Europawahl 2019

Gegen die EU, soziale Ungleichheit, Faschismus und Krieg! Für Sozialismus und die Einheit der europäischen Arbeiterklasse!

Ein Parteitag der Sozialistischen Gleichheitspartei hat am 20. und 21. Oktober beschlossen, an der Europawahl vom 26. Mai 2019 teilzunehmen, und die Kandidaten für die bundesweite Wahlliste gewählt. Die folgende Resolution, die vom Parteitag einstimmig verabschiedet wurde, erklärt, welche Ziele die SGP dabei verfolgt und welche Aufgaben sie sich stellt.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) tritt im Mai 2019 mit einer bundesweiten Wahlliste zur Europawahl an, um dem Aufstieg der extremen Rechten, dem wachsenden Militarismus, dem Aufbau eines Polizeistaats und der zunehmenden sozialen Ungleichheit entgegenzutreten. Gemeinsam mit den anderen Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) kämpfen wir für ein sozialistisches Programm, in dessen Mittelpunkt die Vereinigung der europäischen Arbeiterklasse zum Sturz des Kapitalismus steht. Nur so kann der Rückfall des Kontinents in faschistische Barbarei und Krieg verhindert werden.

1. Der Kampf gegen die rechte Gefahr

Es ist noch keine 75 Jahre her, seit der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Ganz Europa lag in Trümmern. Über 60 Millionen Menschen waren auf den Schlachtfeldern, in den Gaskammern der Nazis und im Bombenhagel getötet worden. Damals hieß es, solche Verbrechen dürften sich nie wiederholen. Doch nun zeigt sich, dass der Kapitalismus nicht mit Demokratie, Wohlstand und Frieden vereinbar ist. Faschismus und Krieg kehren zurück.

An der Spitze der USA, des mächtigsten kapitalistischen Landes, steht ein ultrarechter Präsident, der Nordkorea und Iran mit Vernichtung und den Nuklearmächten Russland und China mit Krieg droht. Überall in Europa sind rechtsextreme Parteien auf dem Vormarsch. In neun Ländern – Italien, Österreich, Polen, Ungarn, Finnland, Bulgarien, Tschechien, Slowakei und Griechenland – sitzen sie in der Regierung, in Frankreich sind sie zweitstärkste Partei.

Auch in Deutschland, das unter Hitlers Herrschaft die größten Verbrechen der Geschichte verübte, sind die Nazis wieder da. Mit der AfD sitzt erstmals eine rechtsextreme Partei im Bundestag, deren Führer Alexander Gauland die Nazi-Barbarei als „Vogelschiss“ in „tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ beschönigt. Ende September zog ein brauner Mob von mehreren Tausend durch Chemnitz, skandierte ausländerfeindliche Parolen, zeigte den Hitlergruß und überfiel ein jüdisches Restaurant.

Anders als die Nazis in den 1930er Jahren stellen die heutigen Faschisten keine Massenbewegung dar. Aber das macht sie nicht weniger gefährlich. Hitlers Bewegung verfügte über mehrere Hunderttausend bewaffnete Mitglieder, als ihn im Januar 1933 eine Verschwörung um Reichspräsident von Hindenburg zum Reichskanzler ernannte, hinter der das Kapital, der Großgrundbesitz und die Reichswehr standen. Diese brauchten die Nazis, um die organisierte Arbeiterschaft zu zerschlagen und den Zweiten Weltkrieg vorzubereiten. Heute beziehen die Rechtsextremen ihre Stärke vor allem aus der Unterstützung, die sie von oben erhalten – vom Staatsapparat, vom Verfassungsschutz und der Polizei, aber auch von der Regierung und den etablierten Parteien. Der Aufstieg der AfD ist das Ergebnis einer regelrechten Verschwörung in Staat und Politik.

Zu den wichtigsten Stützen der AfD zählt der staatliche Sicherheitsapparat. Innenminister Horst Seehofer und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen haben den braunen Aufmarsch in Chemnitz offen verteidigt. Der Verfassungsschutz selbst ist eng mit der Neonazi-Szene verflochten, die er über V-Leute steuert und finanziert. Zahlreiche Abgeordnete und Funktionäre der AfD haben einen militärischen oder polizeilichen Hintergrund.

Doch der Rückhalt für die AfD reicht tiefer. Die Medien, die Universitäten und sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien haben ihr ideologisch und politisch den Weg bereitet. Im Bundestag wurde die AfD von den anderen Parteien mit offenen Armen empfangen. Sie vertrauten ihr die Führung dreier wichtiger Ausschüsse an – Recht, Haushalt und Tourismus. Die Große Koalition übernahm in der Flüchtlingspolitik und der inneren Sicherheit ihr Programm. Obwohl die AfD nur 12,6 Prozent der Stimmen erhielt, gibt sie in der Bundespolitik den Ton an.

Dagegen wächst der Widerstand. Die Unteilbar-Demonstration am 13. Oktober in Berlin zeigte die massive Opposition gegen die Rückkehr von Faschismus und Militarismus in Deutschland. Es war die größte Demonstration seit den Protesten gegen den Irakkrieg vor 15 Jahren. Insgesamt zogen fast eine Viertelmillion Menschen durch die Hauptstadt, um gegen Rassismus, den Aufstieg der AfD und die rechte Politik der Bundesregierung und aller etablierten Parteien zu protestieren. Auch in anderen deutschen Städten gingen in den vergangenen Wochen wiederholt mehrere Zehntausend auf die Straße.

Diese Ereignisse bestätigen die Standpunkte und Perspektiven der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP). Die AfD ist nicht der Ausdruck einer in der Bevölkerung weitverbreiteten rechten Stimmung, sondern sie wird von der herrschenden Klasse bewusst gefördert. Diese braucht die rechtsextreme Partei, um ihre unsoziale und militaristische Politik gegen den weit verbreiteten Widerstand durchzusetzen.

