Perspektive

Zum Kidnapping von Meng Wanzhou, der Chefin des Huawei-Konzerns

Am 6. Dezember nahm die Welt schockiert zur Kenntnis, dass die kanadischen Behörden Meng Wanzhou, die stellvertretende Vorsitzende des chinesischen Smartphone-Riesen Huawei, ohne die Möglichkeit einer Kaution verhaftet und eingesperrt hatten. Sie soll amerikanische Sanktionsbestimmungen gegen den Iran verletzt haben. Washington fordert ihre Auslieferung an die USA.

Die Behauptung der US-Beamten, der Schritt habe „nichts mit einem Handelskrieg zu tun“, sind offensichtliche Lügen und werden nicht einmal von denjenigen Journalisten unterstützt, die ihre Festnahme in den Medien rechtfertigen. Man kann Mengs Verhaftung am 1. Dezember und ihre Festsetzung aufgrund zweifelhafter und höchst undurchsichtiger Anschuldigungen, die möglicherweise eine Haftstrafe von 60 Jahren nach sich ziehen, nur als Kidnapping bezeichnen.

Die britische Financial Times, die offensichtlich über das Vorgehen ihres Verbündeten verärgert war, bezeichnete die Maßnahme als „Provokation“ und als „Einsatz amerikanischer Machtmittel zur Verfolgung politischer und wirtschaftlicher Ziele anstelle einer einfachen Strafverfolgung“.

Es ist mit anderen Worten Gangstertum, das dazu bestimmt ist, eine Botschaft an „Verbündete“ und „Feinde“ gleichermaßen zu senden: Folge den Anweisungen der Vereinigten Staaten, oder du wirst wie Meng enden, oder schlimmer. In Verfolgung ihrer geopolitischen Ziele handeln die Vereinigten Staaten als Schurkenstaat, der gegen das Völkerrecht verstößt und sich mutwillig darüber hinwegsetzt.

Die USA sind der Hauptakteur in einem internationalen Rückfall in die Gesetzlosigkeit, die an Großmachtkonflikte und kriminelles Verhalten erinnert, wie es zum Zweiten Weltkrieg geführt hatte. Die USA verhängen einseitig illegale Sanktionen gegen jedes Land, das sie als Hindernis für ihre hegemoniale Agenda betrachten. Sie wenden die Methoden des Terrors an, um diejenigen zu bestrafen, die sich ihrem Diktat widersetzen.

Nachdem die Nachricht von Meng's Verhaftung die Welt verblüffte, ließ die New York Times am nächsten Morgen eine weitere Bombe platzen. Als Donald Trump am vergangenen Samstag mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zu Mittag aß, um einen „Waffenstillstand“ im Handelskrieg zwischen den USA und China zu vereinbaren, da wusste der US-Präsident offenbar nicht, dass die beispiellose Verhaftung bevorstand. Dabei waren führende Politiker wie der Demokratische Senator Mark Warner, der Republikanische Senator Richard Burr und Sicherheitsberater John Bolton, der Trump zum Treffen mit Xi begleitete, über den Plan informiert.

Auf die Frage, warum er den Präsidenten nicht eingeweiht habe, erklärte Bolton kryptisch, was die Informationen aus dem Justizministerium beträfe, so „informieren wir den Präsidenten natürlich nicht über jede von ihnen“.

Mengs Verhaftung torpediert jede Aussicht auf einen Waffenstillstand im Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China. Die Financial Times warnte: „Diese Entente schien schon zuvor brüchig. Seit der Verhaftung von Frau Meng sieht die Frist für einen Fortschritt eher wie eine Zeitbombe aus.“

Die Tatsache, dass eine solche provokante Aktion nach der halboffiziellen Verlautbarung ohne Wissen des amerikanischen Präsidenten stattfinden konnte, macht eins deutlich: Der US-Konflikt mit China ist nicht etwa das Ergebnis von Trumps persönlichen Eigenheiten oder seiner speziellen Auffassung eines „America First“-Populismus. Vielmehr steht ein großer Teil des „tiefen Staats“, der Trump-Regierung und der Abgeordneten hinter Trumps aggressiver Anti-China-Politik.

Als Reaktion auf die Nachricht von der Verhaftung lobte Senator Warner, ein Befürworter der Internet-Zensur durch US-Technologieunternehmen, die Aktion und erklärte: „Es ist seit einiger Zeit klar, dass Huawei eine Bedrohung für unsere nationale Sicherheit darstellt.“ Er fügte hinzu: „Es ist meine Hoffnung, dass die Trump-Administration Huawei voll und ganz für die Verletzung des Sanktionsgesetzes verantwortlich macht.“

Andere Politiker im Dunstkreis der Demokraten waren schnell dabei, den Schritt zu loben, und gingen sogar so weit, Trump zu verurteilen, weil er nicht hart genug gegen China vorgegangen sei. „Zu lange haben die amerikanischen Führer nicht ausreichend scharf auf Chinas zunehmendes Durchsetzungsvermögen reagiert“, schrieb der Kolumnist der New York Times, David Leonhardt. „Eine schärfere Politik gegenüber China macht Sinn.“

Keine der drei führenden amerikanischen Zeitungen (Times, Washington Post und Wall Street Journal) hat auch nur einen Kommentar veröffentlicht, der die kriminelle Handlung des Weißen Hauses im Geringsten kritisierte.

