Geldern: Demonstration fordert Aufklärung über Tod von Amad Ahmad

Am Samstag demonstrierten rund 100 Menschen in Geldern, um Aufklärung über den Tod von Amad Ahmad zu fordern. Amad lebte nach seiner Flucht in Geldern, wo er fälschlicherweise festgenommen wurde und zwei Monate später, nach seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Kleve, in einer brennenden Gefängniszelle den Tod fand.

Die Demonstration war von der „Initiative Amad Ahmad – Aufklärung jetzt“ organisiert worden, in der sich Freunde von Amad zusammengeschlossen haben. Wir sprachen in Geldern mit Vertretern der Initiative und Demonstranten.

Die Demo am Samstag in Geldern

Filiz ist 27 und Sprecherin der Initiative. Die Deutsch-Kurdin ist in Geldern geboren, lebt dort mit ihrer zweijährigen Tochter und kannte Amad gut. „Ich war auf Amads Beerdigung und das hat mich so traurig gemacht“, sagt sie. „Gleichzeitig gibt es so viele ungeklärte Fragen, die mich immer auch an den Tod von Oury Jalloh erinnern. Ich habe recherchiert und viele Ähnlichkeiten entdeckt. Auch im Fall von Amad wurden so viele Behauptungen ausgesprochen, die einfach nicht stimmen können. Daher haben wir beschlossen, die Initiative zu gründen und diese Demo zu organisieren. Wir möchten Aufklärung!“

Filiz mit zwei Freunden, Gökhan und Deniz (rechts)

Sie wirft einige der drängendsten Fragen auf: „Wie kann man einen kurdischen Syrer mit einem Schwarzafrikaner verwechseln? Wie kann man Fingerabdrücke verwechseln? Das geht doch gar nicht.“

Es werde auch nicht in alle Richtungen ermittelt. „Ob es beim Tod von Amad wie bei Oury Jalloh einen rassistischen Hintergrund gab, dazu wird erst gar nicht ermittelt. Die Beamten der Polizei und des Gefängnisses sollen alle Fehler gemacht haben. Jeder Mensch kann Fehler machen. Aber sechs Beamte, die Amad festgenommen und verhört haben, wollen nicht bemerkt haben, dass sie den falschen Amad inhaftiert haben? Das ist doch total unglaubwürdig.“

Filiz und Amads Freunde glauben auch nicht, dass er suizidal war, wie dies von offiziellen Stellen behauptet wird. „Amad hat aus dem Fenster geschrien, das haben Mithäftlinge geschildert. Was haben die JVA-Beamten gemacht? Wer hat nach 15 Minuten die Gegensprechanlage abgestellt? So viele Fragen, die mich stutzig machen.“

Zudem: „Amad ist vor dem Krieg in Syrien geflohen, hier in Geldern hat er sehr viele Freunde gefunden. Er hat hier gejobbt, im Fußballverein gespielt.“

Filiz muss kurz unterbrechen, sie kämpft mit den Tränen und wird von einem Freund in den Arm genommen. „Das ist so unfair“, beklagt sie. „Erst sitzt er unschuldig in Haft, dann ist er verbrannt.“

Zwei Wochen nach dem Zellenbrand hätte er ohnehin freigelassen werden sollen. „Man sagt uns, dass hätte man ihm auch gesagt“, berichtet Filiz. „Die Frage ist ja, ob er das auch verstanden hat. Die Behörden haben ihm weder einen Rechtsbeistand noch einen Dolmetscher vermittelt. Die Polizei sagt, er habe ausreichend Deutsch gesprochen. Aber wir mussten für Amad oft vom Deutschen ins Kurdische übersetzen.“

Am dramatischsten sei gewesen, wie sie alle, einschließlich der Familie von Amad, vom Tod erfahren hatten. „Wir wussten ja alle nicht, wo er ist. Er war auf einmal nicht mehr da. Wir haben erst erfahren, wo er war, als er tot war, durch die Medien. Sein Vater, der in Bonn lebt, hat über Facebook vom Tod eines Amad A. erfahren und musste recherchieren, um dann herauszufinden, dass es sich um seinen Sohn handelt.“

„Wir hätten ihm gerne geholfen“, sagt die junge Mutter. „Aber wir wussten nicht, wo er war. Wir wussten selbst nicht, dass er zwei Wochen im Krankenhaus um sein Leben kämpfte. Ich hätte ihm gerne wenigsten dort die Hand gehalten. Am Ende durften wir ihn nur noch beerdigen.“

Der 18-jährige Nehemie war ein Freund von Amad. Der in Geldern aufgewachsene junge Mann war mit seinen Freunden und Amad im Sommer schwimmen. „Wir haben rumgesessen, viel geredet, auch wenn das wegen der Sprache nicht immer so einfach war. Aber wir konnten uns schon verständigen.“ Nehemie hat seinem Freund Amad ein kurzes Lied geschrieben, dass er auf der Demonstration gerappt hat. Darin macht er vor allem den Behörden, „dem System“ den Vorwurf, für Amads Tod verantwortlich zu sein.

Amads Freunde aus Geldern (v.l.n.r.): Ergjan, Alican, Nehemie, Stefan, Edvin

Auch Stefan und Alican kannten Amad gut. „Wir haben auch bei Papierkram von Behörden geholfen“, berichtet Stefan. Alican fügt hinzu: „Amad war ein Ruhiger. Wir haben viel geredet.“

Stefan schildert, dass Amad „auf einmal weg“ war. „Einen Tag, bevor wir von seinem Tod erfahren haben, saßen wir hier und haben uns gefragt, wo er wohl ist. ‚Hoffentlich ist ihm nichts passiert‘, haben wir noch gesagt.“ Auch Stefan erinnert der Fall seines Freundes an den von Oury Jalloh. „Es ist ja nicht das erste Mal, dass jemand in seiner Zelle verbrennt.“ Die beiden Fälle seien zwar nicht identisch, aber es gebe starke Ähnlichkeiten.

Angela Johanna Große

Angela Johanna Große kam aus dem benachbarten Kleve zur Demonstration. „Es ist ein trauriger, aber wichtiger Grund, hier zu sein“, sagt sie und fügt hinzu: „Eigentlich müsste halb Kleve hier sein.“

Die Rentnerin lebt seit drei Jahren am Niederrhein und ist seitdem in der Flüchtlingshilfe aktiv. „Ich habe vor allem Frauen begleitet. Wir wollten auch mal einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aufnehmen, aber da hat eine Vertreterin von der Caritas gesagt, dass unser Haus dazu nicht geeignet ist.“

„Die vielen unsäglichen Dinge des Falls“ hätten sie motiviert, zur Demonstration zu kommen. „Es ist unfassbar, in unserer heutigen Zeit“, sagt sie kopfschüttelnd. „Nach dem Krieg [dem Zweiten Weltkrieg] hat das Rote Kreuz alle vermisst Gemeldeten gesucht. Heute können Flüchtlinge verschwinden und niemand fragt nach. Unfassbar. Artikel 1 unseres Grundgesetzes sagt, die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt doch wohl erst Recht für das Leben. Da kommt jemand in der JVA um, und niemand klärt auf. Dabei erinnert so viel an Oury Jalloh.“

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