Politische Empörung und Massenproteste sind wichtig. Sie reichen aber nicht aus, um zu verhindern, dass die herrschende Klasse ihre reaktionären Ziele wie in den 1930er Jahren wieder mit faschistischen Methoden verfolgt. Die herrschende Klasse reagiert auf die massive Opposition unter Arbeitern und Jugendlichen, indem sie mit wachsender Aggressivität vorgeht. Sie schließt die Reihen, unterdrückt jede Form von demokratischer Opposition und intensiviert die politische Verschwörung gegen die Bevölkerung.

Polizei und Geheimdienste werden gestärkt, ihre Überwachungsbefugnisse massiv ausgedehnt. Das Netzwerkdurchsuchungsgesetz zwingt soziale Netzwerke bei hohen Strafandrohungen, Inhalte zu zensieren. Die EU will gegen Parteien, die im Europawahlkampf „fake news“ verbreiten – d.h. Tatsachen, die dem „Neusprech“ der Herrschenden widersprechen –, drakonische Geldstrafen verhängen. Diese Zensur richtet sich in erster Linie gegen linke und sozialistische Kritik. Vor allem die World Socialist Web Site ist von der Zensur durch Google betroffen. Julian Assange droht die Auslieferung in die USA und möglicherweise die Todesstrafe, weil Wikileaks Kriegsverbrechen der amerikanischen Regierung enthüllt hat.

Hinter den Kulissen arbeiten einflussreiche Kreise in Politik, Medien, Geheimdiensten und Militär daran, in Berlin eine offen rechtsextreme Regierung an die Macht zu bringen. Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag habe sich „auch etwas zum Positiven verändert“, erklärte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in einem Interview mit Bild am Sonntag. Und Spiegel-Kolumnist Jakob Augstein fordert: „Die AfD muss mitregieren.“

Die SGP stützt sich in ihrem Kampf gegen die Rückkehr von Faschismus, Militarismus und Krieg auf die Verschärfung des Klassenkampfs. Während die herrschende Klasse weltweit scharf nach rechts rückt, bewegt sich die Arbeiterklasse in ihrer überwiegenden Mehrheit nach links und beginnt, die politischen Fesseln abzuschütteln, die ihr die sozialdemokratischen Parteien und die Gewerkschaften angelegt haben. Das äußert sich in einer zunehmenden Zahl von Streiks und Protesten und einem wachsenden Interesse für den Sozialismus.

In den USA häufen sich Streiks von Lehrern, UPS-Beschäftigten und anderen Arbeitern, die gegen ihre rechten Gewerkschaftsführer rebellieren. In Europa gab es im vergangenen Jahr zahlreiche Streiks bei Ryanair, Lufthansa, Air France und Amazon, gegen die Arbeitsmarktreform in Frankreich, gegen die Sparpolitik in Griechenland und im Rahmen der Tarifrunde in der deutschen Metallindustrie und im öffentlichen Dienst – um nur einige zu nennen.

Die Intensivierung des Klassenkampfs erlegt der SGP eine enorme Verantwortung auf. „Dieselben Faktoren, die die herrschende Klasse in den Krieg treiben, schaffen auch die objektiven Voraussetzungen für die sozialistische Revolution“, erklärten wir in unserer Resolution zur „Rückkehr des deutschen Imperialismus“ im September 2014. Und wir betonten: „Aber die sozialistische Revolution ist kein automatischer Prozess. Die Entscheidung über ihr Tempo und ihren Erfolg fallen im Bereich der Politik. Wie Trotzki am Vorabend des Zweiten Weltkriegs schrieb, läuft die geschichtliche Krise der Menschheit auf die Krise der revolutionären Führung hinaus. Die Lösung dieser Krise hängt von den Entscheidungen, dem Handeln und dem Aufbau unserer Partei ab.“

2. Der Bankrott des Kapitalismus

Die Sozialistische Gleichheitspartei kämpft dafür, das politische Bewusstsein der Arbeiterklasse auf das Niveau zu heben, das für ihre historischen Aufgaben notwendig ist. Dies erfordert zuallererst ein klares Verständnis der historischen Erfahrungen des Klassenkampfs und der gegenwärtigen objektiven Krise. Die Rückkehr zum Militarismus und der Aufstieg rechtsextremer Parteien sind eine internationale Erscheinung. Die herrschende Klasse reagiert damit auf die globale Krise des Kapitalismus. Keines der Probleme, die die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zur konfliktreichsten und gewalttätigsten Epoche der menschlichen Geschichte machten, ist gelöst. Sie wurden nur vorübergehend überdeckt und brechen nun mit Macht wieder auf.

Der Erste und der Zweite Weltkrieg folgten unerbittlich aus den Widersprüchen der internationalen kapitalistischen Interessen. „Bei dem gegenwärtigen Stand der Technik und der Qualifikation der Arbeiter ist es durchaus möglich, angemessene Bedingungen für die materielle und geistige Entwicklung der gesamten Menschheit zu schaffen“, erklärte die Vierte Internationale 1940 in ihrem „Manifest zum imperialistischen Krieg“. „Es wäre nur nötig, das Wirtschaftsleben in jedem Land und auf unserem ganzen Planeten richtig, wissenschaftlich und vernünftig, nach einem allgemeinen Plan zu organisieren. Solange sich aber die Hauptproduktivkräfte der Gesellschaft im Besitzt von Trusts, d.h. vereinzelten Kapitalistencliquen befinden, und so lange der nationale Staat ein fügsames Werkzeug in den Händen dieser Cliquen bleibt, muss der Kampf um Märkte, um Rohstoffquellen, um die Weltherrschaft unvermeidlich einen immer verwüstenderen Charakter annehmen.“

