Verteidigung Leo Trotzkis auf Moskauer Buchmesse „non/fiction“ vorgestellt

Der Mehring Verlag nahm vom 28. November bis 2. Dezember an der internationalen Buchmesse „non/fiction“ im Zentralen Künstlerhaus in Moskau teil und präsentierte dort die russische Ausgabe von David Norths Verteidigung Leo Trotzkis.

Der Ausstellungskomplex des Zentralen Künstlerhauses an der Krymski Wal

Die Buchmesse „non/fiction“, die in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum feierte, ist eine der größten ihrer Art in Russland. Über 300 Verlage aus 24 Ländern waren dort vertreten und boten den Lesern rund eine Million Bücher zu den unterschiedlichsten Themen aus Wissenschaft, Kultur, Geschichte und Philosophie.

Das Buch Verteidigung Leo Trotzkis, das in diesem Frühjahr im Mehring Verlag erschien, wurde neben einer Reihe anderer Bücher des Verlages am deutschen Stand der Frankfurter Buchmesse ausgestellt.

Das Cover der russischen Ausgabe von Verteidigung Leo Trotzkis

Der Autor David North spielt seit über vierzig Jahren eine führende Rolle in der internationalen sozialistischen Bewegung und ist Vorsitzender der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site und der Socialist Equality Party (US).

North widerlegt in seinem Buch die Angriffe britischer Historiker auf das ideologische und politische Erbe und die Person Leo Trotzkis (1879–1940), einem der Anführer der Oktoberrevolution und der Hauptgegner Stalins. Fast 80 Jahre nach der Ermordung Trotzkis durch einen GPU-Agenten finden stalinistische Verzerrungen und Fälschungen der historischen Tatsachen ihren Weg in die zeitgenössische Geschichtswissenschaft, die sich in einer tiefen Krise befindet.

Die Veröffentlichung des Buches in Russland ist von besonderer Bedeutung. Über hundert Jahre nach der Oktoberrevolution und zum 80. Jahrestag der Gründung der Vierten Internationale haben gerade hier die Auseinandersetzungen über historische Fragen eine unmittelbare politische Relevanz. Drei Jahrzehnte nach der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie hat die soziale Ungleichheit in Russland enorme Ausmaße angenommen. Gleichzeitig drohen die militärischen Provokationen des US-amerikanischen und europäischen Imperialismus einen weiteren Weltkrieg zu entfachen.

Doch keine der großen sozialen und politischen Fragen, mit denen die Arbeiterklasse in Russland konfrontiert ist, kann ohne ein historisches Verständnis des Schicksals der Russischen Revolution und vor allem des Kampfes von Leo Trotzki und der Linken Opposition gegen den Verrat des Stalinismus gelöst werden. Trotzki beschrieb die Lüge einmal als ideologischen Zement der sozialen und politischen Reaktion. Die russische Oligarchie braucht die Geschichtslügen zum Überleben – genau wie früher die stalinistische Bürokratie, aus der sie hervorging.

Deshalb wird Trotzki in Russland bis heute von zahlreichen prostalinistischen und antikommunistischen Historikern verleumdet, die dabei vom Kreml tatkräftig unterstützt werden. 2017, im einhundertsten Jubiläumsjahr der Oktoberrevolution, wurde im russischen Staatsfernsehen sogar eine Serie ausgestrahlt, die mit historischen Fälschungen und antisemitischen Klischees arbeitet, um Trotzki zu diskreditieren und das wachsende Interesse an seinem politischen Erbe zu desorientieren.

Die russische Veröffentlichung von Verteidigung Leo Trotzkis markiert einen wichtigen Schritt in der Verteidigung der historischen Wahrheit über Leo Trotzki und die russische Revolution und trägt dazu bei, die politischen Grundlagen für den Aufbau einer russischen Sektion des IKVI zu schaffen.

Die russische Ausgabe von Verteidigung Leo Trotzkis und weitere Bücher des Mehring Verlags auf der Moskauer Buchmesse

Die Diskussionen, die unsere Korrespondenten mit Studenten, Intellektuellen und anderen Besuchern auf der Buchmesse führten, reflektieren ein wachsendes Interesse an diesen historischen und politischen Fragen und brachten die große Unterstützung für die Veröffentlichung des Buches in Russland zum Ausdruck.

