Perspektive

Was tun mit den Plutokraten?

Ein neuer Bericht der Denkfabrik „Institute for Policy Studies“, der am Dienstag veröffentlicht wurde, unterstreicht die Bedeutung vererbten Vermögens für das Wachstum der sozialen Ungleichheit in den Vereinigten Staaten. Der Bericht mit dem Titel „Billionaire Bonanza: Inherited Wealth Dynasties in the 21st-Century United States“ analysiert die Forbes-Liste der 400 reichsten Personen in den USA und stellt fest, dass ein Drittel von ihnen ihr Vermögen hauptsächlich aus dem Erbe ihrer Eltern oder einer früheren Generation bezogen hat.

Die drei reichsten Dynastien – die Waltons, die Koch-Brüder und die Familie Mars – verzeichneten seit 1982 einen Vermögenszuwachs von fast 6.000 Prozent, während das durchschnittliche Vermögen der Privathaushalte in Amerika leicht zurückging. Diese drei Familien, die im Einzelhandel, in der Ölförderung und in der Lebensmittelherstellung tätig sind, verfügten 2018 über ein Vermögen von insgesamt 348,7 Mrd. Dollar. Im Jahre 1982 waren es – inflationsbereinigt – 5,84 Mrd.

Neben den sieben Waltons, zwei Kochs und sechs Mars‘ nennt der Bericht neun Cargill-Erben, die auf der Forbes-400-Liste stehen. Hinzu kommen fünf Johnsons (Fidelity Investments), neun Pritzkers (Hyatt Hotels), fünf Erben des Cox-Medienvermögens, vier Erben des Duncan-Ölvermögens, vier Lauders (Parfüm), fünf Milliardäre aus dem Johnson-&-Johnson-Imperium, vier Bass-Brüder (Öl), drei Strykers (medizinische Geräte) und andere mehr. Die reichsten 15 Milliardär-Dynastien hatten ein Gesamtvermögen von 618 Mrd. Dollar.

In den 100 Jahren seit dem ersten „Vergoldeten Zeitalters“ der USA wurde der riesige Reichtum der ersten dynastischen Familien – der Rockefellers, Mellons, Carnegies und DuPonts – auf eine große Anzahl von Nachkommen verteilt und durch progressive Besteuerung (bis 1980) und zuweilen auch durch Übertragung auf Stiftungen verwässert. Nur wenige Erben der ursprünglichen „Robber Barons“ schaffen es heute noch auf die Forbes-400-Liste. Aber der Bericht stellt fest: „Jetzt, mehrere Jahrzehnte nach dem zweiten Vergoldeten Zeitalter, tauchen auf der Forbes-400-Liste erneut reiche Familiendynastien auf. Und wie frühere Dynastien nutzen diese Familien zum Teil ihren beträchtlichen Reichtum und ihre Macht, um die Regeln der Wirtschaft zu manipulieren, auf dass ihr Reichtum und ihre Macht geschützt und gemehrt werden.“

Die wohlhabenden Familien haben umfangreiche Änderungen der Steuer- und Erbschaftsgesetzgebung durchgesetzt, die es ihnen ermöglichen, ihr Vermögen praktisch ungehindert an die nächste Generation weiterzugeben. Dies wird sich die neue Schicht der Superreichen zunutze machen, die durch Jeff Bezos, Warren Buffett und Bill Gates verkörpert wird. Das Vermögen dieses Trios ist größer als das der unteren Hälfte der amerikanischen Bevölkerung zusammengenommen.

Die Folgen dieser Entwicklung für das gesellschaftliche und politische Leben in den USA gehen weit über die unmittelbare Anhäufung und Erhaltung von Familienvermögen hinaus. Eingangs zitiert der Bericht eine Warnung von Paul Volcker, dass die Herrschaft einer winzigen Elite mit märchenhaftem Reichtum Gefahren mit sich bringe. Als ehemaliger Vorsitzender des Federal Reserve Board, der US-Notenbank, ist Volcker mit der politischen und sozialen Psychologie dieser Schicht bestens vertraut.

