Streik bei Audi in Ungarn

Im Werk des deutschen Autoherstellers Audi im westungarischen Györ sind am Donnerstag Tausende Mitarbeiter in einen einwöchigen Streik getreten. Sie fordern eine spürbare Anhebung der miserablen Löhne. Bereits am Freitag zuvor hatten sich 4000 Beschäftigte an einem zweistündigen Warnstreik beteiligt.

Zum Streik aufgerufen hat die Unabhängige Gewerkschaft bei Audi Hungaria (AHFSZ). Sie fordert eine Anhebung der Löhne um 18 Prozent oder umgerechnet mindestens 236 Euro. Derzeit verdienen die Beschäftigten in dem rund 100 Kilometer von Budapest entfernten Werk deutlich weniger als ihre Kollegen in Tschechien, der Slowakei oder in Polen. Ein Arbeiter in der Montage verdient gerade einmal rund 1000 Euro. Das ist drei Mal weniger als ein deutscher Audiarbeiter, bei Lebenshaltungskosten, die sich dem westlichen Niveau annähern.

Der Ausstand trifft die Produktion massiv. „Aktuell steht die Produktion in Ungarn,“ erklärte ein Unternehmenssprecher in Ingolstadt am Donnerstag. Der Vizechef der AHFSZ, György Csalogány, erklärte Donnerstagmorgen, dass die Motor- und Fahrzeugproduktion „praktisch zu 100 Prozent stillsteht“. Sollte der Streik fortgesetzt werden, droht aufgrund der unterbrochenen Lieferketten weiteren Werken der Produktionsstillstand. Auch die zahlreichen Zulieferbetriebe in Ungarn sind betroffen.

Audi ist mit über 12.000 Mitarbeitern der größte ausländische Investor in Ungarn. Angezogen von Billiglöhnen und einer korrupten Elite, die ausschließlich die Interessen der Wirtschaft im Auge hat, ging Audi, ebenso wie zahlreiche andere Autobauer, Anfang der 1990er Jahre nach Osteuropa. Seit der Eröffnung des Standortes investierte Audi rund sechs Milliarden Euro in Györ. Dort werden Benzin-, Diesel- und Elektromotoren für Audi und andere Marken der VW-Gruppe produziert. Jährlich gehen rund zwei Millionen Motoren und ca. 100.000 Fahrzeuge der Modelle A3 und TT vom Band.

Die Gewerkschaften bei Audi reagieren mit dem Streik auf die starke Unruhe und die Wut unter den Beschäftigten. Mehr als 9000 Arbeiter im Werk sind in der Gewerkschaft organisiert. Konfrontiert mit massiven Preissteigerungen und ständigen Kürzungen der rechten Orban-Regierung kommen die Arbeiter mit den kargen Löhnen kaum mehr über die Runden. Dabei versuchen die Gewerkschaften bereits zu Beginn, eine schnelle Einigung mit dem Management zu erreichen. Gewerkschaftsführer Sándor Németh bekräftigte, dass während des Streiks weiter Gespräche geführt werden und der Streik sofort abgebrochen wird, sollte man ein „akzeptables Angebot“ erhalten.

Der Streik bei Audi ist ein weiterer Schritt einer Streikbewegung in Osteuropa, die vor allem die Autoindustrie ergreift. Im Sommer 2017 streikten VW-Arbeiter in der Slowakei und Fiat-Beschäftigte in Serbien. Vor gut einem Jahr kam es dann zum Arbeitskampf bei Ford im rumänischen Craiova. In Tschechien konnte die VW-Tochter Skoda nur mit Hilfe der Gewerkschaften und einer 12-prozentigen Lohnerhöhung einen Streik abwenden.

Weltweit treten Arbeiter in den Kampf um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Seit zwei Wochen führen mehr als 70.000 Arbeiter von 45 „Maquiladora“-Fabriken im mexikanischen Matamoros an der Grenze zu den USA einen mutigen Kampf, der die Arbeit in Fabriken in der ganzen Stadt zum Erliegen bringt.

Gerade in Ungarn geht die Sorge vor einer Ausweitung der Streiks in den Autowerken um. Im vergangenen Dezember sah sich Mercedes-Benz zu einer Anhebung der Löhne im Werk Kecskemét gezwungen, um Streiks zu verhindern.

Der Streik bei Audi findet vor dem Hintergrund einer weiteren Sparrunde des Ingolstädter Autobauers statt. Audi-Chef Bram Schot kündigte an, dass die Gewinne in den nächsten Jahren deutlich steigen sollen. Mit Umsatzsteigerungen und Kostensenkungen solle das Betriebsergebnis bis 2022 um insgesamt 15 Milliarden Euro wachsen. Das sind fünf Milliarden mehr, als Schots Vorgänger Rupert Stadler geplant hatte.

