US-Autoarbeiter kämpfen für höhere Löhne während sich Korruptionsskandal der Gewerkschaft ausweitet

Am 19. September kamen neue Details über den Korruptionsskandal der amerikanischen Gewerkschaft United Auto Workers heraus. Die UAW hat Geld über dunkle Kanäle erhalten und im Gegenzug unternehmerfreundliche Tarifverträge durchgesetzt. Sieben UAW-Führer und Vorstandsmitglieder von Fiat Chrysler haben sich bisher schuldig bekannt.

Laut der Zeitung Detroit News konzentriert sich die Staatsanwaltschaft zurzeit auf die Veruntreuung von UAW-Mitgliedsbeiträgen und von Geldern für den betrieblichen Fortbildungsfonds. Es geht um mehr als eine Million Dollar. UAW-Funktionäre haben das Geld während ihrer jährlichen „Fortbildungs“-Konferenzen in Palm Springs (Kalifornien) für Alkohol, Lebensmittel, Golf-Reisen und luxuriöse Übernachtungen ausgegeben.

Die Detroit News schreibt: „Aus Akten des Bundesgerichts, des Arbeitsministeriums und aus Interviews geht hervor, dass die UAW-Funktionäre, die an einer einwöchigen Konferenz in Palm Springs teilnahmen, länger als einen Monat dort blieben. In der Wüstenoase haben sie die Mitgliedsbeiträge von Arbeitern oder Geld von Fiat Chrysler, ihrem Gegner am Verhandlungstisch, für Abendessen, Übernachtungen und Golfgebühren ausgegeben. Zusätzlich gaben sie 1.217 Dollar in einem Salon aus, der von einem Hollywood-Stylisten (,Mad Max: Fury Road‘) betrieben wird.“

Ein Großteil dieser Informationen wurde durch den Vergleich bekannt, den die ehemalige UAW-Funktionärin Nancy Adams Johnson im Juli unterzeichnete. Johnson war Spitzenberaterin des UAW-Vizepräsidenten Norwood Jewell, der 2015 im Tarifvertrag zwischen der UAW und Fiat Chrysler umfangreichen Zugeständnissen zugestimmt hatte. Nancy Johnson hat zugegeben, Tausende von Dollars für ausschweifende Partys, Erste-Klasse-Flüge zu Golfressorts in Kalifornien, teuren Schmuck und Kleidung angenommen zu haben, darunter 1.100 Dollar für Schuhe von Christian Louboutin.

Diese Enthüllungen belasteten auch die oberste UAW-Spitze. Johnson teilte den Ermittlern mit, dass der ehemalige UAW-Präsident Dennis Williams die illegale Weiterleitung von Geldern aus dem Chrysler National Training Center der UAW in Detroit genehmigt hatte. Daraus wurden Reisen, Mahlzeiten und Unterhaltung der Gewerkschafter finanziert. Wie sie erklärte, sollte Williams Anweisung die Kosten für die UAW verringern, da „der Etat der UAW unter Druck geraten war“.

Laut einer Analyse der Detroit News anhand der Unterlagen, welche die UAW beim Arbeitsministerium eingereicht hat, gab die Gewerkschaft zwischen 2014 und 2016 nicht weniger als 856.886 Dollar für Aufenthalte im Palm-Spring-Hotel aus, und im Jahr 2017 weitere 219.698 Dollar. Während Williams behauptete, dabei seien keine Mitgliedsbeiträge zweckentfremdet worden, kam die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis, dass „hochrangige UAW-Funktionäre Mittel der Gewerkschaft benutzt haben, um extravagante Essen, hochwertigen Alkohol, mehrmonatige Aufenthalte in Appartements und mehrere Golfpartien zu finanzieren. Dafür haben sie kaum oder gar keine Gewerkschaftsaktivitäten oder Verhandlungen mit dem Management als legitime Gründe angegeben.“

In diesem Zeitraum hob die UAW die Mitgliedsbeiträge um 25 Prozent an. Als Rechtfertigung diente die zynische Behauptung, dies sei notwendig als Vorbereitung auf einen potenziellen Streik gegen Fiat Chrysler und andere Autobauer. Gleichzeitig akzeptierten die obersten Unterhändler Bestechungsgelder und verabredeten den Abbau von Löhnen und Zusatzleistungen der Arbeiter. Währenddessen wurde obendrein die Leiharbeit deutlich ausgeweitet, in der die Beschäftigten zwar Gewerkschaftsbeiträge zahlen, aber keine Rechte haben. UAW-Mitglieder zahlen pro Jahr Beiträge zwischen 670 und 1.600 Dollar.

