Sozialistische Arbeiterpartei versucht algerische Protestbewegung in die Irre zu führen

Die kleinbürgerliche Sozialistische Arbeiterpartei (PST) versucht, die Bewegung gegen die Militärdiktatur in Algerien in die Irre zu führen. Arbeiter streiken gegen das Regime, und im ganzen Land gehen Millionen Menschen auf die Straße. Der Kampf stellt die Arbeiterklasse vor die Aufgabe, die Macht zu erobern. Aber die PST schürt die Illusion, dass das blutbefleckte Regime sich selbst reformieren könnte.

Die regierende Nationale Befreiungsfront (FLN) hat die für April vorgesehenen Parlamentswahlen ausgesetzt und erklärt, Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika werde erst zurücktreten, wenn die Proteste beendet werden. Das ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass das Regime den Arbeitern und Jugendlichen überhaupt keine Zugeständnisse machen will und nur nach einem neuen Aushängeschild sucht.

Nun hat die Neue Antikapitalistische Partei (NPA), das französische Gegenstück zur PST, einen Artikel auf ihrer Website gepostet, der behauptet, dieses Manöver sei ein „erstes Zurückweichen des Regimes“, das nun „in einen Sieg über das System verwandelt werden“ müsse.

„Die Ankündigung von Bouteflikas Rücktritt ist das Ergebnis der großartigen Volksbewegung“, schreibt dort das PST-Mitglied Kader Leoni und fügt hinzu: „Aber noch haben wir nicht gewonnen! Bouteflika hat seinen Rücktritt angekündigt … noch ist er aber Präsident!“

Leoni fordert die Selbstreform des FLN-Regimes durch eine Verfassungsreform:

„Das Versprechen einer Zweiten Republik und einer neuen Verfassung könnten auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden oder, was noch schlimmer wäre, dazu benutzt werden, das Regime wieder zu stabilisieren. Dann würde keinerlei Demokratisierung stattfinden, sondern einschneidende Marktreformen, wie sie wichtige Teile der Bourgeoisie und der Armee, im Bund mit imperialistischen Mächten, besonders Frankreich, fordern … Wir müssen die Bewegung weiterführen und Bouteflikas sofortigen Abgang und eine neue verfassungsgebende Versammlung durchsetzen. Diese muss sich auf Delegierte stützen, die während der Mobilisierung, der Selbstorganisation und den anhaltenden Massenstreiks gewählt worden sind.“

Mit diesem Aufruf zur verfassungsgebenden Versammlung wollen die PST und die NPA die Arbeiter und Jugendlichen in Algerien von weiteren Streiks abhalten, sie dem Regime unterordnen und ihre Proteste von der wachsenden internationalen Bewegung der Arbeiterklasse isolieren.

In Frankreich finden seit Monaten die „Gelbwesten“-Proteste statt, und es gibt auch im Sudan und in ganz Nordafrika anhaltende Streiks und Massenproteste. Auf fünf Kontinenten breiten sich Lehrerstreiks aus, und unter den Autoarbeitern entwickelt sich ein massenhafter Widerstand, wie die Streikbewegung in den Maquiladoras von Nordmexiko in diesem Jahr gezeigt hat.

Statt den Kampf der algerischen Arbeiter und Jugendlichen mit dem ihrer internationalen Klassenbrüder und -schwestern zusammenzubringen, fordert die PST dazu auf, ein Team aus Rechtsanwälten zu ernennen und geduldig abzuwarten, dass diese in Gesprächen mit der FLN-Diktatur eine neue Verfassung ausarbeiten.

Die Vorstellung, dieses korrupte Regime könne sich selbst reformieren, ist absurd. Es trägt die Verantwortung für die Ermordung Hunderttausender im blutigen algerischen Bürgerkrieg von 1992–2002. Nachdem die Islamisten die Parlamentswahlen von 1991 gewonnen hatten, führte die FLN diesen Bürgerkrieg, um an der Macht zu bleiben. Bis heute kontrollieren die führenden FLN-Vertreter die Einnahmen aus Gasexporten in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar und kaufen sich aus ihren Bankkonten in Übersee Immobilien in Paris und anderswo, während Millionen Algerier in Armut versinken.

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei fast 30 Prozent, und mehr als zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 30. Die algerische Liga für die Verteidigung der Menschenrechte stellte in einem Bericht von 2015 fest, dass 10 Prozent der Bevölkerung über 80 Prozent des nationalen Reichtums verfügen, während etwa 14 Millionen Menschen in bitterer Armut leben und mit weniger als 1.5 Dollar pro Tag auskommen müssen.