Finanzvorstand Alexander Seitz erklärte laut dem Manager-Magazin: „Wir müssen noch einmal optimieren.“ Ohne ein ordentliches Sparprogramm würde Audis Umsatzrendite in den kommenden Jahren gegen die Nulllinie laufen. Schot sagte dem Magazin: „Wir müssen schneller entscheiden und mehr riskieren.“ Laut dem Magazin soll vor allem beim Personal gespart werden.

Auch bei Opel in Deutschland ist Personalabbau geplant. Im Werk in Rüsselsheim soll die Produktion gedrosselt werden, dadurch sollen hunderte Arbeitsplätze wegfallen. Ford plant ebenfalls die Streichung tausender Arbeitsplätze in Europa.

Wenn die deutsche IG Metall jetzt vollmundig ihre Solidarität mit dem Streik in Ungarn erklärt und gegen „Billiglöhne“ wettert, ist das pure Heuchelei. In der Praxis setzen Gewerkschaft und Betriebsrat die Pläne des Managements gegen die Belegschaft durch, wobei sie die Belegschaften verschiedener Länder und Standorte gegeneinander ausspielen und bevorzugt ausländische Werke schließen.

Angesprochen auf die geplanten Kürzungen bei Audi erklärte der Neckarsulmer Audi-Betriebsratsvorsitzende Rolf Klotz, der Betriebsrat werde die Sparpläne dann unterstützen, „wenn sie zur Absicherung der Beschäftigung an den deutschen Standorten genutzt werden“. Für die Sicherung der Zukunft müsse Audi nach der Diselkrise enorme Summen aufbringen, rechtfertigte dies Klotz.

Die Arbeiter der verschiedenen Standorte können nur gemeinsam gegen diese Sparpläne kämpfen. Das erfordert die Bildung von unabhängigen Aktionskomitees, die mit den Gewerkschaften brechen, die Streiks in ihre eigene Hand nehmen und sich unverzüglich mit den Kollegen der anderen Werke und anderen Firmen auf der ganzen Welt in Verbindung setzen.

Dabei sind die Arbeiter in ihren Kämpfen mit politischen Fragen konfrontiert. Der Streik bei Audi fällt zusammen mit einer anhaltenden Protestwelle gegen die rechte Regierung von Premier Victor Orban. Seit Wochen demonstrieren Tausende gegen das sogenannte „Sklavengesetz“. Dieses Gesetz, das die Zahl der möglichen Überstunden von 250 auf 400 pro Jahr erhöht, trifft auf erbitterten Widerstand in breiten Schichten der Bevölkerung. Die Proteste richten sich auch gegen eine zur selben Zeit beschlossene Justizreform, die neue, von der Regierung kontrollierte Verwaltungsgerichte einführt, sowie generell gegen die fremdenfeindliche und unsoziale Politik der Fidesz-Regierung.

Das „Sklavengesetz“ ist auf Drängen der einflussreichen Autoindustrie eingeführt worden. Ungarn, die dagegen protestieren, sprechen von einer Lex Audi, Mercedes oder BMW.

Am Samstag protestierten erneut Tausende in Budapest und anderen Städten des Landes. Insgesamt ist es bisher in 60 Städten zu Protesten gekommen. In der Hauptstadt blockierten die Protestierenden eine der zentralen Brücken der Stadt. Obwohl sowohl ultrarechte Kräfte, wie Jobbik, als auch pseudo-linke Gruppierungen versuchen, die Proteste zu kanalisieren und für sich zu nutzen, wird die Ablehnung der Regierungspolitik immer stärker. Jüngsten Umfragen zufolge liegt die Unterstützung der Regierung nur noch bei 30 Prozent. In den letzten Wahlen konnte die Regierungspartei Fidesz noch die absolute Mehrheit erringen.

Die Oppositionsparteien versuchen die Proteste mit radikaler Rhetorik zu dominieren. So erklärte Zsolt Gréczy von der Demokratischen Koalition (DK), einer Abspaltung der Sozialistischen Partei (MSZP), 2019 zum „Jahr des Widerstandes und der Meuterei“. Doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie die Proteste nutzen, um eine Allianz mit der rechtsextremen Jobbik zu schmieden. Bei den im Oktober stattfindenden Kommunalwahlen wollen alle Oppositionsparteien sich auf jeweils einen Kandidaten einigen. Dies schließt ausdrücklich auch Kandidaten der Rechtsextremen ein.

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