Hitlers Welteroberungspläne waren nicht das subjektive Produkt eines kranken Gehirns, sondern Ausdruck der objektiven Interessen des deutschen Kapitals, das Europa gewaltsam unterjochen und „Lebensraum“ im Osten erobern musste, um zu expandieren und die explosiven Klassenspannungen im Innern zu unterdrücken. Deshalb unterstützte die deutsche Bourgeoisie Hitler und verhalf ihm an die Macht. Nun kehren sie und die herrschende Klasse der anderen imperialistischen Mächte wieder zu denselben Methoden zurück.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der deutsche Kapitalismus vorübergehend in der Lage, europa- und weltweit zu expandieren, ohne selbst schmutzige Kriege zu führen, wie dies die USA in Korea und Vietnam taten. Die USA hatten damals ein starkes Eigeninteresse, ihrem deutschen Kriegsgegner wieder auf die Beine zu helfen und Westeuropa zu befrieden. Sie brauchten es als Bollwerk im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion und als Markt für die eigene Wirtschaft. Gleichzeitig zögerten sie, Deutschland wieder aufzurüsten. Es unterhielt zwar eine große territoriale Verteidigungsarmee, verfügte aber über keine eigenen Atomwaffen, Flugzeugträger, Langstreckenbomber und andere Waffensysteme, die für eine militärische Weltmacht unverzichtbar sind.

Das änderte sich mit der deutschen Wiedervereinigung und der Auflösung der Sowjetunion. Sie eröffneten keine neue Ära der Demokratie und des Friedens, sondern zerstörten das innere Gleichgewicht Europas und leiteten eine neue Epoche imperialistischer Konflikte und Kriege ein.

Die USA betrachteten das Ende der Sowjetunion als Chance, der Erosion ihrer globalen Vorherrschaft durch den hemmungslosen Einsatz ihres Militärs Einhalt zu gebieten. Die verbrecherischen Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und Jemen sowie die Kriegsdrohungen gegen Iran verfolgen dieses Ziel. Es sind imperialistische Kriege um Rohstoffe, Märkte und Weltherrschaft. Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA erklärt unverblümt, dass die Vorbereitung eines Kriegs zwischen den Großmächten im Zentrum ihrer Militärplanung steht. „Im Mittelpunkt der nationalen Sicherheit der USA steht nicht Terrorismus, sondern die Konkurrenz zwischen Großmächten“, sagte Verteidigungsminister James Mattis bei ihrer Vorstellung im Dezember 2017. Das richtet sich gegen China und Russland, aber auch gegen bisherige „Partner“ wie Deutschland und Japan.

3. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa

Die Europäische Union verkörpert nicht die „Einheit Europas“. Sie ist die Arena, in welcher der Kampf um die Vorherrschaft über Europa ausgetragen wird. Die Behauptung, die Einführung eines Binnenmarkts, einer gemeinsamen Währung und eines gigantischen bürokratischen Apparats in Brüssel würden die absurde Zersplitterung des Kontinents in 50 konkurrierende Nationalstaaten überwinden, die Lebensverhältnisse angleichen und den Frieden sichern, hat sich als Täuschung erwiesen. Die EU verstärkt selbst die zentrifugalen Kräfte, die sie zu überwinden vorgibt.

Seit der Finanzkrise 2008 tritt die Rolle der EU als Werkzeug der mächtigsten Kapitalinteressen immer offener in Erscheinung. Um die Profite der internationalen Banken abzusichern, diktierte sie Griechenland ein Sparprogramm, das die Bevölkerung in bittere Armut stürzte. Die Ausgaben für Renten, Bildung, Gesundheit und öffentliche Investitionen wurden radikal zusammengestrichen und die Staatsverschuldung auf 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht, um alle Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Das Land muss diese Schulden noch 42 Jahre lang abzahlen. Zu ähnlichen Sparprogrammen verpflichtete Brüssel Irland, Portugal, Spanien, Italien und andere Länder.

Vor allem Deutschland, das wirtschaftlich wie kein anderes Land von der Einführung des Euro und der EU-Osterweiterung profitiert hat, zwingt den anderen EU-Mitgliedern seine Finanz- und Austeritätspolitik auf. Herfried Münkler, der die Bundesregierung in außenpolitischen Fragen berät, fordert offen, Deutschland müsse zum „Hegemon“ und „Zuchtmeister“ Europas werden. Damit knüpft die herrschende Klasse wieder an die deutsch-europäische Großmachtpolitik des Kaiserreichs und Hitlers an. „Das nationale Interesse Deutschlands hat einen Namen: Europa“, lautet die Parole des SPD-geführten Auswärtigen Amts.

Da überall in Europa Sozialdemokraten, Grüne und Pseudolinke mehrheitlich die EU unterstützen, haben rechte, nationalistische Parteien von der Opposition gegen Brüssel profitiert. In Großbritannien hat die Mehrheit der Wähler für den Brexit gestimmt. Nun tobt in der herrschenden Klasse ein erbitterter Kampf zwischen zwei reaktionären Lagern – den EU-Befürwortern, die die Austeritätspolitik Brüssels unterstützen, und den EU-Gegnern, die einem rechten Nationalismus das Wort reden.

