Perspektive

SPD heuchelt Opposition gegen AfD und Maaßen

In der gegenwärtigen Haushaltsdebatte im Bundestag versucht sich die SPD wenig überzeugend als Kritikerin der AfD und des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen darzustellen.

Nachdem der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland die Debatte am Mittwoch mit einer seiner berüchtigten Hetztiraden gegen Flüchtlinge und Linke eröffnet hatte, trat der frühere SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz ans Mikrofon und erklärte: „Die Reduzierung komplexer politischer Sachverhalte auf ein einziges Thema, in der Regel bezogen auf eine Minderheit im Land, ist ein tradiertes Mittel des Faschismus. Das haben wir heute erneut vorgeführt bekommen. Die Migranten sind an allem Schuld.“

Dann fügte er hinzu: „Eine ähnliche Diktion hat es in diesem Hause schon einmal gegeben“ und es sei Zeit, „sich gegen diese Art der rhetorischen Aufrüstung, die am Ende zu einer Enthemmung führt, deren Resultat Gewalttaten auf den Straßen sind, zu wehren.“ Eine frühere Aussage des AfD-Führers, „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, kommentierte Schulz mit den Worten: „Herr Gauland, eine Menge von Vogelschiss ist ein Misthaufen, und auf den gehören Sie in der deutschen Geschichte.“

Schulz‘ Auftritt, der in allen Medien und Nachrichtensendungen prominent berichtet wurde, verfolgt ein durchschaubares Ziel. Nach den rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz, die unter Arbeitern und Jugendlichen in Deutschland und international einen Schock ausgelöst haben und auf massive Opposition stoßen, versuchen Politik und Medien, ihre eigene Verantwortung für das provokative Auftreten der AfD und organisierter Neonazi-Banden zu verschleiern. Pathetisch erhoben sich nach Schulz‘ Ausführungen Vertreter von SPD, Linkspartei und Grünen von ihren Sitzen und auch Abgeordnete von CDU/CSU und FDP klatschten Beifall.

Im Verlauf der Debatte heuchelten führende Politiker nahezu aller etablierten Parteien Entsetzen über die rechtsradikalen Übergriffe in Chemnitz und die AfD. „Nein, es gibt keine Entschuldigung und Begründung für Hetze, zum Teil Anwendung von Gewalt, Naziparolen, Anfeindungen von Menschen, die anders aussehen, die ein jüdisches Restaurant besitzen, Angriffe auf Polizisten“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs dankte in seiner Rede Schulz für dessen „klare Ansage“ und rief den Abgeordneten der AfD zu: „Schauen Sie in den Spiegel, dann sehen Sie, was diese Republik in den 20er- und 30er-Jahren ins Elend geführt hat“. Daraufhin erhob sich die AfD-Fraktion ihrerseits und verließ für einige Minuten geschlossen den Plenarsaal.

All das Gehabe im deutschen Bundestag kann über eine zentrale politische Tatsache nicht hinwegtäuschen. Die AfD wird von der herrschenden Klasse nicht „bekämpft“, sondern bewusst aufgebaut und politisch gefördert. Die Rechtsextremen können nur deshalb so provokativ auftreten, weil die etablierten Parteien de facto die Politik der AfD übernehmen, mit den Rechtsextremen paktieren und ihnen immer größeren Einfluss im Staatsapparat, bei den Sicherheitskräften und in den Parlamenten verschaffen.

Die SPD spielt dabei eine Schlüsselrolle. Mit ihrer Entscheidung, die Große Koalition fortzusetzen, haben die Sozialdemokraten die AfD, obwohl sie bei den Bundestagswahlen im vergangenen Herbst nur 12,6 Prozent der Stimmen erhielt, zur offiziellen Oppositionsführerin gemacht. Nur aus diesem Grund haben Gauland und Co. überhaupt die Möglichkeit, Bundestagsdebatten mit faschistischen Hetzreden zu eröffnen. Auch der AfD-Mann Stephan Brandner verdankt sein Amt als Vorsitzender des politisch bedeutenden Rechtsausschusses des Bundestags der SPD. Es war der sozialdemokratische Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann, der Brandner – ein Vertreter des völkisch-nationalen Flügels der AfD und ein enger Vertrauter des offen rechtsradikalen thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke – zur geheimen Wahl vorgeschlagen hatte.