Denis, ein Moskauer Student, sagte, er interessiere sich für Bücher über den heutigen Trotzkismus ebenso wie über die Fragen von Neofaschismus, den Aufstieg rechtsextremer Kräfte und das Schicksal der deutschen Sozialdemokratie. Er berichtete, dass amerikanische und westliche Akademiker oft zu Gast an seiner Universität seien. Als er einen von ihnen nach dem militärischen Vorgehen des Westens und der USA fragte, habe dieser anerkennen müssen, dass das gesamte amerikanische Establishment, nicht nur Trump, extrem aggressiv ist. Denis selbst äußerte sich sehr besorgt über die wachsende Gefahr eines Krieges zwischen Russland und den USA und der NATO.

Igor, ebenfalls Student, findet, dass eine Klärung der historischen Fragen, die mit Leo Trotzki verbunden sind, für das Verständnis der heutigen Welt sehr wichtig ist. Ein Freund von ihm, der gerade seine Dissertation schreibe, beschäftige sich mit dem Aufstieg der extremen Rechten in Deutschland. Die Bücher Warum sind sie wieder da? von Christoph Vandreier und der Band Wissenschaft oder Kriegspropaganda?, die diese Frage analysieren, wurden auch am Buchstand ausgestellt.

Lew Moskowkin, Korrespondent der Zeitung Moskowskaja Prawda und ein ausgebildeter Genetiker, der bei dem international renommierten Biologen und Genetiker Nikolai Timofejew-Ressowski (1900–1981) studiert hat, erklärte, dass er sich schon lange für Trotzki interessiere. Er betonte: „Das Buch ist interessant – und der Autor hat eine bemerkenswerte Analyse vorgenommen, die den Antisemitismus in der britischen Darstellung der Rolle Trotzkis aufzeigt.“

Nach der Buchmesse schrieb Moskowkin auf seinem Blog: „Die Figur Trotzki ist nicht nur ein Schlüssel zum Verständnis der russischen Geschichte, sondern der gesamten Geschichte des 20. Jahrhunderts weltweit – und ich hatte angenommen, dass niemand wirklich daran zweifeln würde. Genau wie an der Tatsache, dass Trotzki der Gründer der Roten Armee war.“

Im Gespräch betonte er, dass er die Artikel auf der World Socialist Web Site sehr schätzt. Besonders freute er sich, als er auf der WSWS einen Artikel fand, der dem deutschen Kommunisten Nathan Steinberger (1910–2005) gewidmet ist, der viele Jahre in stalinistischen Lagern verbracht hatte und in den berühmten Memoiren von Jewgenija Ginsburg Marschroute eines Lebens erwähnt wird. Nathan Steinberger und seine Frau Edith hatten die Familie von Moskowkins Großvater viele Male in Moskau besucht, nachdem sie aus den Lagern in der sibirischen Kolyma-Region zurückgekehrt waren.

Oleg aus Moskau, 54 Jahre alt, sagte, er interessiere sich nicht nur für die Geschichte der Russischen Revolution und das Vermächtnis von Leo Trotzki, sondern sammle auch Artefakte, die mit der Geschichte der Oktoberrevolution zusammenhängen. Er erzählte, dass sein Großvater, ein Arzt, während des Bürgerkriegs in der Ukraine war, wo er auf die Seite der „Roten“, also der Bolschewiki, wechselte. Als Kind hörte er oft die Geschichten seines Großvaters über diese Zeit, in denen deutlich wurde, dass sich die Darstellung der Ereignisse in der offiziellen sowjetischen Propaganda grundlegend von der tatsächlichen Realität unterschied.

Juri Primakow,der Sohn des sowjetischen Generals und linken Oppositionellen Witali Primakow, der 1937 im „Tuchatschewski-Prozess“ gegen die Führer der Roten Armee erschossen wurde, begrüßte die Veröffentlichung des Buches mit folgenden Worten: „Diese Publikation ist ein sehr wichtiges Ereignis. In Russland wird der Name Trotzki immer noch entweder verschwiegen oder den vulgärsten Angriffen ausgesetzt. Die russische Ausgabe von David Norths Buch Verteidigung Leo Trotzkis soll den russischsprachigen Lesern helfen, nicht nur den wahren Trotzki zu entdecken, sondern auch das tragische Schicksal der Russischen Revolution zu verstehen und sich bewusst darüber zu werden, welche extrem negative Rolle der Stalinismus in der sowjetischen Geschichte gespielt hat.“

Die russische Ausgabe von „Verteidigung Leo Trotzkis“ ist sowohl als E-Book als auch in gedruckter Form erhältlich und kann hier bestellt werden.

Das Vorwort von Wladimir Wolkow zur russischen Ausgabe findet sich hier.

Die deutsche Ausgabe von "Verteidigung Leo Trotzkis kann hier bestellt werden. 

Nehmt Kontakt auf unter: mehring[at]gleichheit.de

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