Die britische Socialist Equality Party lehnte es ab, beim Brexit-Referendum eines dieser reaktionären Lager zu unterstützen, und rief zu einem aktiven Boykott auf. „Sowohl die Befürworter als auch die Gegner der EU-Mitgliedschaft werden von Kräften geführt, die in den Fußstapfen von Margaret Thatcher für mehr Kürzungen, rabiate Maßnahmen gegen Einwanderer und die Zerstörung von Arbeiterrechten eintreten“, heißt es in ihrem Aufruf. „Uneinig sind sie sich nur darüber, wie die Interessen des britischen Kapitalismus angesichts der Wirtschaftskrise und der Ausbreitung von Militarismus und Krieg am effektivsten gegen seine Rivalen in Europa und weltweit verteidigt werden können. Ein Boykott dient dazu, einen unabhängigen politischen Kampf der britischen Arbeiterklasse gegen diese Kräfte vorzubereiten. Er muss Teil einer Gegenoffensive der Arbeiterklasse in ganz Europa sein, die das Referendum zu einer bloßen Episode in der Überlebenskrise der britischen und europäischen Bourgeoisie werden lässt.“

Inzwischen schreitet der Zerfall der EU rasch voran. Die Konflikte zwischen der EU und den nationalistischen Regierungen in Italien, Polen und Ungarn eskalieren. Einig ist sich die EU nur, wenn es um die Abwehr von Flüchtlingen, die Abschottung der Grenzen, den Aufbau eines Polizeistaats und die Unterdrückung sozialer Kämpfe und politischer Opposition geht. Brüssel spielt eine führende Rolle dabei, ganz Europa in einen Polizei- und Überwachungsstaat zu verwandeln und das Internet zu zensieren. Im Mittelmeer ertrinken Tausende Flüchtlinge, weil ihnen die EU jede Hilfe verweigert und Seenotretter als Kriminelle verfolgt. Sie bezahlt Diktatoren und kriminelle Banden, damit sie Flüchtlinge in Lager sperren, in denen sie versklavt, gefoltert und umgebracht werden.

Auch Pläne, die EU in ein Militärbündnis zu verwandeln, das – anders als die Nato – unabhängig von den USA und gegen sie operieren kann, sind weit fortgeschritten. Vor allem Berlin und Paris arbeiten hier eng zusammen. Die praktische Umsetzung gerät allerdings immer wieder ins Stocken, weil die strategischen Interessen des deutschen und der französischen Imperialismus in Konflikt geraten. Der Brexit hat die existenzielle Krise der EU weiter zugespitzt und die Spannungen zwischen den europäischen Mächten verschärft.

Die Tatsache, dass die EU und alle Regierungsparteien in Europa – von der pseudolinken Syriza in Griechenland, über die Große Koalition in Deutschland bis hin zu den offen rechtsextremen Regierungen in Italien, Österreich und Osteuropa – die Austeritätspolitik, den Militarismus und den Terror gegen Flüchtlinge gleichermaßen vorantreiben, unterstreicht, dass Arbeiter und Jugendliche mit revolutionären Aufgaben konfrontiert sind. Der europäische Kapitalismus kann nicht gezähmt werden, sondern er muss gestürzt und durch die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa ersetzt werden.

Die SGP lehnt die Europäische Union ebenso ab, wie alle Bemühungen, die europäischen Nationalstaaten zu stärken. Gemeinsam mit der Socialist Equality Party in Großbritannien und der Parti de l’égalité socialiste in Frankreich kämpft sie für die Vereinigung der europäischen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms. Das ist die einzige Möglichkeit, einen Rückfall in Nationalismus und Krieg zu verhindern und den Kontinent im Interesse der großen Mehrheit seiner Bevölkerung zu vereinen.

4. Die Rückkehr des deutschen Militarismus

In Berlin ist die Entscheidung längst gefallen, Europa politisch und militärisch zu dominieren und Deutschland wieder zu einer aggressiven Großmacht aufzubauen, die den anderen Großmächten entgegentreten kann. Diese Frage stand im Zentrum der monatelangen Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2013 und 2017.

2013 einigten sich CDU, CSU und SPD auf ein Ende der militärischen Zurückhaltung, und die Regierung setzte dies mit der Stationierung deutscher Truppen an der russischen Grenze, der Verlängerung des Afghanistaneinsatzes und neuen Bundeswehreinsätzen im Irak, in Mali und anderen Ländern in die Tat um. 2018 beschloss die Große Koalition „weitere Schritte auf dem Weg zu einer ‚Armee der Europäer‘ zu unternehmen“ und verkündete eine massive Erhöhung der Militärausgaben. Mit der Erfüllung des Nato-Ziels von 2 Prozent sollen diese auf 70 Milliarden verdoppelt werden. Zusätzlich soll jeder zweite in anderen Bereichen eingesparte Euro ins Militär fließen.

Die neue „Konzeption der Bundeswehr“ des Verteidigungsministeriums lässt keinen Zweifel daran, dass sich das deutsche Militär trotz der katastrophalen Niederlagen in zwei Weltkriegen wieder auf massive Kriegsoperationen vorbereitet. Die Bundeswehr soll in die Lage versetzt werden, „in einem hybriden und im gesamten Eskalations- und Wirkspektrum in allen Dimensionen ablaufenden Konflikt in einem streitkräftegemeinsamen und multinationalen Verbund in allen Operationsarten“ zu wirken. Auch ein Blitzkrieg und der massive Verschleiß von Soldaten werden wieder geplant. „Zu Beginn einer sehr großen, hoch intensiven Operation ist ein massiver Ansatz von Kräften und Mitteln hoher Verfügbarkeit erforderlich“, heißt es in dem Papier. „Es ist personelle und materielle Vorsorge zur Regeneration zu treffen.“

In einem Land, in dem mehr als zehn Millionen Menschen leben, die vor 1945 geboren wurden und sich noch lebhaft an die Kriegsgräuel erinnern können, und in dem die Parole „Nie wieder Krieg“ lange Zeit fester Bestandteil des Schulunterrichts war, stößt diese Rückkehr zum Militarismus auf massive Ablehnung.

Das ist der Grund, weshalb die offizielle Politik die Form einer Verschwörung annimmt, warum die AfD gefördert und die Geschichte gefälscht wird. Das Wachstum des Militarismus und die fortgeschrittenen Kriegsvorbereitungen erfordern die Einschränkung demokratischer Rechte und weitere Angriffe auf die Arbeiterklasse, die die Kosten des Militarismus tragen muss. Der Zerfall der bürgerlichen Demokratie macht sich überall auf der Welt bemerkbar.