Der Weg vorwärts führt über einen revolutionären Kampf gegen die FLN auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms mit dem Ziel der Machteroberung der Arbeiterklasse. Die Reichtümer, die das FLN-Regime dem algerischen Volk vorenthält, müssen enteignet und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiter gestellt werden. Das muss Bestandteil eines umfassenden Kampfs der internationalen Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus sein. Er muss nicht nur gegen Bouteflika, sondern auch gegen Parteien wie die PST geführt werden, die das Regime verteidigen und sich dabei als seine „sozialistischen“ Gegner ausgeben.

Die Rolle der PST

Die PST behauptet zynisch, sie bekämpfe das Regime, um demokratische Reformen zu verwirklichen, doch während die Zahl aufständischer Arbeiter wächst, steht sie dem Kampf für die unabhängigen Interessen der Arbeiterklasse und dem Aufbau einer revolutionären Führung feindselig gegenüber. Sie agiert praktisch als Flügel des Regimes, um die Bedrohung von unten abzuwehren.

Die PST fordert vage die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung, die sich auf die Protestbewegung stützt, obwohl sie sehr genau weiß, dass gerade in einer solchen Versammlung auch Rechte und Befürworter des „freien Marktes“ Einfluss nehmen werden. Dazu gehören zum Beispiel die Mouwatana-Bewegung unter Führung eines ehemaligen Premiers unter Bouteflika, sowie mehrere Geschäftsleute, die mit der obersten FLN-Führung über Kreuz liegen. In einem am 7. März erschienenen Essay mit dem Titel „Algerien. Von der Krise der Herrschaft zur politischen Krise“ wies PST-Mitglied Hocine Belalloufi darauf hin, dass sich unter die Protestierenden auch „Mitglieder des FCE (ein Forum von Wirtschaftsführern) und „FLN-Bürgermeister und -Mitglieder“ mischten.

Dies sind die Kräfte, die, wenn es nach Belalloufi geht, entscheiden sollen, wie die neue Verfassung Algeriens aussehen soll. Er schreibt weiter, die Bewegung „hat kein ausgearbeitetes Programm, ist nicht organisiert, hat keine gewählten Sprecher und schon gar keine bekannte und ausgewiesene Führung.“ Doch „paradoxerweise machen diese Schwächen gerade jetzt ihre Stärke aus und hindern die Bewegung nicht daran, die Initiative zu ergreifen, in die Offensive zu gehen und Anhänger und Unterstützer zu gewinnen.“

Belalloufi ruft zu einem Bündnis mit Louisa Hanounes Arbeiterpartei (PT) auf, obwohl diese unter Protestierenden als ein Werkzeug des Regimes verspottet wird, und mit Algeriens Gewerkschaften – regierungsfreundlichen Bürokratien, die die FLN selbst nach der Unabhängigkeit von Frankreich 1962 gegründet hatte. Belalloufi schreibt:

„Der linke Flügel der Bevölkerung schlägt mehr oder weniger kohärent eine Lösung von unten vor, die dem Volk eine Stimme verleiht und ihm mit der Perspektive der Wahl einer konstituierenden Versammlung unverzüglich seine Position als alleiniger Souverän zurückgibt. Die PT und die PST glauben, diese Versammlung sollte bestimmen, welche Art Regime eingesetzt wird. Es sollte umgehend demokratische Freiheiten gewähren und die sozialen Bestrebungen und Forderungen der Arbeiter und Armen befriedigen. Die PST schlägt vor, die demokratischen, antimarktwirtschaftlichen und anti-imperialistischen Kräfte zu vereinen und alle Parteien, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zusammenzuschließen, die diese Perspektive teilen.“

Das kommt dem Versprechen gleich, dass die Handlanger desselben Regimes, gegen das die Massen rebellieren, für ein historisches Aufblühen der Demokratie sorgen würden.

Man kann nicht deutlich genug warnen: Die PST und ihre Verbündeten sind Werkzeuge des Regimes und werden es rücksichtslos gegen die Bedrohung von unten verteidigen. Die regierungsfreundlichen algerischen Gewerkschaften haben sich an die Bewegung angehängt. Einige haben, um die Situation unter Kontrolle zu halten, Streiks im Bildungssektor ausgerufen, nachdem die Lehrer über die sozialen Medien selbst welche organisiert hatten. PT und PST sprechen für Schichten von Akademikern, Journalisten und Gewerkschaftsfunktionären, deren Privilegien von ihren engen Beziehungen zum FLN-Regime abhängen, und die eine Revolution gegen das Regime fürchten.

Die nationalistische Orientierung der PST an der FLN wurzelt in den Klasseninteressen ihrer kleinbürgerlichen Basis. Sie rechtfertigt sie mit den antitrotzkistischen Theorien der pablistischen Tendenz, der sie angehört. Ihr Vorläufer, die Revolutionäre Kommunistische Gruppe (GCR), wurde 1974 von Algeriern gegründet, die mit der Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) sympathisierten. Die LCR war Vorläuferin der NPA und französische Sektion der pablistischen Bewegung, die 1953 mit dem Trotzkismus und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI) brach.

