Premierminister Australiens vertuscht politische Wurzeln des faschistischen Anschlags in Neuseeland

Im Laufe der letzten Woche haben Millionen von Australiern durch Mahnwachen, Petitionen und Social-Media-Posts ihre Abscheu und Empörung über das Massaker in zwei neuseeländischen Moscheen, bei dem 50 Muslime getötet wurden, zum Ausdruck gebracht.

Es war eine der schlimmsten faschistischen Gewalttaten seit dem Zweiten Weltkrieg. Dass der Täter, der 28-jährige Brenton Tarrant, in Australien geboren und aufgewachsen ist, vertieft die Erschütterung und Beunruhigung in diesem Land.

Das gesamte politische und mediale Establishment heuchelt zwar Anteilnahme mit den Opfern, weist aber gleichzeitig jede Verantwortung von sich, obwohl die Herrschenden die sozialen Bedingungen und das politische Klima geschaffen haben, in dem solche Tragödien möglich wurden.

Letzten Montag forderte der australische Premierminister in einer Rede ein Ende des „stumpfsinnigen Stammesdenkens“ und von „Hass, Beschuldigungen und Verachtung“. In Wirklichkeit wollte er lediglich herausstellen, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Anschlag in Christchurch und offiziellen Politik in Australien gibt, wo Hetze gegen Flüchtlinge und deren Inhaftierung an der Tagesordnung sind.

Morrison behauptete, „berechtigte Richtungsdebatten“ um „Grenzpolitik“ und die Verringerung der Aufnahme von Immigranten würden von „linken und rechten Stammesdenkern“ vereinnahmt. Der Attentäter, Tarrant, sei „zu Recht dafür verurteilt worden“, dass er Sorgen wegen der Zuwanderung als Rechtfertigung für einen Massenmord benutzt habe. Allerdings müsse man all jene „ebenfalls verurteilen “, die versuchten, die Politik der Regierung mit „Rassenhass“ in Verbindung zu bringen.

Dieser Versuch, die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik von den Morden eines selbsternannten „Ethno-Nationalisten“ zu trennen, ist reine Heuchelei. Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Tarrant und dem parteiübergreifenden Konsens, Flüchtlinge nicht ins Land zu lassen, Asylsuchende unbefristet zu internieren und Muslime zu verteufeln. Diese Politik wurde jahrzehntelang von einer australischen Regierung nach der anderen betrieben, von der liberal-nationalen Koalition ebenso wie von der Labor Party.

Australiens Antiflüchtlings-„Modell“ wird schon länger von den rechtsextremen Netzwerken als Vorbild gepriesen, als deren Anhänger sich Tarrant in seinem „Manifest“ gegen „muslimische Invasoren“ proklamiert. Zu den leidenschaftlichsten Bewunderern dieser brutalen Politik gehören die rechtsextreme Trump-Regierung und die Führer der faschistischen Parteien in ganz Europa, darunter der stellvertretende italienische Ministerpräsident und Lega-Vorsitzende Matteo Salvini, der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, dessen ÖVP Muslime und Flüchtlinge attackiert, und Marine Le Pen vom Rassemblement National in Frankreich.

Tarrant wurde 1991 geboren. Im gleichen Jahr führte die Labor-Regierung unter Hawke und Keating als erste der Welt ein Gesetz ein, das die obligatorische Inhaftierung aller Asylsuchenden vorsieht. Diese Vorgehensweise wird mittlerweile von der Trump-Regierung und in ganz Europa nachgeahmt. Die gleiche Regierung setzte in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften das globale Deregulierungs- und Privatisierungsprogramm durch, das zur Zerstörung von Arbeitsplätzen und Lebensbedingungen in ganz Australien führte. Auch regionale Städte wie Grafton, wo Tarrant aufwuchs, waren davon betroffen. Labors Behauptung, Flüchtlinge seien „Menschen, die sich vordrängeln“, war Teil einer bewussten Politik, mit der die Arbeiterklasse verwirrt und gespalten werden sollte, während man die sozialen Angriffe verschärfte.

Im selben Jahr beeilte sich die Labor-Regierung obendrein, sich dem ersten Überfall der USA auf den Irak anzuschließen. Dies war der Auftakt zu jahrzehntelangem Militarismus mit dem Ziel, die globale Hegemonie des amerikanischen Kapitalismus wiederherzustellen. Seither waren australische Truppen in allen blutigen Kriegen der USA an vorderster Front mit dabei.

In diesem politischen Klima entwickelten sich Tarrants Ansichten. Die australischen Regierungen, egal, ob Koalition oder Labor, haben drei Jahrzehnte lang Nationalismus, Militarismus und Fremdenfeindlichkeit geschürt, um die wachsende Unzufriedenheit über sinkende Reallöhne, die Zerstörung von Vollzeitarbeitsplätzen, die Kürzung von staatlichen Leistungen und den Zerfall der Infrastruktur auf andere Ziele zu lenken.

Premierminister Scott Morrison stellte sich persönlich an die Spitze der Hetzkampagne gegen Muslime. Als Einwanderungsminister war er von 2013 bis 2015 verantwortlich für die „Operation Sovereign Borders“, die Abwehr von Flüchtlingsbooten durch das Militär. Er verschärfte außerdem die Internierungspolitik der früheren Labor-Regierung gegen Asylsuchende, von denen viele vor den Kriegen der USA im Nahen Osten geflohen sind.

