Frankreich: Macron droht, Kritik am Zionismus zu kriminalisieren

Mit der aktuellen Kampagne gegen Antisemitismus versucht das herrschende Establishment lediglich sein Bestreben zu bemänteln, im Bunde mit der extremen Rechten die Befugnisse der Polizei auszuweiten und gegen den Widerstand der Arbeiterklasse vorzugehen. Das wird in Frankreich von Tag zu Tag deutlicher.

Am Mittwochabend sprach Präsident Emmanuel Macron auf dem jährlichen Diner des Dachverbands jüdischer Organisationen in Frankreich (Crif). Dabei behauptete er nach Art der Rechtsextremen, Antisemitismus gehe hauptsächlich von Muslimen aus und sei mit linken, antikapitalistischen Ansichten in der Arbeiterklasse verbunden.

Macron kündigte an, seine Regierung werde die Definition des Antisemitismus – des rassistischen Hasses auf Juden – abändern. Künftig solle auch Kritik am Zionismus – der nationalistischen Perspektive eines separaten israelischen Staates – als Antisemitismus gelten.

Da antisemitische Äußerungen in Frankreich strafbar sind, würde Macrons Neudefinition jede Kritik an der Politik des Staates Israel kriminalisieren. Kritik an den mörderischen Angriffen Israels auf wehrlose palästinensische Zivilisten und an seinen Kriegsdrohungen gegen den Iran wären fortan illegal. Änderungen am Strafgesetzbuch schloss Macron zwar aus, allerdings werde die neue Definition „die Verfahrensweise unserer Strafverfolgungsbehörden, Richter und Lehrer bekräftigen“.

Am Montag erklärte Macron zudem, er werde im Mai einen neuen Gesetzentwurf einbringen, der unter dem Deckmantel des Kampfs gegen „Volksverhetzung“ die Meinungsfreiheit im Internet ins Visier nimmt. Das neue Gesetz soll es der Regierung erleichtern, ausländische Websites zu zensieren, die laut Macron „regelmäßig die Server wechseln und deshalb heute sehr schwer zu blockieren sind“.

Scharf verurteilte Macron die Anonymität im Internet, d. h. die Möglichkeit, Gedanken und Äußerungen zu verbreiten, ohne dass der Staat gezielt einzelne Personen überwachen kann: „Die Frage der Anonymität wird natürlich aufgeworfen werden. Sie ist zu oft die Maske von Feiglingen. Und hinter jedem Pseudonym verbirgt sich ein Name, ein Gesicht, eine Identität.“

Diese Maßnahmen haben nichts mit dem Kampf gegen Antisemitismus zu tun. Die Regierung reagiert auf den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse gegen soziale Ungleichheit und Austerität, indem sie ihre Überwachungs- und Zensurbefugnisse ausbaut. Denn die Massenproteste der Gelbwesten waren über Facebook und andere soziale Medien organisiert worden.

Macron betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen seiner Regierung und Facebook, die er vor Kurzem angekündigt hat. Seit Anfang des Jahres werden Regierungsvertreter direkt im Zentrum von Facebooks Zensurabteilungen eingesetzt, ohne öffentliche Kontrolle darüber, welche Äußerungen sie aus den sozialen Medien entfernen.

Dass ausgerechnet Macron dieses Programm als Kampf gegen „Antisemitismus“ ausgibt, ist absurd und eine politische Obszönität. Er selbst hatte sich bemüht, den französischen Faschismus zu rehabilitieren, indem er letzten November den Nazi-Kollaborateur und Führer des Vichy-Regimes, Philippe Pétain, als „großen Soldaten“ bezeichnete. Das Vichy-Regime hatte den Massenmord an den französischen Juden organisiert.

Seit letztem Samstag wird die offizielle Kampagne gegen „Antisemitismus“ hochgefahren. Ein Demonstrant hatte den jüdischen politischen Kommentator Alain Finkielkraut, einen rechten Zionisten, mit ordinären Ausdrücken beschimpft und als Zionisten bezeichnet. Wie die Polizei erklärte, stand der Täter bereits zuvor als Mitglied einer islamisch-extremistischen Bewegung unter Beobachtung.

Obwohl die Proteste der „Gelbwesten“ von Anfang an von linkem Widerstand gegen soziale Ungleichheit motiviert waren, werden jetzt Äußerungen eines Einzelnen benutzt, um die gesamte Bewegung als antisemitisch zu brandmarken. Auf diese Weise soll die breite Sympathie für die Bewegung unter Arbeitern und Jugendlichen zerstört werden.

