Perspektive

Auswirkungen des amerikanisch-chinesischen Handelskriegs

Angesichts der globalen Finanzkrise vor zehn Jahren schworen führende Vertreter der Großmächte weltweit, nie wieder den Weg des Protektionismus einzuschlagen, der in den 1930er Jahren so verheerende Folgen hatte – er vertiefte die Weltwirtschaftskrise und trug zum Ausbruch des Weltkriegs 1939 bei.

Gestern kündigte US-Präsident Donald Trump Zölle auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar an. Die Washington Post bezeichnete sie als „eine der härtesten wirtschaftlichen Einschränkungen, die je von einem US-Präsidenten eingeführt wurden“.

Eine Abgabe von 10 Prozent wird ab dem 24. September erhoben und 2019 auf 25 Prozent erhöht, wenn die USA nicht das bekommen, was sie als zufriedenstellendes Abkommen betrachten. Die neuen Zölle gelten für mehr als 1.000 Waren und ergänzen den 25prozentigen Zoll, der bereits für Industrieprodukte im Wert von 50 Milliarden Dollar erhoben wird. Trump hat weitere Maßnahmen gegen die verbleibenden chinesischen Exporte in die USA in Höhe von mehr als 250 Milliarden Dollar angedroht.

China hat mit Vergeltungsmaßnahmen einschließlich Zöllen und anderen, noch nicht näher spezifizierten Maßnahmen gegen die USA gedroht, was bedeutet, dass die Volkswirtschaften Nummer eins und Nummer zwei der Welt in einen schnell eskalierenden Handelskrieg verstrickt sind, der globale Folgen haben wird.

Bei Bekanntgabe der Entscheidung forderte Trump China auf, „rasch zu handeln“ und die „unfairen Handelspraktiken“ zu beenden. Er äußerte die Hoffnung, dass der Handelskonflikt gelöst wird.

Aber es gibt wenig Aussicht auf eine Lösung, denn die USA fordern zwar den Abbau des Handelsdefizits gegenüber China, doch der Konflikt entspannt sich nicht nur wegen dieses Themas. China hat Angebote zur Erhöhung der Importe aus den USA gemacht, die aber allesamt abgelehnt wurden. Die wichtigste Forderung der USA lautet, dass die chinesische Regierung ihr Programm zur wirtschaftlichen Entwicklung vollständig aufgibt und den USA im Bereich der Spitzentechnologie untergeordnet bleibt.

So heißt es in einem im Mai veröffentlichten Positionspapier der US-Regierung: „China wird keine marktverzerrenden Subventionen und andere Arten von staatlicher Unterstützung mehr gewähren, die zur Schaffung oder Aufrechterhaltung von Überkapazitäten in Branchen beitragen können, die unter den Industrieplan Made in China 2025 fallen.“

Mit anderen Worten, China muss die Grundstrukturen der eigenen Wirtschaft vollständig aufgeben, damit diese keine Gefahr für die wirtschaftliche Dominanz des US-Kapitalismus darstellt. Diese Dominanz werden die USA, wenn nötig, mit militärischen Mitteln aufrechterhalten. Deutlich wurde dies bereits Anfang des Jahres, als Washington China als „strategischen Konkurrenten“ bezeichnete, d.h. als potenziellen militärischen Feind. Dies ist die inhärente, objektive und logische Konsequenz der jüngsten Handelskriegsmaßnahmen.

Ihre volle Bedeutung lässt sich erfassen, wenn man sie im Rahmen der historischen Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft betrachtet.

Nach dem katastrophalen Jahrzehnt der 1930er Jahre und als die Welt in den Krieg stürzte, erkannten führende Vertreter der US-Regierung unter Präsident Roosevelt, dass diese Situation nicht zuletzt auf die Aufteilung der Welt in rivalisierende Handels- und Wirtschaftsblöcke zurückzuführen war. Bei ihrer Entstehung hatten Zölle und andere Handelsbeschränkungen eine wichtige Rolle gespielt.

In der Nachkriegsplanung versuchte man, diesen Widerspruch zwischen der Weltwirtschaft und ihrer Aufteilung in konkurrierende Großmächte und Blöcke zu überwinden, indem man einen Mechanismus entwickelte, der die Expansion des Welthandels sicherstellte. Dies war die Grundlage für eine Reihe von Maßnahmen, die unmittelbar nach dem Krieg ergriffen wurden: das Währungssystem von Bretton Woods, das die wichtigsten Währungen zu festen Wechselkursen an den US-Dollar band, das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT, das Zollschranken abbauen sollte, sowie die Einrichtung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zur Gewährleistung der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Diese Maßnahmen konnten jedoch die dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüche nicht überwinden, vor allem nicht die zwischen der Weltwirtschaft und dem Nationalstaatensystem. Vielmehr sollten sie die Widersprüche in einem System eindämmen und abschwächen, das auf der überwältigenden wirtschaftlichen Dominanz der USA basiert.