In Deutschland bereiten sich die Sicherheitsbehörden darauf vor, die Opposition gegen Militarismus und Kapitalismus zu unterdrücken. Das geht aus dem jüngsten Verfassungsschutzbericht hervor, der in enger Zusammenarbeit mit der AfD ausgearbeitet wurde. Er denunziert jeden als „linksextremistisch“, der den Kapitalismus ablehnt und ihn – wie es im Verfassungsschutzbericht heißt – für „gesellschaftliche und politische Missstände wie soziale Ungerechtigkeit, ‚Zerstörung‘ von Wohnraum, Kriege, Rechtsextremismus und Rassismus sowie für Umweltkatastrophen“ verantwortlich macht.

Insbesondere die SGP erwähnt der Verfassungsschutz ausdrücklich als „linksextremistische Partei“, obwohl er ihr bestätigt, dass sie ihre Ziele mit legalen Mitteln verfolgt, und ihr weder Gesetzesverstöße noch gewaltsamen Aktivitäten vorwirft. Die Große Koalition, die Sicherheitsbehörden und ihre rechtsradikalen Verbündeten gehen gegen die SGP vor, weil sie als einzige Partei systematisch gegen die Fälschung der Geschichte und die Rückkehr des Militarismus kämpft und kein Teil des kapitalistischen Establishments ist. Sie wird vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sie für ein sozialistisches Programm „gegen die bestehende, pauschal als ‚Kapitalismus‘ verunglimpfte staatliche und gesellschaftliche Ordnung, gegen die EU, gegen vermeintlichen Nationalismus, Imperialismus und Militarismus sowie gegen die Sozialdemokratie, die Gewerkschaften und auch gegen die Partei DIE LINKE“ agitiert. Die herrschende Klasse fürchtet, dass die historischen und politischen Perspektiven der SGP und des IKVI in der Arbeiterklasse Verankerung finden und, um mit Marx zu sprechen, zur materiellen Kraft werden.

Bereits vor vier Jahren hatten die Medien einen Sturm der Entrüstung gegen die SGP entfacht, weil sie der Revision der Geschichte und der Rehabilitierung der Nazis entgegentrat und den rechtsextremen Historiker Jörg Baberowski kritisierte. Baberowski hatte im Spiegel den Nazi-Apologeten Ernst Nolte verteidigt und Hitler öffentlich bescheinigt, er sei „nicht grausam“ gewesen. Die SGP hatte dies direkt mit der Rückkehr des deutschen Militarismus in Verbindung gebracht. Deutschland könne nicht zum Militarismus zurückkehren, erklärte sie, ohne „ein neues Narrativ des zwanzigsten Jahrhunderts“ zu entwickeln, „eine Verfälschung der Geschichte, die die Verbrechen des deutschen Imperialismus verniedlicht und rechtfertigt“.

Die Kritik an Baberowski und anderen rechte Professoren fand unter Studierenden und Arbeitern große Unterstützung. Die herrschenden Kreise waren alarmiert. Die F.A.Z. beschuldigte die SGP des „Mobbing“ und beklagte sich über ihre „Wirkungsmächtigkeit“. Das Präsidium der Humboldt-Universität stellte sich hinter Baberowski und erklärte Kritik an dem rechtsradikalen Professor für „unzulässig“. Seit nunmehr eineinhalb Jahren zensiert Google in enger Abstimmung mit deutschen Regierungskreisen linke und progressive Websites, darunter allen voran die World Socialist Web Site.

Das Buch „Warum sind sie wieder da?“, dokumentiert den Kampf der SGP gegen die Wiederkehr von Faschismus, Militarismus und Autoritarismus in Deutschland und entwickelt ihn weiter. „Das Buch ist nicht vom Standpunkt eines neutralen Beobachters geschrieben, sondern als Beitrag zum Kampf gegen die Wiederkehr von Militarismus und Faschismus. Es soll dazu beitragen, dass die Nürnberger Prozesse dieses Mal geführt werden, bevor es zur Katastrophe kommt, und nicht erst danach“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SGP, Christoph Vandreier, im Vorwort.

5. Die Rolle von SPD, Linkspartei, Grünen und Gewerkschaften

Die Rückkehr des deutschen Militarismus und die Stärkung der extremen Rechten wären nicht möglich ohne die tatkräftige Unterstützung von SPD, Linkspartei, Grünen und Gewerkschaften.

Vor 100 Jahre verbündete sich die SPD unter Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann und Gustav Noske mit den reaktionärsten Kräften im Militär, um die Novemberrevolution von 1918/19 niederzuschlagen und die revolutionären Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu ermorden. Heute knüpft die Sozialdemokratie an diese Politik an, hat aber anders als vor 100 Jahren nicht mehr das Geringste mit der Arbeiterklasse zu tun. Sie ist eine rechte Staatspartei, die ausschließlich die Interessen der Banken, Großkonzerne, Geheimdienste und der Bundeswehr vertritt.

Infolge ihrer Kriegspolitik und der unsozialen Agenda 2010, die Millionen in Armut gestürzt und den größten Billiglohnsektor in Europa geschaffen hat, ist sie unter Arbeitern und Jugendlichen verhasst.Sie reagiert auf ihre jüngsten Wahldebakel, indem sie die Große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Leben erhält und hinter den Kulissen mit rechtsextremen Kräften paktiert. So verdankt etwa der AfD-Politiker Stephan Brandner sein Amt als Vorsitzender des Rechtsausschusses dem sozialdemokratischen Bundestags-Vizepräsidenten Thomas Oppermann, der den AfD-Mann zur Wahl vorgeschlagen hat.

