US-Stahlarbeiter: Einstimmiges Votum für Streik

In den USA zeigte sich letzte Woche am Beispiel der Stahlarbeiter der wachsende Kampfgeist der Arbeiterklasse. In mehreren Stahlwerken stimmten die Belegschaften geschlossen für Streik. In derselben Woche streikten auch 5000 Lehrer im US-Bundesstaat Washington.

Die Gewerkschaft United Steelworkers (USW) hatte zur Streikabstimmung aufgerufen. Allerdings führt die USW gleichzeitig intensive Gespräche mit den Stahlkonzernen US Steel und ArcelorMittal.

Die Gewerkschaft hat zustimmt, die Tarifverträge weiterhin zu respektieren, obwohl diese schon am 1. September ausgelaufen sind. Sie betreffen 31.000 Stahlarbeiter in mehreren Bundesstaaten (15.000 Arbeiter bei US Steel und 16.000 Arbeiter bei ArcelorMittal).

In der vergangenen Woche stimmten von Dienstag, 4. September, bis am Donnerstag in einem Stahlwerk nach dem andern die Arbeiter geschlossen für Streik. Das Unternehmen US Steel scheiterte mit seinem durchsichtigen Versuch, einige Arbeiter durch Bonuszahlungen in Höhe von tausenden US-Dollars zu bestechen.

Als erste stimmten am Dienstag 600 Arbeiter der Eisenerzgrube Minntac im US-Bundestaat Minnesota einstimmig für Streik. Am gleichen Tag sprachen sich auch 400 Arbeiter eines weiteren US-Steel-Betriebs, des Stahlwerks Fairfield (Alabama), für Streik aus.

Am Mittwoch folgte bei den Gary-Werken in Indiana der dritte einstimmige Streikbeschluss. In den Gary-Werken gibt es insgesamt drei zuständige USW-Ortsverbände, und bei einem davon, Local 1066, betrug das Ergebnis 1.055 zu Null bei einigen hundert Enthaltungen. An diesem Tag sprachen sich auch etwa 700 Arbeiter im US-Steel-Werk in Clairton Coke in der Nähe von Pittsburgh (Pennsylvania) geschlossen für einen Streik aus.

Bis zum Donnerstag folgten laut USW noch mehrere weitere Werke von US Steel im ganzen Land, darunter Granite City (Illinois), Portage und East Chicago (Indiana) und die Ervin-Werke und Edgar Thomson (beide Pennsylvania). Überall stimmten die Arbeiter praktisch geschlossen für Streik.

Auf diese Weise drücken die Stahlarbeiter ihre Wut über die beispiellosen Angriffe der Stahlbarone aus.

Im letzten Jahr konnte US Steel einen Bruttogewinn von 1,38 Milliarden Dollar einstreichen, und heute ist der Aktienkurs doppelt so hoch wie vor den Tarifverhandlungen von 2015. Das liegt zum Teil auch an der sprunghaften Erhöhung der Preise für warmgewalzten Stahl auf über 900 Dollar pro Tonne, nachdem die neuen Zölle von US-Präsident Trump im Juni in Kraft getreten sind.

Ein Arbeiter der Gary-Werke sagte zur WSWS: „Ich bin sehr stolz auf alle diese Männer und Frauen, die endlich einmal sagen: Es reicht!“ Der Arbeiter, der seit 23 Jahren in diesem Stahlwerk schuftet, fuhr fort: „Wir sind die Arbeiterklasse, und wir müssen zusammenhalten! Nur so werden Rentner, Arbeiter und auch die zukünftige Generation einmal unabhängig von diesem korrupten System leben können, das uns heute alle unterdrückt.“

Die Entschlossenheit der Arbeiter steht dabei im direkten Gegensatz zu den Interessen der USW. Die Gewerkschaft hat immer wieder erklärt, sie werde alles unternehmen, um einen Streik zu verhindern.

Bei den Gary-Werken waren die Funktionäre wohl „völlig von den Socken“ über das Abstimmungsergebnis, so ein Stahlarbeiter. „Die hätten in einer Million Jahre nicht damit gerechnet, dass so etwas passiert. Ich glaube, sie haben keine Ahnung, was sie jetzt tun sollen. Wahrscheinlich kommen sie uns bald mit der Drohung mit Stellenabbau.“

Bereits im Jahr 2015 nutzte die USW den Stellenabbau als Droh-Keule, um tiefe Einschnitte durchzusetzen. Damals wurden die Gehälter für drei Jahre eingefroren, die Kosten für die Gesundheitsversorgung stiegen an, und eine neue, niedrigere Gehaltsstufe wurde eingeführt. Außerdem wurde ein sogenannter „alternativer Schichtplan“ aufgestellt, der die Arbeiter zwingt, rund um die Uhr unter gefährlichen Bedingungen zu schuften. Damit ist es schwierig, wenn nicht unmöglich geworden, noch Zeit mit der Familie zu verbringen.

Die USW begründete die Einschnitte damals mit dem Argument, dass US Steel gegenüber ausländischen Unternehmen konkurrenzfähig bleiben müsse. Nur so könnten „Arbeitsplätze gerettet“ werden. Zunächst erpresste die USW die Arbeiter, dem Tarifvertrag zuzustimmen, dann organisierten sie dennoch den Abbau von tausenden Stellen.