„Das zentrale Problem ist, dass wir uns zu einer Plutokratie entwickeln“, so Volcker. „Wir haben eine enorme Anzahl von enorm reichen Menschen, die sich einbilden, dass sie deshalb reich sind, weil sie klug und konstruktiv sind. Und sie mögen den Staat nicht und zahlen keine Steuern.“ Daher die Agenda der Steuersenkung und Deregulierung, die von demokratischen und republikanischen Regierungen gleichermaßen verfolgt wird.

In den letzten 40 Jahren hat sich eine plutokratische Elite konsolidiert, die jeden Aspekt der amerikanischen Gesellschaft einem einzigen Ziel unterordnet: der Anhäufung immer größerer Privatvermögen. Sowohl in den letzten zwei Jahrzehnten als auch seit dem Crash 2008 hat sich das obere 1 Prozent den gesamten Zuwachs des Volkseinkommens einverleibt.

Hier liegt der tiefere, in Klasseninteressen verwurzelte Grund für den dramatischen und unaufhörlichen Rechtsruck der amerikanischen Politik. Gut bezahlte Arbeitsplätze, langfristige Arbeitsplatzsicherheit, vernünftige öffentliche Schulen, die soziale Infrastruktur für das Verkehrswesen, die Gesundheitsversorgung, Wohnraum, sogar Wasser- und Abwassersysteme – all dies wurde der wahnwitzigen pausenlosen Selbstbereicherung der Plutokraten geopfert.

Der rabiate Abbau der Arbeitsplätze, des Lebensstandards und der Sozialleistungen für die Arbeiter wird von den Konzernen und kapitalistischen Politikern unaufhörlich damit begründet, dass „kein Geld da“ sei. Dieses Mantra wird heruntergebetet, während sich die Taschen der Superreichen füllen wie nie zuvor. Wenn sie ehrlich wären, würden sie sagen: „Es ist kein Geld für euch da, weil wir alles für uns behalten wollen.“ Die Plutokraten verhalten sich zur modernen Gesellschaft wie ein Krebsgeschwür zum menschlichen Körper.

Das Institute for Policy Study (IPS) hat der Öffentlichkeit mit der Publikation dieser Zahlen einen Dienst erwiesen. Sie decken sich mit den Forschungsergebnissen von Ökonomen wie Emmanuel Saez, Thomas Piketty und Gabriel Zucman. Aber die vom IPS vertretene Politik – zaghafte Reformen wie die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und eine jährliche Vermögenssteuer von 1 Prozent – hat in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung nicht den Hauch einer Chance auf Verwirklichung. Sie dient lediglich dazu, Illusionen in die Demokratische Partei zu schüren und insbesondere Politiker vom Schlage Bernie Sanders zu fördern.

In Wirklichkeit ist die Demokratische Partei den Milliardären und der Verteidigung des Kapitalismus nicht weniger zugetan, als die Republikaner. Die Finanzaristokratie wird es niemals zulassen, dass solche Maßnahmen vermittels Kongress und der Präsidentschaft beschlossen werden. Sie steuert den Regierungsapparat von oben bis unten. Vielmehr ist die offene Hinwendung beider Wirtschaftsparteien zum Autoritarismus ein klarer Beweis dafür, dass die wirtschaftliche Ungleichheit, wie sie heute in den Vereinigten Staaten besteht, nicht mit Demokratie vereinbar ist.

Die einzige realistische Alternative zur Diktatur der Milliardäre ist die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Die Parole der Arbeiterklasse darf nicht lauten: „Wiedereinführung einer bescheidenen Besteuerung der Superreichen“, sondern: „Enteignet die Superreichen.“ Die Arbeiterklasse muss sich zum Ziel setzen, das Vermögen der Milliardäre – das von den Arbeitern selbst produziert wurde – zu beschlagnahmen, um die für das Gemeinwohl erforderlichen Ressourcen bereitzustellen. Dies wäre der erste und entscheidende Schritt zur sozialistischen Neuordnung des Wirtschaftslebens, damit es den Bedürfnissen der Menschen und nicht dem privaten Profit dient.

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