Am Donnerstag bestätigte Brandner gegenüber der Welt Medienberichte über ein gemeinsames Treffen mit dem Präsidenten des Verfassungsschutzes (BfV) Hans-Georg Maaßen, bei dem es auch über den Verfassungsschutzbericht gegangen sei. „Nach meiner Wahl zum Ausschussvorsitzenden habe ich von Herrn Maaßen einen Brief bekommen, wo drin steht, er würde mich gerne mal kennenlernen zu einem bilateralen Gespräch“, berichtete Brandner. Das Treffen habe dann am 13. Juni in Brandners Büro stattgefunden. Man habe dabei „nicht nur über die Anzahl der islamistischen Gefährder gesprochen, sondern der politischen Gefährder, der Gefährder überhaupt“ und auch „über den Verfassungsschutzbericht“. Über die AfD habe man dagegen „überhaupt nicht gesprochen“.

Was das bedeutet, liegt auf der Hand. Der Verfassungsschutzbericht der Großen Koalition wurde in enger Zusammenarbeit mit der AfD ausgearbeitet. Bereits am Dienstag brüstete sich Gauland damit, dass sich Maaßen mit ihm sogar dreimal zu Gesprächen getroffen habe. Dementsprechend liest sich der Verfassungsschutzbericht. Während die AfD und ihr rechtsextremes Umfeld lediglich als „Opfer“ angeblicher „Linksextremisten“ vorkommen, wird jede Opposition gegen Kapitalismus Nationalismus, Imperialismus und Militarismus als „linksextremistisch“ und „verfassungsfeindlich“ kriminalisiert. Unter anderem wird die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) als „linksextremistische Partei“ und „Beobachtungsobjekt“ angeführt.

All die geheuchelte Kritik der SPD an Maaßen und der AfD kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sozialdemokratie diese Entscheidung nicht nur voll unterstützt, sondern aktiv vorangetrieben hat. Bereits nach den Massenprotesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg im letzten Jahr hatte sich die SPD-Führung an der Hetzkampagne gegen links beteiligt, die ganz gezielt an faschistische Elemente appellierte. So sprach sich etwa der damalige sozialdemokratische Justizminister und heutige Außenminister Heiko Maas für ein „Rock gegen Links“-Konzert aus und forderte die Schaffung einer europäischen Extremistendatei für angebliche Linksradikale.

An der Humboldt-Universität (HU) in Berlin setzt die sozialdemokratische Präsidentin Sabine Kunst den Kampf gegen vermeintlichen „Linksextremismus“ in enger Zusammenarbeit mit der AfD in die Tat um. Nach einer Anfrage des Berliner AfD-Abgeordneten Martin Trefzer verklagte Kunst Ende Juli den RefRat (AStA) der HU, um die vollen Namen sämtlicher Referenten und ihrer Stellvertreter zu erhalten. Die von ihr und der AfD geforderten Listen würden rechtsextremen Kreisen dazu dienen, kritische Studierende einzuschüchtern und zu attackieren. Außderdem will Kunst den rechtsradikalen Humboldt-Professor Jörg Baberowski gegen die wachsende Kritik der Studierenden verteidigen. Baberowski ist eine Galionsfigur der AfD, weil er aggressiv gegen Flüchtlinge hetzt und die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost. Bereits Anfang 2014 hatte er im Spiegel mit seiner Behauptung „Hitler war nicht grausam“ die Aussagen sämtlicher AfD-Politiker in den Schatten gestellt.

Es passt ins Bild, dass sich die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles gestern mit Merkel und Innenminister Horst Seehofer (CSU) darauf geeinigt hat, Maaßen nicht zu entlassen, sondern die Regierungsgeschäfte zumindest vorerst mit dem de facto AfD-Mann an der Spitze des Verfassungsschutzes weiterzuführen. Es sei „ein gutes, ernsthaftes Gespräch mit dem Ziel weiterer Zusammenarbeit“ geführt worden, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Mit anderen Worten: die Große Koalition wird ihren rechten Kurs nun noch weiter verschärfen!