Das Auffälligste an der offiziellen Kampagne ist, wie unter dem Deckmantel des Kampfs gegen Antisemitismus ein Bündnis mit neofaschistischen Parteien gebildet wird, also mit den politischen Nachkommen der Verantwortlichen für den Massenmord an Juden im Holocaust.

Nur einen Tag vor Macrons Rede hatte die Parti Socialiste (PS) Protestveranstaltungen gegen den angeblichen Antisemitismus der „Gelbwesten“ organisiert, an denen sich fast das gesamte politische Establishment beteiligte. Neben der PS und einem Großteil von Macrons Ministern nahmen auch die Republicains, die Kommunistische Partei Frankreichs und Jean-Luc Mélenchon, Führer der bürgerlichen pseudolinken Partei La France Insoumise, teil. Die PS hatte auch die Vorsitzende des neofaschistischen Rassemblement national (RN), Marine Le Pen, eingeladen, die noch vor zwei Jahren erklärt hatte, Frankreich sei „nicht verantwortlich“ für die Massenverhaftung und Deportation der Juden aus Paris im Juli 1942.

Im politischen Establishment ist Le Pens Stern momentan rapide im Aufstieg begriffen, weil ihre Partei am konsequentesten den Militarismus, den Nationalismus und die Unterdrückung repräsentiert, mit der die herrschende Elite auf politische Opposition im Inland reagieren will. Momentan konzentriert sie ihre Propaganda auf aggressive Angriffe gegen Muslime. Dass sie am Dienstag nicht an der Protestveranstaltung der PS teilgenommen hat, rechtfertigte sie mit dem Vorwurf, die großen Parteien hätten „entweder nichts gegen die Ausbreitung islamistischer Netzwerke in Wohnvierteln getan, oder sie gefördert ...“

Dieser Schmutz gibt heute den Ton der offiziellen Politik vor. Prompt warnte Macron in seiner Rede am Mittwoch mehrfach vor dem Anwachsen des „radikalen Islam“ und forderte eine stärkere Überwachung von Arbeitervierteln.

Er erklärte: „Diese Ideologie breitet sich in gewissen Vororten aus wie Wundbrand“ und forderte eine „Eroberung dieser Gebiete durch die Republik“. Die offizielle Kampagne wegen Antisemitismus entwickelt sich immer offener zu einem rassistischen Angriff auf Muslime, der die Unterdrückung der arbeitenden Bevölkerung rechtfertigen soll.

Macron stellte seine Kampagne als Kampf gegen alle politischen Extreme gleichermaßen dar, um zu vertuschen, dass es sich dabei um einen Angriff auf Opposition von links handelt: „Beachten Sie, dass er [Antisemitismus] unterschiedliche Formen annimmt. Kommunisten und Kapitalisten hassen Juden gleichermaßen ... Antisemitismus in allen seinen Formen wird von den Extremen genährt.“

Diese Aussagen sind falsch. Antisemitismus ist, historisch betrachtet, die Ideologie des Faschismus, der mit mörderischer Gewalt gegen Kommunisten vorgegangen ist. Sein gewalttätiger Nationalismus ist unvereinbar mit linker Politik, ganz zu schweigen von sozialistischem Widerstand gegen den Kapitalismus in der Arbeiterklasse. Er ist und war immer das Ressort der extremen Rechten, die jetzt dank der Unterstützung des gleichen politischen Establishments floriert, das die „Gelbwesten“ verleumdet.

Bestätigt wird dies durch Zahlen über den alarmierenden Anstieg antisemitischer Straftaten in Deutschland, die vor Kurzem bekannt wurden. Obwohl das gesamte politische Establishment behauptet, Antisemitismus werde hauptsächlich von Immigranten „importiert“, wurde die überwiegende Mehrheit der antisemitischen Straftaten von rechtsextremen Gruppen verübt.

Macrons Gleichsetzung des Antisemitismus mit allen „Extremen“ soll den Eindruck vermitteln, dass die Linke und jeder soziale Widerstand der Arbeiterklasse inhärent antisemitisch und damit im Wesentlichen kriminell sind. Weiter erklärte er mit Hinweis auf den Antisemitismus: „In unserer heutigen Zeit breiten sich auch andere Formen [des Hasses] aus, darunter Hass auf gewählte Regierungsvertreter, auf Autoritäten und auf den Parlamentarismus.“

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