An der Humboldt-Universität (HU) in Berlin setzt die sozialdemokratische Präsidentin Sabine Kunst die Politik des Verfassungsschutzes in enger Zusammenarbeit mit der AfD in die Tat um. Nach einer Anfrage des Berliner AfD-Abgeordneten Martin Trefzer verklagte Kunst Ende Juli den RefRat (AStA) der HU, um die vollen Namen sämtlicher Referenten und ihrer Stellvertreter zu erhalten. Die Listen würden rechtsextremen Kreisen dazu dienen, linke Studierende einzuschüchtern und zu attackieren. Kunst vorrangiges Ziel ist es, den rechtsradikalen Professor Baberowski gegen die wachsende Opposition in der Studierendenschaft zu verteidigen.

Die Grünen zählen zu den eifrigsten Befürwortern deutscher Militäreinsätze, seit sie vor zwanzig Jahren den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr in Jugoslawien gegen erbitterten Widerstand durchgesetzt haben. Auch in der Innen- und Flüchtlingspolitik stehen sie weit rechts. Überall dort, wo sie mit SPD, CDU, FDP und/oder Linkspartei regieren, werden die Sicherheitskräfte aufgerüstet und Flüchtlinge brutal abgeschoben. Ihr bevorzugter Koalitionspartner ist inzwischen die CDU. Selbst zu einer Koalition mit der CSU erklärten sie sich nach der bayrischen Landtagswahl bereit, deren Vorsitzender Horst Seehofer sich offen hinter die Neonazi-Aufmärsche in Chemnitz gestellt hat.

Wie die Grünen repräsentiert auch die Linkspartei nicht die Interessen der Arbeiter, sondern die des Staats und wohlhabender Mittelschichten, die mit beiden Beinen im Lager des deutschen Imperialismus stehen. Sie ist aus der stalinistischen Staatspartei der DDR hervorgegangen, die die Arbeiterklasse unterdrückte und die Restauration des Kapitalismus in Ostdeutschland unterstützte. 2007 schloss sich die Partei mit der WASG zusammen, die aus alten SPD-Bürokraten, Gewerkschaftern und Mitgliedern pseudolinker Gruppen bestand.

2013 war die Linkspartei an der Ausarbeitung des SWP-Papiers „Neue Macht – neue Verantwortung“ beteiligt und damit von Anfang an in die Rückkehr des deutschen Militarismus eingebunden. Seitdem hat sie die außenpolitische Offensive der Bundesregierung loyal unterstützt. Wo sie auf Länderebene regiert, setzt sie neue Maßstäbe in der Kürzungspolitik. Berlin hat die Linkspartei zur sprichwörtlichen Hauptstadt der Armut gemacht. In Griechenland zerstört ihre Schwesterpartei Syriza mit einem rabiaten Sparprogramm das Leben von Millionen Menschen.

Teile der Linkspartei stehen mittlerweile offen im rechten Lager. So hat die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht gegen die Unteilbar-Demo in Berlin mobilisiert und die Forderung nach „offenen Grenzen“ als „irreal und völlig weltfremd“ verhöhnt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Wagenknecht offen mit der extremen Rechten paktiert. AfD-Chef Alexander Gauland preist Wagenknecht regelmäßig als „mutige Stimme der Vernunft“ und feiert ihre Ausfälle gegen Flüchtlinge („Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“) als „sehr schön auf den Punkt gebracht“.

6. Schluss mit Armut und Ausbeutung – für soziale Gleichheit!

Die sozialdemokratische Behauptung, der Klassengegensatz zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie lasse sich durch „soziale Marktwirtschaft“ und Sozialpartnerschaft überwinden, hat sich endgültig als Lüge entpuppt. Spätestens seit den 1980er Jahren wächst die Kluft zwischen Arm und Reich in rasendem Tempo. Inzwischen hat sie ein Ausmaß angenommen, das jede Vorstellungskraft sprengt.

Weltweit besitzen die acht reichsten Individuen gleich viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Menschheit, also 3,6 Milliarden Menschen. Dieser soziale Gegensatz zieht sich quer durch sämtliche Länder und ganz Europa. In Bulgarien liegt der Durchschnittslohn trotz EU-Mitgliedschaft acht Mal niedriger als in Deutschland. In Deutschland selbst, einem der reichsten Länder Europas, leben 12,9 Millionen Menschen in Armut und 3,2 Millionen haben mehr als einen Job, weil der niedrige Lohn sonst nicht zum Leben reicht. Selbst wer „normal“ verdient, wird durch unerschwingliche Mieten, lange Arbeitswege, steigende Arbeitshetze und Unsicherheit vor existenzielle Probleme gestellt.

Die Gewerkschaften und ihre betrieblichen Funktionäre haben sich in Co-Manager im Dienste des Kapitals verwandelt und die soziale Konterrevolution organisiert. Es gibt kaum eine Entlassung oder Lohnsenkung, die nicht ihre Unterschrift trägt. Sie reagieren mit erbitterter Feindschaft auf jedes Zeichen von Militanz und bemühen sich, Arbeitskämpfe entweder ganz zu unterbinden oder in eine ohnmächtige Sackgasse zu lenken. Soweit es rechtsextremen Parteien gelungen ist, Unterstützung unter Arbeitern zu finden, verdanken sie dies der Erbitterung über die reaktionäre Rolle der Sozialdemokratie, der Pseudolinken und der Gewerkschaften.

Die SGP lehnt das kapitalistische System und seine politischen Handlanger entschieden ab. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen höher stehen als die Profitinteressen der Wirtschaft. Die großen Vermögen, Banken und Konzerne müssen enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden. Nur so können die sozialen Rechte aller gesichert werden. Dazu gehören das Recht auf einen angemessen bezahlten Arbeitsplatz, eine erstklassige Ausbildung, bezahlbaren Wohnraum, sichere Renten, eine sehr gute medizinische Versorgung und Zugang zu Kultur.

7. 80 Jahre Vierte Internationale

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale ist heute die einzige ernsthaft sozialistische Tendenz, die die sozialen Interessen und historischen Perspektiven der Arbeiterklasse vertritt. Das ist das Ergebnis seines jahrzehntelangen Kampfs für marxistische Prinzipien und die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse. In der Geschichte, dem Programm und der aktuellen Politik des IKVI konzentrieren sich die Lehren und Erfahrungen aus mehr als 150 Jahren erbitterten Klassenkämpfen, aus Siegen wie aus Niederlagen.