Aber das Wachstum der kapitalistischen Weltwirtschaft und die Stärkung der anderen Großmächte untergruben genau die Grundlage, auf der sie beruhte - die absolute Dominanz der USA. Die Schwächung der US-Position trat im August 1971 zutage, als die Vereinigten Staaten das Bretton-Woods-Währungssystem aufkündigten und erklärten, dass der US-Dollar nicht mehr über Gold gedeckt würde.

In der Zwischenzeit ist die Position der USA nochmals schwächer geworden. Dies zeigte sich deutlich in der Finanzkrise vor zehn Jahren, als das US-Finanzsystem sich als Kartenhaus erwies, das auf einer Spekulationsblase und regelrecht kriminellen Aktivitäten basiert. Diese Situation hat sich im letzten Jahrzehnt fortgesetzt und es droht nun eine weitere, noch verheerendere Finanzkrise.

Die USA sind nun nicht nur mit der Wirtschaftskraft ihrer europäischen Konkurrenten konfrontiert, sondern auch mit einem großen neuen Rivalen in Form von China. Die Vereinigten Staaten sind bestrebt, diese Situation umzukehren. Wie Leo Trotzki vor etwa achtzig Jahren erklärte, behaupten die USA ihre Hegemonie nicht unter Bedingungen eines Booms, sondern vor allem in einer Krise. Hier setzen sie alle Mittel - Wirtschaft und Militär - gegen ihre Konkurrenten ein, um ihre Position zu halten.

Die Maßnahmen des Handelskrieges gegen China sind nur ein Ausdruck dieses Prozesses. Die USA haben bereits protektionistische Maßnahmen gegen Europa und Japan durch die Einführung von Zöllen auf Stahl und Aluminium ergriffen und Zölle auf Autos und Autoteile angedroht, die geltend gemacht werden, wenn sich diese Konkurrenten nicht den USA anschließen und Druck auf China ausüben.

Gleichzeitig mit der Einführung der China-Zölle treffen sich Spitzenbeamte der Europäischen Union, um darüber zu diskutieren, was sie gegen die finanziellen Sanktionen unternehmen, die die USA gegen europäische Unternehmen verhängen, wenn sie nach der einseitigen Aufhebung des iranischen Atomabkommens durch die Vereinigten Staaten nach dem 4. November noch wirtschaftliche Beziehungen zum Iran unterhalten.

Das Abkommen wurde nicht gekippt, weil der Iran gegen das Abkommen verstoßen hatte - die internationalen Behörden stellten fest, dass es vollständig eingehalten wurde. Vielmehr haben die Vereinigten Staaten den Vertrag einseitig aufgehoben, um die strategische Position der USA im Nahen Osten zu stärken, indem sie dem Einfluss des Iran entgegenwirken. Zudem sollte die europäische Unternehmen nicht auf Kosten ihrer amerikanischen Konkurrenten von der Öffnung neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten in diesem Land profitieren.

Nun hat das US-Außenministerium gewarnt, dass europäischen Unternehmen der Zugang zum US-Finanzsystem verwehrt wird, wenn sie sich den Sanktionen der USA widersetzen und mit dem „Feind“ Handel treiben.

In den 1930er Jahren erklärte Leo Trotzki, die Interdependenz jedes Landes in der Weltwirtschaft führe dazu, dass das Programm des ökonomischen Nationalismus, wie es heute von der Trump-Regierung praktiziert wird, eine reaktionäre „Utopie“ sei, da es sich die Aufgabe einer harmonischen Nationalwirtschaft auf der Grundlage des Privateigentum setzt.

„Doch ist er eine drohende Realität, soweit es die Zusammenfassung aller wirtschaftlichen Kräfte der Nation zur Vorbereitung des neuen Krieges gilt“, schrieb Trotzki fünf Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Diese „drohende Realität“ kommt nun einmal mehr zum Ausdruck, da Handelskriegsmaßnahmen gegen China sowie gegen Europa und Japan aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ geltend gemacht wurden. Doch wie sich die USA auf den Krieg vorbereiten, so tun es auch alle anderen Großmächte. Dies entspringt nicht den Köpfen der kapitalistischen Politiker - ihre Handlungen sind letztlich nur eine Übersetzung der objektiven Logik und der unlösbaren Widersprüche des kapitalistischen Systems in die Politik.

Aber es ist noch eine andere mächtigere Logik am Werk. Die Entwicklung der globalisierten Produktion, die den Widerspruch des veralteten Nationalstaatssystems mit seinen konkurrierenden Großmächten auf einen neuen Höhepunkt gebracht hat, hat schon die Grundlagen für eine weltweite sozialistische Planwirtschaft gelegt. Und sie hat mit der internationalen Arbeiterklasse, die noch nie zuvor so sehr über Grenzen hinweg vereint war, die soziale Kraft geschaffen, um den Sozialismus zu verwirklichen.

Die jüngsten Trump-Handelskriegmaßnahmen unterstreichen die Dringlichkeit, mit der sich die Arbeiterklasse politisch und theoretisch bewaffnen muss. Sie braucht ein Programm der sozialistischen Weltrevolution, für die das Internationale Komitee der Vierten Internationale kämpft, um die Zivilisation auszubauen und den Rückfall in die Barbarei zu vermeiden.

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