Britischer Verteidigungsminister fordert größere „Reichweite und Letalität“ des Militärs nach dem Brexit

In einer Rede vor dem Royal United Services Institute (RUSI) in London unterbreitete der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson am Montag Vorschläge für eine massive Eskalation des britischen Militarismus nach dem Brexit.

Er erklärte, Großbritannien müsse bereit sein, „militärische Gewalt einzusetzen, um unsere globalen Interessen zu wahren“. Im Zentrum seiner Rede stand die Notwendigkeit, Russland (das er 14-mal erwähnte) entgegenzutreten, das „sein militärisches Arsenal wiederaufbaut“. Ebenso wichtig sei die Konfrontation mit China, das „seine modernen militärischen Fähigkeiten und seine wirtschaftliche Macht entwickelt“.

Er zitierte Churchills Aussage, die britischen Streitkräfte müssten in der Lage sein, „eine Schreckensherrschaft entlang den feindlichen Küsten zu entwickeln“. Weiter erklärte er, „Churchills Vision“ sei heute das Ziel „unserer Royal Navy und unserer Royal Marine Commandos“.

Da sich „der eigentliche Charakter der Kriegsführung selbst ändert“ und „die Grenzen zwischen Frieden und Krieg immer mehr verwischt werden“, könnten die britischen Streitkräfte nahezu jeden Vorwand für Militärschläge benutzen.

Die May-Regierung hatte erklärt, sie billige die Rede. Angesichts des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union und der wachsenden Spannungen des Landes mit Deutschland und Frankreich, den beiden größten kontinentaleuropäischen Mächten, hat sie damit bekräftigt, dass für Großbritannien das Bündnis mit den USA militärische Priorität. Williamson erklärte, die Nato sei weiterhin „das Fundament der Verteidigung unserer Nation“. Weiter erklärte er, andere „europäische Nationen müssen bereit und in der Lage sein“, auf „feindselige Handlungen Russlands zu reagieren“. In einem eindeutigen Angriff auf Deutschland und Frankreich betonte er, es ginge vor allem um Folgendes: „Das NATO-Ziel von zwei Prozent [des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben] zu erreichen. Man sollte sich nicht von der Idee einer EU-Armee ablenken lassen.“

Williamson schilderte die vielen Nato-Operationen, an denen Großbritannien bereits beteiligt ist. Unter anderem sei „eine Kampfeinheit nach Estland geschickt worden, um die verstärkte Vorwärtspräsenz der NATO zu unterstützen“. Großbritannien leite die „multinationale Marine-Einsatzgruppen im Mittelmeer und verteidigt den Himmel über dem Schwarzen Meer und dem Baltikum“.

Großbritannien „führt die von neun Staaten gestellte Joint Expeditionary Force an, die in wenigen Monaten ihren ersten Einsatz im Baltikum absolvieren wird“, um sicherzustellen, dass Russlands Nachbarstaaten von „Russlands Einmischung“ verschont bleiben.

Der erste operative Einsatz der HMS Queen Elizabeth, eines der beiden neuen britischen Flugzeugträger, „wird sie u.a. ins Mittelmeer, den Nahen Osten und den Pazifik führen“. Bezeichnenderweise werden sich auf dem Flugzeugträger britische und amerikanische F-35-Kampfflugzeuge befinden. „Wir werden die Reichweite und die Letalität unserer Streitkräfte steigern und die Tatsache betonen, dass die USA unsere engsten Partner bleiben. Wir haben die gleiche Vision der Welt […].Wir haben die einzigartige Fähigkeit, mit US-Truppen auf der ganzen Welt in einer breiten Palette von Bereichen zusammenzuarbeiten. Und wir sind entschlossener denn je, weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten.“

Williamson wiederholte die Behauptungen aus dem Dokument zur Nationalen Sicherheitsstrategie der USA von 2017, das von Präsident Donald Trump unterstützt wurde. Laut diesem Dokument steht den USA eine Ära der „Großmachtkonkurrenz“ mit anderen globalen Mächte bevor.

Dazu erklärte er, in einer solchen Ära „dürfen wir uns nicht damit zufriedengeben, nur unseren eigenen Hinterhof zu schützen. Großbritannien ist eine Weltmacht mit wahrhaft globalen Interessen. Eine Nation mit der fünftgrößten Wirtschaft der Welt, mit dem fünftgrößten Verteidigungsetat und der zweitgrößte Exporteur von Rüstungsgütern. Und da das neue globale ‚Great Game‘ auf einem globalen Feld gespielt wird, müssen wir bereit sein, für unsere Interessen und unsere Werte auch weit fernab der Heimat zu kämpfen.“

Weiter erklärte er, dieses „globale Engagement ist keine reflexartige Reaktion auf den Austritt aus der Europäischen Union. Es geht um eine dauerhafte Präsenz.“ Großbritannien werde eine Gruppe von global einsetzbaren „Mehrzweckschiffen“ für küstennahe Gefechte aufbauen, die „eine breite Palette von Operationen durchführen können, von der Unterstützung in Krisenfällen bis hin zu Kriegseinsätzen“. Diese „Mutterschiffe“ werden „östlich des Suezkanals im Indopazifik und westlich des Suezkanals im Mittelmeer, im Atlantik und in der Ostsee stationiert werden“.