Mit der Gründung der Vierten Internationale hatten Leo Trotzki und die internationale Linke Opposition vor achtzig Jahren das Fazit aus ihrem 15-jährigen Kampf gegen die stalinistische Degeneration der Sowjetunion und der Kommunistischen Internationale gezogen. Sie verteidigten die internationalistische Strategie, die der Oktoberrevolution 1917 zum Sieg verholfen hatte, gegen das nationalistische Programm des „Sozialismus in einem Land“, das die Interessen der Bürokratie innerhalb der Sowjetunion zum Ausdruck brachte.

Die Unterordnung der Komintern unter die nationalen Interessen der Sowjetbürokratie war die Ursache verheerender Niederlagen der internationalen Arbeiterklasse, die 1933 in der deutschen Katastrophe gipfelten. Unter dem Einfluss Moskaus hatte die KPD die Gefahr des Faschismus heruntergespielt und einen gemeinsamen Kampf der deutschen Arbeiterklasse gegen die Nazis verhindert. Statt eine Einheitsfront mit der SPD zu bilden, die damals noch Millionen sozialistischer Arbeiter organisierte, bezeichnete sie diese als „Sozialfaschisten“, die sich nicht von den Nazis unterschieden.

Die Weigerung der Komintern, aus der deutschen Katastrophe Lehren zu ziehen, bewog Trotzki, mit ihr zu brechen und zur Gründung der Vierten Internationale aufzurufen. Gegen die offen konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus, die verheerende Volksfrontpolitik und den Massenmord an Kommunisten in der Sowjetunion verteidigte sie die sozialistischen Prinzipien von Internationalismus und Arbeitermacht.

Das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs und die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus verschafften dem Kapitalismus eine Atempause. Gestützt vor allem auf die Ressourcen des amerikanischen Kapitalismus entwickelte sich in der Nachkriegszeit ein wirtschaftlicher Aufschwung. Die diskreditierten sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften gewannen wieder Einfluss. An der Spitze der nationalen Befreiungskämpfe standen bürgerliche Führer, die einen Kompromiss mit dem Imperialismus anstrebten.

Dies blieb nicht ohne Einfluss auf die Vierte Internationale. Das Internationale Komitee musste jahrzehntelang gegen die politischen Strömungen des Pablismus und des Staatskapitalismus kämpfen, die sich an die stalinistischen, reformistischen und nationalen Bewegungen anpassten und ihnen eine revolutionäre Rolle zuschrieben. Nicht die Arbeiterklasse unter Führung der Vierten Internationale werde den Sozialismus in einer Revolution erkämpfen, behaupteten sie alle in der einen oder anderen Form, sondern ein „fortschrittlicher“ Flügel der stalinistischen Bürokratie, maoistische Bauernarmeen, „linke“ Sozialdemokraten und Gewerkschafter oder bürgerliche Nationalisten wie Ben Bella, Jassir Arafat und Fidel Castro würden einen allmählichen Übergang zum Sozialismus herbeiführen.

Mit der Spaltung von der britischen Workers Revolutionary Party, die sich den pablistischen Positionen zunehmend angepasst hatte, erlangten die orthodoxen Trotzkisten in den Jahren 1982 bis 1986 die Kontrolle über das Internationalen Komitee zurück und konnten, gestützt auf das historische Erbe der Vierten Internationale, eine beispiellose theoretische und politische Entwicklung vollziehen. Die Analyse der Globalisierung, das Verständnis der kapitalistischen Restauration in der Sowjetunion, des Bankrotts des Reformismus und der Gewerkschaften haben die Partei in Übereinstimmung mit der objektiven Entwicklung des Klassenkampfs gebracht und auf die kommenden revolutionären Kämpfe vorbereitet. Ausdruck fand das in der Umwandlung der Sektionen von Bünden in Parteien und der Gründung der World Socialist Web Site als internationalem Organ des IKVI.

Heute haben sich alle Einschätzungen des Internationalen Komitees bestätigt. Die stalinistische Bürokratie hat die Sowjetunion liquidiert und kapitalistische Eigentumsverhältnisse eingeführt, um ihre Privilegien gegen die Arbeiterklasse zu sichern. Die Maoisten haben China in ein Paradies der kapitalistischen Ausbeutung verwandelt. Die nationalen Bewegungen sind zu Lakaien der imperialistischen Mächte verkommen. Und die reformistischen Parteien befinden sich aufgrund ihrer rechten Politik im freien Fall.

„Die kapitalistische Welt hat keinen Ausweg, wenn nicht ein verlängerter Todeskampf als solcher betrachtet werden soll,“ hatte Trotzki 1940, kurz vor seiner Ermordung durch einen stalinistischen Agenten geschrieben. „Man muss sich auf viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, von Krieg, Aufständen, kurzen Zwischenspielen des Waffenstillstandes, neuen Kriegen und neuen Aufständen gefasst machen. Eine junge revolutionäre Partei muss sich auf diese Perspektive gründen.“

Die Ereignisse haben diese historische Perspektive bestätigt. Die Vierte Internationale unter Führung des Internationalen Komitees hat in diesen bewegten Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen gesammelt und zentrale theoretische Fragen geklärt. Jetzt sind die Bedingungen vorhanden, um sie als Massen-Weltpartei der sozialistischen Revolution aufzubauen.