Arbeiter und Jugendliche, die den gefährlichen Entwicklungen in Deutschland ernsthaft entgegentreten wollen, müssen die politischen und historischen Ursachen verstehen. Die Bundestagsdebatte gab Aufschluss darüber, warum der Aufbau und die Stärkung rechtsextremer Kräfte für die herrschende Klasse wieder zum Mittel der Politik werden. In letzter Konsequenz geht es um die gleichen Fragen, die auch in den 1930er Jahren in die Katastrophe führten. Die deutschen Eliten reagieren auf die historische Krise Kapitalismus, die globale Kriegsentwicklung und die wachsenden Spannungen zwischen den Großmächten, indem sie zu einer aggressiven Außenpolitik zurückkehren und massiv aufrüsten.

In der Haushaltsdebatte präsentierte die Große Koalition ein militaristisches Programm, das der Arbeiterklasse letztlich nur durch die Errichtung einer Diktatur aufgezwungen werden kann. Der sozialdemokratische Finanzminister Olaf Scholz begründete seinen Sparhaushalt mit den umfassendsten Aufrüstungs- und Kriegsplänen Deutschlands seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. „Es geht auch um die Sicherheitspolitik. Wir diskutieren hier in diesem Haushalt über die Fragen, die wir miteinander bewegen müssen, damit Entwicklungshilfe und Bundeswehr so aufgestellt sind, dass sie die internationalen Herausforderungen realisieren können.“ Er werde zusätzliche Spielräume „dafür nutzen, dass wir bei der Verteidigung und bei der Entwicklungshilfe auch weitere Verstärkung organisieren.“

Merkel bestätigte die Pläne der Regierung für einen Kampfeinsatz gegen Syrien. „Einfach zu sagen, wir könnten wegsehen, wenn irgendwo Chemiewaffen eingesetzt werden und eine internationale Konvention nicht eingehalten wird“, könne „nicht die Antwort sein“. Und von „vornherein einfach Nein zu sagen, egal was auf der Welt passiert, kann nicht die deutsche Haltung sein, liebe Freundinnen und Freunde.“

Die sogenannten „linken“ Oppositionsparteien im Bundestag stützen die rechte Politik der Großen Koalition. Vertreter der Linkspartei und Grüne stellten sich in ihren Redebeiträgen offen hinter Merkel und zollten ihr und anderen Sprechern der Regierung immer wieder Beifall. Ihre Hauptkritik bestand darin, dass die Regierung ihr eigenes Programm nicht aggressiv genug umsetze. „Nehmen Sie diese Verantwortung endlich wahr! Hängen Sie in jedem Ihrer Ministerzimmer die Überschriften Ihres Koalitionsvertrages aus: ‚Ein neuer Zusammenhalt für unser Land‘, ‚Eine neue Dynamik für Deutschland‘ und ‚Ein neuer Aufbruch für Europa‘. Das ist so dringend notwendig“, rief der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Dietmar Bartsch, am Ende seiner Rede.

Die einzige soziale Kraft, die die Rechtsentwicklung der herrschenden Klasse und all ihrer Parteien stoppen kann, ist die internationale Arbeiterklasse. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) wird in den nächsten Wochen in zahlreichen Städten Veranstaltungen organisieren, um die große Opposition unter Arbeitern und Jugendlichen gegen die rechte Gefahr mit einem sozialistischen Programm zu bewaffnen. Unsere Forderungen lauten:

  • Stoppt die Verschwörung von Großer Koalition, Staatsapparat und Rechtsextremen!
  • Nie wieder Krieg! Stoppt die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Großmachtpolitik!
  • Auflösung des Verfassungsschutzes und sofortige Einstellung der Beobachtung der SGP und anderer linker Organisationen!
  • Verteidigt das Recht auf Asyl! Nein zu staatlicher Aufrüstung und Überwachung!
  • Schluss mit Armut und Ausbeutung – für soziale Gleichheit! Die großen Vermögen, Banken und Konzerne müssen enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.
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