Aussicht darauf, dass die türkische Krise auf die Europäische Union übergreift, ist für den US-Imperialismus, der die EU als strategischen Konkurrenten sieht, nicht unwillkommen. Inzwischen ließ der Zusammenbruch der türkischen Lira die so genannten Schwellenländer erzittern. Die Währungen von Indien bis Mexiko und Südafrika verloren an Wert.

Internationale Ökonomen kommentierten, dass Washington in der Vergangenheit versucht habe, die globalen Märkte zu beruhigen, wenn diese mit ähnlichen Situationen wie der jetzigen Türkei-Krise konfrontiert waren. In der Regel beinhaltete das Vorgehen der USA die Durchsetzung von „Restrukturierungsprogrammen“ des IWF. Dieses Mal, so die Kommentare, habe Washington bewusst daran gearbeitet, die Krise zu verschärfen.

In seiner Analyse der imperialistischen Politik der USA im Jahr 1928 – dem Jahr vor dem Ausbruch der Großen Depression – warnte Leo Trotzki: „Während der Krise wird sich die Hegemonie der Vereinigten Staaten noch viel vollständiger, offener, schärfer und rücksichtsloser auswirken als während der Aufstiegsperiode. Die Vereinigten Staaten werden versuchen, ihre Schwierigkeiten und Krankheiten vorwiegend auf Kosten Europas zu bekämpfen und zu überwinden, ganz gleich, ob in Asien, Kanada, Südamerika, Australien oder Europa selbst, oder ob auf friedlichem oder kriegerischem Wege.“

Ein Jahrzehnt nach dem Ausbruch der letzten globalen Finanzkrise haben sich alle Widersprüche des Profitsystems, die 2008 zum Zusammenbruch des Marktes geführt haben, nur noch verschärft. Der unlösbare Konflikt zwischen der Weltwirtschaft und dem Nationalstaatensystem, der sich durch die Globalisierung der Produktion im Verlauf der letzten drei Jahrzehnten enorm verschärft hat, erzeugt eine neue Vorkriegsperiode, die durch globale Handelskriege, die Auflösung der alten Allianzen nach dem Zweiten Weltkrieg und durch den Aufstieg des Militarismus gekennzeichnet ist.

Die rücksichtslose und zerstörerische Politik des US-Imperialismus bringt eine enormen Anstieg der sozialen Spannungen und des Klassenkampfes auf der ganzen Welt hervor, auch in den Vereinigten Staaten selbst. Darin liegt die einzig tragfähige Antwort auf die wachsende Bedrohung durch Handelskriege und zahlreiche militärische Konflikte auf der ganzen Welt, die einen neuen Weltkrieg auszulösen drohen. Die entscheidende Frage besteht im Aufbau einer internationalen, sozialistischen Antikriegsbewegung, die sich auf die Arbeiterklasse stützt.

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