8. Die Aufgaben der Sozialistischen Gleichheitspartei

Die SGP und ihre Schwesterparteien im IKVI kämpfen für dasselbe Ziel und stehen vor denselben grundlegenden Aufgaben. In der Resolution des Fünften Parteitags der Socialist Equality Party (USA) heißt es dazu:

„Die Hauptaufgabe der SEP besteht darin, eine revolutionäre Vorhut aufzubauen, der Arbeiterklasse ein immer genaueres Verständnis ihrer Ziele zu vermitteln und das Wesen der sich entwickelnden Bewegung zu erklären. Die SEP muss dafür kämpfen, die zunehmenden Kämpfe der Arbeiterklasse mit einer sozialistischen, internationalistischen und antiimperialistischen politischen Bewegung zu verbinden, um die Staatsmacht zu übernehmen und das Wirtschaftsleben auf der Grundlage sozialer Bedürfnisse anstelle von privatem Profit neu zu organisieren. Der Politik von Krieg und sozialer Konterrevolution der herrschenden Klasse muss die Arbeiterklasse ein Programm der sozialistischen Revolution entgegenstellen.“

Daraus ergeben sich für den Europa-Wahlkampf der SGP folgende Aufgaben:

a) Eine europaweite Kampagne für die Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, die sie gemeinsam mit der Socialist Equality Party in Großbritannien und der Parti de l’égalité socialiste in Frankreich führt. Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa sind die einzige Möglichkeit, einen Rückfall in Faschismus und Krieg zu verhindern und den Kontinent im Interesse der großen Mehrheit seiner Bevölkerung zu vereinen.

b) Eine systematische politische Arbeit in der Arbeiterklasse. Wie die SEP in den USA kämpft auch die SGP für den Aufbau von gewerkschaftsunabhängigen Komitees in Betrieben und Wohnvierteln und verbindet dies mit der politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen das kapitalistische System.

c) Der Aufbau einer Antikriegsbewegung, die sich auf die Arbeiterklasse stützt und auf den Prinzipien beruht, die in der Erklärung des IKVI „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ dargelegt sind.

d) Die Verteidigung von Flüchtlingen und Migranten, den Opfern der imperialistischen Ausbeutungs- und Kriegspolitik. Die SGP verteidigt das Recht auf Asyl und lehnt jede Form von Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit ab. Die Angriffe auf Flüchtlinge richten sich gegen alle Arbeiter. Notwendig ist ein gemeinsamer Kampf aller hier lebenden Menschen gegen den Kapitalismus. Jeder Arbeiter hat das Recht, im Land seiner Wahl zu leben und zu arbeiten.

e) Die Ausweitung der Kampagne gegen die Rückkehr des deutschen Militarismus, den Angriff des Verfassungsschutzes und die Verschwörung der herrschenden Eliten. Die SGP lässt sich nicht einschüchtern. Die Große Koalition und ihre Geheimdienst werden von großen Teilen der Bevölkerung verachtet und abgelehnt und haben keine Legitimation. Die SGP wird juristisch gegen ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz vorgehen und fordert Neuwahlen. Sie wird den Wahlkampf dafür nutzen, für eine sozialistische Alternative zu Kapitalismus, Krieg und Autoritarismus einzutreten und ihren Einfluss unter Arbeitern, Jugendlichen und Studierenden auszubauen.

f) Die Verbreitung des Buchs „Warum sind sie wieder da?“ Das Buch ist nicht nur ein Ergebnis des Kampfs der SGP in den vergangenen fünf Jahren, sondern führt ihn weiter und erklärt die Notwendigkeit einer sozialistischen Perspektive gegen die rechte Gefahr.

g) Eine ambitionierte landes- und europaweite Kampagne zum Aufbau der IYSSE an Universitäten, Berufsschulen und Schulen. Das erfordert einen systematischen theoretischen und politischen Kampf gegen die vorherrschenden Formen bürgerlicher Ideologie, insbesondere gegen die irrationalistischen Konzeptionen der Postmoderne und gegen die Identitätspolitik. Unter Studierenden und Jugendlichen gibt es massiven Widerstand gegen den Aufstieg der AfD und die Umwandlung ihrer Lernstätten in Kaderschmieden des deutschen Imperialismus. Diese Opposition muss auf die Arbeiterklasse orientiert werden und braucht eine sozialistische Perspektive.

h) Die Entwicklung und Verbreitung der WSWS. Grundlage für einen wirkungsvollen Wahlkampf und eine politisch starke Arbeit der Kandidaten und der gesamten Partei sind die stetige Analyse und Aufdeckung politischer, sozialer und kultureller Entwicklungen durch die World Socialist Web Site, eine ständige Polemik gegen die Ideologen der Bourgeoisie und die politische und theoretische Abgrenzung der revolutionären Partei von allen pseudolinken Tendenzen.

i) Das Studium der Geschichte. Um ihre Verantwortung im Wahlkampf und darüber hinaus wahrzunehmen, müssen die Mitglieder der Partei mit der Geschichte und den historischen Erfahrungen der marxistischen Bewegung fest vertraut sein. Insbesondere muss in der Arbeiterklasse ein Verständnis der reichhaltigen 80-jährigen Geschichte der Vierten Internationale verankert werden.

Die zukünftige Entwicklung wird davon abhängen, was sich schneller entwickelt: das sozialistische Bewusstsein der Arbeiterklasse oder die Vorbereitung der herrschenden Klasse auf Krieg und Diktatur. Das ist keine Frage passiver Spekulation. Das entschlossene Eingreifen der revolutionären Partei spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Was erreicht werden kann und was nicht, wird im Kampf entschieden. Die Beziehung zwischen der Krise des kapitalistischen Systems und dem Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse ist nicht statisch, sondern dynamisch. Explosive Ereignissen werden alte Überzeugungen untergraben und das gesellschaftliche Bewusstsein radikalisieren. Doch nur eine Partei, die sich auf die historischen Lehren aus dem Klassenkampf stützt und ein marxistisches Verständnis der gegenwärtigen Krise hat, kann das politische Bewusstsein der Arbeiterklasse auf das Niveau heben, das für den Sturz des Kapitalismus erforderlich ist.

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