Dies weist auf die parteiübergreifende Akzeptanz der Leitlinie hin, die Vizepräsident Mike Pence in einer wichtigen politischen Rede zu China am 4. Oktober dargelegt hatte und die von Kommentatoren als Beginn eines neuen „Kalten Kriegs“ mit China bezeichnet wurde. In dieser Rede forderte Pence, dass Peking seinen Plan „Made in China 2025“ aufgeben müsse. Pence behauptete, China versuche damit, „90 Prozent der fortschrittlichsten Industrien der Welt zu kontrollieren, einschließlich Robotik, Biotechnologie und künstliche Intelligenz“.

Nur wenige Tage nach der Rede von Pence veröffentlichte das Pentagon eine Studie über die industrielle Basis der US-Verteidigungsindustrie und argumentierte, dass die Vereinigten Staaten einen „gesamtgesellschaftlichen“ Ansatz zur Vorbereitung auf den militärischen Konflikt mit China benötigten.

Der ehemalige Trump-Berater und Neofaschist Stephen Bannon lobte Mengs Verhaftung als Teil eines Ansatzes der „Gesamtregierung“ zur Bekämpfung Chinas mit allen Mitteln. „Unter Trump“, sagte er der Financial Times, „sehen Sie zum ersten Mal, dass alle Kräfte der amerikanischen Staatsmacht endlich zusammenkommen, um China zu bekämpfen“.

Die zunehmend aggressive Haltung des amerikanischen Establishments gegenüber China bedeutet in keiner Weise einen Rückzug von dem Konflikt mit Russland oder dem Iran. Tatsächlich hat die Regierung in Washington in den zwei Monaten, seit Pence seinen neuen „Kalten Krieg“ mit China angekündigt hat, einige besonders aggressive Maßnahmen gegen Russland ergriffen. Sie hat ihre Verbündeten in der Ukraine angestachelt, Kriegsschiffe in russische Gewässer zu schicken, und damit einen gewaltsamen Konflikt provoziert. Außerdem hat sie angekündigt, sich aus dem INF- Abrüstungsvertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces) zurückzuziehen.

Die amerikanische herrschende Klasse und ihr militärischer Geheimdienst bereiten sich auf einen Krieg gegen die nuklear bewaffnete Macht China vor. Für sie ist es entscheidend, die chinesische Entwicklung zum Hightech-Rivalen zu verhindern. Damit vertreten sie nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der Konzern-Oligarchie, sondern haben auch die militärische Vorherrschaft der USA im Auge.

Die Welt steht am Rande eines Generationswechsels in der Funktechnologie, bekannt als 5G. Diese Entwicklung wird nach Ansicht ihrer Befürworter zu einer massiven Ausweitung des sogenannten „Internets der Dinge“ führen. Diese über 5G verbundenen „Dinge“ werden künftig billiger und wesentlich leistungsfähiger sein als die heutigen „intelligenten“ Geräte, und sie werden nicht nur Haushaltsgeräte und Fabrikroboter umfassen, sondern auch Kriegswaffen. Letztere können natürlich das Kommunikationsnetz für einen Vorsprung an Präzision und Geschwindigkeit nutzen.

Huawei ist der weltweit führende Anbieter von 5G-Infrastrukturen. Die Vereinigten Staaten versuchen, sämtliche Hebel ihrer wirtschaftlichen, militärischen und geopolitischen Macht zu nutzen, um China aus dem Sektor zu drängen und selbst die globale wirtschaftliche und militärische Vorherrschaft zu erlangen.

Der zweite, nicht minder wichtige Faktor ist das Anwachsen interner sozialer Spannungen und des Klassenwiderstandes der Arbeiterklasse. Unter Bedingungen, die der Atlantikrat als „Legitimationskrise“ für den Staat bezeichnet hat, möchte die herrschende Klasse explosive Klassenspannungen nach außen ablenken und benötigt dafür einen externen Feind, sei es Russland oder China. Wie Times-Kolumnist Leonhardt kürzlich schrieb, soll China offenbar dazu dienen, für die amerikanische Öffentlichkeit einen „klaren Antagonisten“ zu schaffen.

Schließlich spielen zweifellos der Schutz des amerikanischen Technologiesektors und die Ausweitung seiner globalen Monopole eine wichtige Rolle. Der Techniksektor ist immer tiefer mit dem US-Geheimdienst verbunden. Die amerikanischen Technologieriesen haben auf Geheiß von Persönlichkeiten wie Warner in den letzten zwei Jahren eine massenhafte Zensur oppositioneller Standpunkte und eine Schleppnetzüberwachung der amerikanischen Bevölkerung eingeführt. Im Gegenzug erhalten sie fette Aufträge vom Militär, der Polizei und den Geheimdiensten, während der amerikanische Staat ihre Rivalen – wie Huawei – ins Visier nimmt.

Das Vorgehen der amerikanischen Regierung könnte verheerende Folgen haben. Mit der Offensive gegen China schüren die Vereinigten Staaten Bedingungen, die im vergangenen Jahrhundert zweimal zu einem Weltkrieg geführt haben.

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