Die USW hat die jüngste Urabstimmung bei US-Steel durchgeführt, um Dampf abzulassen und unter den Arbeitern ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Allerdings lässt die Gewerkschaft die Arbeiter über den aktuellen Stand der Tarifverhandlungen im Dunkeln. Das alles macht deutlich, dass die USW sich auf einen neuen Verrat vorbereitet.

US Steel hat einen Vertrag vorgeschlagen, der seinesgleichen sucht: Seine Laufzeit soll sieben Jahre betragen. Das Angebot enthält eine Lohnerhöhung von 3,25% im ersten Jahr, 2% im zweiten und 1% im dritten Jahr an, gefolgt von Nullrunden für die verbleibenden vier Jahre. Stattdessen sollen in dieser Zeit jährliche Boni in Form von Pauschalbeträgen von bis zu 5% des Lohnes ausgezahlt werden, sofern die Unternehmens-Erträge den von der Geschäftsführung festgelegten Zielen entsprechen.

Weiterhin möchte das Unternehmen jetzt für neueingestellte Arbeiter eine nochmals verschlechterte Lohnskala einführen, die außerdem geringere Zusatzleistungen, nur einen Bruchteil der Gesundheitsversorgung im Rentenalter und überhaupt keine Überstundenzuschläge mehr vorsieht.

In einer Mitteilung vom 1. September an die Arbeiter, in der die USW die Urabstimmung über den Streik bekanntgab, erklärte sie auch: „Die örtliche Gewerkschaftsleitung wird [nach der Abstimmung] wieder nach Pittsburgh zurückkehren, um das Tarifabkommen abzuschließen, bevor wir einen Streik in Betracht ziehen.“

Am 8. September folgte eine weitere Mitteilung auf der Webseite der Gewerkschaft, dass auch bei ArcelorMittal eine Streikabstimmung stattfinden werde, allerdings nur, wenn es nicht gelinge, „das Unternehmen zur Vernunft zu bringen“.

Die USW hat Jahrzehnte damit verbracht, sich bei den Chefs der Stahlunternehmen lieb Kind zu machen, und ein Streik wäre das letzte, was sie will. Im Jahr 2015 zwang die USW Arbeiter bei US Steel und ArcelorMittal dazu, trotz ausgelaufenem Tarifvertrag weiterzuarbeiten, während sie die Stahlarbeiter, die bei Allegheny Technologies ausgesperrt waren, bewusst isolierte.

Statt gegen die gnadenlosen Angriffe auf Arbeitsplätze und den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen der Stahlarbeiter zu kämpfen, verbreitet die USW seit langer Zeit die Lüge, dass die wahren Feinde der amerikanischen und kanadischen Stahlarbeiter ihre Klassenbrüder und -schwestern in China und in anderen Ländern seien. Sie will damit nicht nur einen weltweit gemeinsamen Kampf der Metallarbeiter verhindern, sondern sie wird die Arbeiter dem schwelenden Handelskrieg und schlussendlich einem neuen Weltkrieg ausliefern.

Von der herrschenden Klasse werden die Gewerkschaftsbürokraten für ihre Verrätereien fürstlich belohnt. So konnte Leo Gerard, USW-Präsident und vehementer Verfechter von Trumps Handelskrieg, im Jahr 2015 satte 213.000 Dollar Gehalt einstreichen. Das Extraeinkommen aus verschiedenen Posten im Co-Management und in Regierungsstellen, sowie Wall Street Papiere, sind darin noch nicht mitgerechnet.

Deshalb müssen die Stahlarbeiter den Kampf gegen die Gewerkschaften und die herrschende Klasse in die eigenen Hände nehmen. Arbeiter in jedem Stahlwerk sollten Komitees aus ihren eigenen Reihen wählen, die sich sowohl von der Direktion als auch von der Gewerkschaft distanzieren. Diese Komitees müssen mit Arbeitern in allen Werken von US Steel und ArcelorMittal Kontakt aufnehmen, um gemeinsame Forderungen im Sinne der Arbeiterklasse zu formulieren.

Wir schlagen folgende Forderungen vor:

• Die Wahl von Repräsentanten aus der Belegschaft, die sämtlichen Tarifverhandlungen beiwohnen, sowie die öffentliche Übertragung der Verhandlungen per Livestream für alle Arbeiter.

• Das Prinzip „Kein Vertrag – keine Arbeit!“ muss wieder gelten, und bei US Steel, ArcelorMittal sowie in der gesamten Stahlindustrie muss unverzüglich die Arbeitsniederlegung vorbereitet werden.

• Flächendeckende Erhöhung der Gehälter um 40%. Abschaffung der verminderten Lohnstufen. Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit mit vollem Lohnausgleich.

• Umfassende Gesundheitsversorgung und Altersvorsorge.

• Volle Kontrolle der Arbeiter über die Produktionsbedingungen, um eine sichere Arbeitsumgebung herzustellen.

Um die Arbeiterklasse zu verteidigen, müssen diese Komitees Kontakt zu Arbeitern aller Branchen in den USA und weltweit aufnehmen und gemeinsam mit UPS-Arbeitern, Postlern, Amazon-Arbeitern, Lehrern und Autoarbeitern, etc. einen Generalstreik vorbereiten.

Diese Gegenoffensive der Arbeitswelt muss mit einer politischen Offensive verbunden werden, um eine Arbeiterregierung mit einem sozialistischen Programm an die Macht zu bringen. Die weltweite Stahlindustrie muss in ein öffentliches Unternehmen umgewandelt werden, das von der Arbeiterklasse gemeinschaftlich und demokratisch geleitet wird.

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