Nach Williams' Rücktritt Anfang dieses Jahres könnten die staatlichen Ermittler ihre Aufmerksamkeit jetzt auf seinen Nachfolger Gary Jones richten. Die Detroit News berichtet über die Jahre 2014–2016: „Die einzigen Ausgaben für Palm Springs, die in den Finanzberichten der UAW für diese Jahre verzeichnet sind, sind die Führungskonferenzen für die Region 5. Jones war der Vorsitzende von Region 5, bevor er in diesem Juni UAW-Präsident wurde.“ Die Zeitung schreibt, dass Jones, nachdem er im Juni UAW-Präsident wurde, erklärt habe, für die Konspiration seien „nicht Institutionen wie die UAW“, sondern „bestimmte Personen“ verantwortlich.

Der andauernde Skandal zeigt jedoch, dass die gesamte UAW ein korruptes Werkzeug der Konzernleitung ist. In den letzten vierzig Jahren war ihre wichtigste Aufgabe, den Widerstand der Autoarbeiter gegen die unablässigen Angriffe auf ihre Arbeitsplätze, ihren Lebensstandard und ihre Arbeitsbedingungen zu unterdrücken. In dieser Zeit erlebten die Autoarbeiter einen Niedergang von historischem Ausmaß: Sie wurden aus gut bezahlten Industriearbeitern zu Billiglohn- und Zeitarbeitern, die sich die Autos, die sie bauen, nicht mehr leisten können.

Die Lage in den Fabriken erreicht jetzt einen Siedepunkt. Vor zwei Monaten stimmten 99,9 Prozent der Arbeiter in den Fiat-Chrysler Getriebewerken in Kokomo und Tipton (Indiana) für einen Streik wegen etwa 200 ungelöster Probleme, darunter Gesundheits- und Sicherheitsfragen sowie dem Missbrauch der Zeitarbeiter. Dass es bei diesen Themen um Leben und Tod geht, zeigte sich vor kurzem in der Gießerei von Kokomo, wo ein Arbeiter schwer verletzt wurde.

Seit der Urabstimmung haben die Funktionäre der UAW-Niederlassung 685 und die UAW-Vizepräsidentin Cindy Estrada, Nachfolgerin von Norwood Jewell, das Mandat der Belegschaft jedoch ignoriert. Sie lassen die Arbeiter im Ungewissen und verhandeln im Geheimen einen neuen Verrat aus.

Am 18. September kritisierten Arbeiter bei Gewerkschaftstreffen die Hinhaltetaktik der UAW und forderten ein festes Datum für einen Streik. Als Reaktion darauf erklärte der Präsident der UAW-Niederlassung 685, Rick Ward, die Arbeiter dürften nicht ohne die Erlaubnis der Gewerkschaftszentrale streiken. Dort sitzen aber genau die gleichen Bürokraten, die illegale Zahlungen von Fiat Chrysler annehmen.

Ein Arbeiter in Kokomo sagte gegenüber dem „Autoworker Newsletter“ der WSWS: „Die UAW macht ihren kleinen Ausflug nach Palm Springs, und uns liefert sie ans Messer. Mehrere Kollegen von mir sagen, wir müssen von oben bis unten ausmisten und diese ganzen Leute austauschen. Meiner Meinung nach ist es dafür viel zu spät. Diese Organisation kann man nicht mehr reformieren.“

Weiter erklärte er: „Wenn wir wollen, dass die Gewerkschaften wieder so werden, wie sie waren, dann müssen wir eine Möglichkeit finden, uns außerhalb der UAW zu organisieren. Wir und die UAW haben keine gemeinsamen Interessen. Die lokalen Funktionäre wollen sich nicht mit der Dachorganisation anlegen, weil sie ihre Posten nicht verlieren wollen. Es ist sinnlos, diese Organisation reformieren zu wollen. Wenn die Gewerkschaften das wären, was sie sein sollten, würden sie jetzt die ganze Arbeiterklasse mobilisieren. Aber das machen sie nicht.“