Der historische Gründer dieser Bewegung, Michel Pablo, bestand darauf, dass die FLN, die nach dem algerischen Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich die Macht übernahm, gemeinsam mit stalinistischen und anderen bürgerlich-nationalistischen Organisationen für einen neuen Weg zum Sozialismus stehe, der den Aufbau marxistischer Parteien in der Arbeiterklasse überflüssig mache. Obwohl die FLN nicht die Arbeiterklasse, sondern die algerische Bourgeoisie repräsentierte, behauptete Pablo, dass ihre Herrschaft „unweigerlich in eine wirkliche sozialistische Revolution“ münden werde. Auf dieser betrügerischen Grundlage war Pablo einige Jahre lang als Berater für das FLN-Regime tätig.

Durch ihre jahrzehntelange Integration in die herrschenden Kreise wurde die PST in Algerien, genau wie die NPA in Frankreich, zu einer kleinbürgerlichen Ordnungskraft. In ihren Parteinamen bekennen sich beide fälschlich nach wie vor zum Antikapitalismus bzw. zum Sozialismus, doch ihre Politik ist reaktionär. Am deutlichsten zeigt sich das wohl daran, dass die PST sich zwar „anti-imperialistisch“ gibt, jedoch mit der NPA verbündet ist. Diese forderte nach den Arbeiteraufständen in Ägypten und Tunesien 2011 den französischen Imperialismus öffentlich auf, die blutigen Regimewechselkriege in Libyen und Syrien zu unterstützen und darin islamistische Stellvertreter zu bewaffnen.

Die Lehren der ägyptischen Revolution

Die Lehren der revolutionären Ereignisse in Ägypten sind eine besonders eindringliche Warnung vor den Gefahren, die Arbeitern heute von der konterrevolutionären Rolle der PST drohen.

Die Ereignisse in Ägypten von 2011–2013 bestätigten auf negative Weise die Richtigkeit der Strategie der permanenten Revolution, die Leo Trotzki, der Gründer der Vierten Internationale, entwickelt hatte. In Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung und in ehemaligen Kolonien wie Ägypten und Algerien können grundlegende demokratische Rechte, die in vorangegangenen Epochen durch bürgerliche Revolutionen errungen wurden, nur durch den Kampf der Arbeiterklasse errungen werden. Diese muss im Rahmen des internationalen Kampfs für den Sozialismus die unterdrückten Massen anführen, die politische Macht erobern und einen Arbeiterstaat errichten.

Die ägyptische Arbeiterklasse führte einen heroischen Kampf, um das Mubarak-Regime zu stürzen, wurde aber daran gehindert, selbst die Macht zu übernehmen. Dabei spielten die Revolutionären Sozialisten (RS) eine entscheidende Rolle. Sie benutzten „linke“ Phrasen, um die Massen zu täuschen, und stellten sich in den verschiedenen Entwicklungsstufen auf die Seite der einen oder der anderen bürgerlichen Fraktion. Anfangs behaupteten sie, die nach dem Fall Mubaraks installierte Militärjunta werde demokratische Reformen einführen, dann unterstützten sie 2012 mit derselben Begründung die Muslim-Bruderschaft. Schließlich, 2013, stellten sie sich auf die Seite der bürgerlichen Alliierten der Armee, als diese den Putsch vorbereitete.

Ihr beständigstes Merkmal war ihre hartnäckige Feindschaft gegen den Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei der Arbeiterklasse, die um die Macht kämpft. So halfen die RS, den Weg für den Putsch von General Abdel Fattah al-Sisi freizumachen, der ein Massaker an Tausenden von Arbeitern durchführte und in Ägypten erneut eine blutige Militärdiktatur errichtete.

Die PST, die ihre über Jahrzehnte erworbenen Privilegien unter der algerischen Diktatur unbedingt verteidigen will, verfolgt einen Kurs, der nicht weniger reaktionär ist als der der RS.

Der Eintritt der algerischen Arbeiter und Jugendlichen in die revolutionären Kämpfe gegen die FLN und ihre pablistischen Verteidiger bestätigt den jahrzehntelangen Kampf, den das IKVI für den Trotzkismus und gegen den Pablismus geführt hat. Revolutionäre Aufstände rücken jetzt schnell auf die Tagesordnung. Die wichtigste Aufgabe in Algerien ist der Aufbau einer Sektion des IKVI im Kampf gegen den Pablismus, um die Arbeiterklasse mit einer wirklich revolutionären Perspektive und Führung zu bewaffnen.

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