Williamson skizzierte die Erhöhung der Ausgaben für alle Teilstreitkräfte und erklärte, 160 Millionen Pfund aus dem letzten Haushalt würden als Transformationsfonds für Militärausgaben zur Entwicklung von „Schwarmstaffeln netzwerkgesteuerter Drohnen“ bereitgestellt werden, die „die feindliche Luftabwehr verwirren und überwältigen können“. Diese Drohnen sollen bis Ende 2019 einsatzbereit sein.

Die führende Rolle Großbritanniens bei der globalen Massenüberwachung der Bevölkerung soll ebenfalls forciert werden. Dazu erklärte er, Großbritannien wolle die „gefestigte Beziehung mit den USA, Australien, Neuseeland und Kanada als Teil der Allianz dieser fünf Länder (Five Eyes) ausbauen“.

Die Militärausgaben würden durch Extraausgaben „in Höhe von 1,8 Milliarden Pfund auf hohem Niveau gehalten“. Die atomaren Fähigkeiten würden gestärkt, um „die neuen Atom-U-Boote rechtzeitig fertigzustellen. Das bedeutet, dass wir jedes Jahr vier Milliarden Pfund für die ultimative Garantie ausgeben, dass unsere Sicherheit weitere 50 Jahre gewährleistet bleibt“.

Die Brexit-Befürworter in den Medien waren begeistert von Williamsons militaristischer Agenda. Obwohl Williams zu Ausrutschern neigt, gilt er als aufsteigender Stern in den Reihen der Tories. Angesichts der Krise um Premierministerin Theresa May, die angekündigt hat, vor der nächsten Wahl als Parteichefin zurückzutreten, war seine Rede faktisch eine Kandidatur für die Parteiführung.

Allerdings war das Urteil des Guardian vernichtend, obwohl dieser in der Regel jedes Säbelrasseln gegen Russland unterstützt. Der Kolumnist Simon Jenkins verhöhnte Williamsons Rede als heiße Luft, weil eigentlich weitere Milliarden Pfund an Militärausgaben erforderlich wären. Diese Verharmlosung der Bedrohung durch ein Blatt, das sich am stärksten für den Verbleib in der EU ausspricht, indem sie die Tories als unfähige Chaoten darstellt, ist gefährlicher Unsinn.

Die Tories befinden sich in einer schweren Krise, doch Williamson spricht für eine durch und durch vom Militarismus geprägte Partei, die genau weiß, dass die Militärausgaben massiv ansteigen werden. Zudem verleiht Williamson den zunehmenden Forderungen hoher Militärs politischen Ausdruck. Sie fordern, dass der Etat des Verteidigungsministeriums auf Kosten der öffentlichen Ausgaben drastisch erhöht werden muss.

Labours Schatten-Verteidigungsministerin Nia Griffiths, die als Kriegstreiberin bekannt ist, hatte keine substanziellen Einwände gegen Williamson. Sie beschwerte sich nur, dass die globale Ausweitung der Militärmaschinerie des britischen Imperialismus durch Ausgabenkürzungen gefährdet sei: „Die Fähigkeit Großbritanniens, unsere Rolle auf der Weltbühne zu spielen, wurde durch die Kürzungen des Verteidigungsetats während der letzten acht Jahre Tory-Herrschaft völlig untergraben. Die Konservativen haben den Verteidigungsetat seit 2010 um real mehr als neun Milliarden Pfund gekürzt, und sie verkleinern die Streitkräfte jedes Jahr.“

Auf Twitter schrieb sie: „Gavin Williamson spuckt gern große Töne, aber man schaue sich die Leistungen der Tories an: die Armee um 25 Prozent verkleinert, die Luftwaffe um 25 Prozent verkleinert, der Verteidigungshaushalt um neun Milliarden Pfund gekürzt.“

Letzten Juni erklärte Griffith in ihrer eigenen Rede vor dem RUSI, Labour würde „jede Erhöhung der Verteidigungsausgaben wärmstens begrüßen“. Dies bezeichnete sie als entscheidend, da „wir in nur neun Monaten aus der Europäischen Union austreten. Dies wird eine der größten Herausforderungen für unsere globale strategische Rolle seit dem Zweiten Weltkrieg sein.“

Obwohl sich Labour-Chef Jeremy Corbyn in heuchlerischen Worten gegen Krieg und Militarismus ausspricht, hat er zugelassen, dass die Blair-Fraktion die Verteidigungspolitik der Partei diktiert. Im Vorfeld der Wahl 2017 wurde Griffith gefragt, ob sie mit Corbyn darin übereinstimme, den Einsatz von Atomwaffen nicht zu genehmigen. Darauf antwortete sie, dies sei nicht die Politik von Labour: „Wir sind bereit, sie einzusetzen, ich bin garantiert dazu bereit.“

Corbyn fügte sich wieder einmal: In ihrem Wahlprogramm sprach sich die Labour Party sowohl für die Nato als auch für die Erneuerung des Trident-Atomwaffensystems aus. Labour versprach eine vollständige Überprüfung der strategischen Verteidigungsbereitschaft, um „sicherzustellen, dass unsere Streitkräfte angemessen ausgerüstet sind und über genug Mittel verfügen, um auf eine breite Palette von sicherheitspolitischen Herausforderungen zu reagieren“.

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