Ein Leiharbeiter bei GM in Detroit erklärte gegenüber der WSWS: „Die UAW-Mitglieder haben jahrelang Geld gescheffelt. Sie rühren keinen Finger, um uns zu helfen. Bei mehreren gewerkschaftsfreien Unternehmen werden dieselben Zusatzleistungen gezahlt, wie wir sie bekommen. Es gibt Gründe für die UAW, nicht zum Streik aufzurufen. Sie schonen die Streikkasse, um für ihre Golfausflüge, den Wein und das Essen zu bezahlen. Ich verstehe nicht, wie sie sich angesichts der gesamten Lage eine 30-prozentige Gehaltserhöhung genehmigen konnten.“

Auf den globalen Finanzkrach von 2008 folgte die Umstrukturierung der Autoindustrie durch die Obama-Regierung, und bei Chrysler und GM wurden die Löhne von neu eingestellten Arbeitern halbiert. Dies wurde als Präzedenzfall für einen umfassenden Angriff auf Löhne und Arbeitsbedingungen aller Arbeiter benutzt, und für endlose Austeritätsmaßnahmen. Eine neue Aktienblase ist entstanden, und der Reichtum wird in beispielloser Weise an die Wirtschafts- und Finanzelite umverteilt. Dafür mussten die Gewerkschaften den Klassenkampf unterdrücken, sodass die Zahl der Streiks in den letzten zehn Jahren auf einen historischen Tiefstand sank.

In diesem Jahr lebt jedoch der Klassenkampf in den USA und weltweit wieder auf. Die Zahl der großen Streiks hat sich in den USA seit dem letzten Jahr mehr als verdoppelt, und die Zahl der Streikenden hat eine halbe Million überschritten. D.h. mehr Menschen haben sich an Streiks beteiligt als in den letzten sechs Jahren zusammen. Das Gleiche gilt auch für Großbritannien, wo die Zahl der Streiks in der Privatwirtschaft auf dem höchsten Stand seit mehr als zwanzig Jahren liegt, nachdem sie letztes Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1893 gesunken war.

Ein Analyst des Finanz- und Börsenmaklerunternehmens Charles Schwab warnte vor Kurzem, dass sich in der nächsten Zeit „der Lohndruck verschärfen“ werde, weil sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt zumindest kurzfristig verbessert hat, sodass den Arbeitern nicht mehr die Gefahr von Massenarbeitslosigkeit droht. Weiter hieß es, jede Erhöhung der Löhne „könnte auch Auswirkungen auf den Aktienmarkt haben“.

In den USA streiken in Boston mehr als 5.000 Hotelbeschäftigte, in Boston, San Francisco, Seattle, Detroit, Honolulu und anderen Städten haben weitere 9.000 mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt, sie zu unterstützen. Bei ArcelorMittal und US Steel haben mehr als 30.000 Stahlarbeiter einstimmig für einen Streik gestimmt, außerdem die überwiegende Mehrheit der 230.000 UPS-Beschäftigten, der 33.000 Lehrer und Schulbeschäftigten in Los Angeles und 4.000 Pflegekräfte an der Universität von Michigan.

Jedes Mal übernehmen die Gewerkschaften die gleiche Rolle: Sie versuchen, die Streiks zu verhindern oder sie andernfalls zu isolieren und in Niederlagen zu verwandeln.

Um den Widerstand unter den Autoarbeitern und allen Teilen der Arbeiterklasse gegen den Angriff der Wirtschafts- und Finanzelite zu entwickeln, müssen Basiskomitees in Fabriken, Unternehmen und Stadtteilen gebildet werden. Diese müssen unabhängig von den konzernfreundlichen Gewerkschaften vorgehen. Im Kampf gegen die Diktatur des Managements und der Gewerkschaften in den Fabriken müssen diese Basiskomitees den Kampf für die Arbeiterkontrolle über die Produktion aufnehmen, um zum Beispiel in Fragen des Arbeitstempos und der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften Einfluss zu nehmen.

Die massiven Arbeitskämpfe der Arbeiterklasse müssen mit einem politischen Kampf um die Arbeitermacht verbunden werden. Das Vermögen der Wirtschafts- und Finanzelite muss enteignet und die ganze Wirtschaft auf sozialistische Weise umgestaltet werden.

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