Eine frühe Warnung vor dieser Rolle gab es bereits 2010. Laut fundierten Medienberichten hatte Morrison auf ein Treffen des Schattenkabinetts gedrängt, um die Sorgen wegen der „Immigration von Muslimen“ als politische Waffe aufzubauschen. Letzte Woche bezeichnete er diese Berichte als „schändliche Verleumdung und abstoßende Lüge“, gab jedoch später zu, dass er das Thema im Jahr 2010 aufgebracht hatte – angeblich, um die vermeintlichen Bedenken der Öffentlichkeit wegen der Muslime „zu thematisieren, aber nicht auszubeuten“.

Nur wenige Tage nach dem Anschlag von Christchurch gab Morrison eine Verringerung der jährlichen zulässigen Migrantenquote um 15 Prozent auf 160.000 bekannt. Zudem sollen neu angekommene Immigranten drei Jahre lang als Billigarbeitskräfte in ländlichen Gebieten leben und arbeiten müssen, um sich für einen dauerhaften Aufenthalt zu qualifizieren. Der Vorsitzende der Labor Party, Bill Shorten, unterstützte die Ankündigung sofort.

Mehr als 1,3 Millionen Menschen unterzeichneten letzte Woche aus dem fehlgeleiteten Wunsch heraus, ihre politische Abscheu zu äußern, eine Onlinepetition für den Ausschluss des offen rassistischen Senators Fraser Anning aus dem Parlament. Dieser hatte erklärt, die muslimische Einwanderung sei „die wahre Ursache für das Blutvergießen auf den Straßen Neuseelands“. Die Zahl der Unterzeichner war die größte bei einer Petition in der Geschichte Australiens.

Die Empörung der Bevölkerung ist zwar berechtigt, zielt aber in die falsche Richtung. Anning hat nur unverhohlen der giftigen Atmosphäre Ausdruck verliehen, die im Parlament selbst herrscht. Tatsächlich verkörpert Anning, der als Mitglied von Senatorin Pauline Hansons immigrantenfeindlicher Partei One Nation ins Parlament geschickt wurde, die Politik des „Weißen Australiens“, auf deren Grundlage die Labor Party und die Gewerkschaften in den 1890ern gegründet wurden.

Zudem wurde das rassistische, antimuslimische Klima bewusst geschürt, um den US-geführten „Krieg gegen den Terror“ im rohstoffreichen und strategisch wichtigen Nahen Osten zu rechtfertigen. Diesen Krieg haben die australischen Regierungen seit 2001 unterstützt, egal, ob sie von einer Koalition oder von Labor angeführt wurden.

Der Ausschluss eines Abgeordneten wegen seiner Ansichten würde einen undemokratischen Präzedenzfall schaffen. Wie Morrisons Angriffe auf die „Linke“ zeigen, könnte die gleiche Maßnahme auch gegen linke abweichende Meinungen angewandt werden. Der einzige Abgeordnete, der bisher aus dem Parlament ausgeschlossen wurde, war Hugh Mahon. Dies geschah 1920 wegen „aufwieglerischer und illoyaler Äußerungen bei einer öffentlichen Versammlung“, nachdem Mahon das britische Unterdrückungsregime in Irland kritisiert und die Errichtung einer Republik gefordert hatte.

Es sind weiterhin viele Fragen offen, wie Tarrant und seinesgleichen in Australien, Neuseeland und Europa den Massenmord vorbereiten konnten, angeblich, ohne dass die Polizei und die Geheimdienste auf sie aufmerksam wurden. Dennoch war die offizielle Reaktion, die Überwachungsbehörden von aller Schuld freizusprechen und ihre Mittel und Befugnisse auszuweiten.

Morrison stellte weitere Mittel in Höhe von 55 Millionen Dollar für die Installation von Überwachungskameras und anderen Sicherheitssystemen zur Verfügung. Gemeinsam mit Shorten rief er die Betreiber sozialer Netzwerke auf, mehr Postings zu zensieren, und forderte, das Thema auf die Tagesordnung des diesjährigen G20-Gipfels in Japan zu setzen. Diese Maßnahmen werden nicht in erster Linie dazu benutzt werden, faschistische Ansichten zu blockieren, sondern um die demokratischen Rechte und die Kämpfe der Arbeiterklasse gegen soziale Ungleichheit und Krieg zu untergraben.

Obwohl die Ereignisse in Neuseeland für viele Menschen ein Schock waren, ist es kein Zufall, dass der faschistische Attentäter aus Australien stammte. Die herrschende Elite Australiens tut sich international seit langem hervor, wenn es darum geht, die Arbeiterklasse mit immigrantenfeindlicher und nationalistischer Demagogie abzulenken und zu spalten.

Tarrants kaltblütiges Massaker an Muslimen kennzeichnet ein neues Stadium. Die kapitalistischen herrschenden Klassen in aller Welt, von der Trump-Regierung bis hin zu den ultrarechten Regierungen in Europa, fördern in wachsendem Maße faschistische Kräfte, um die aufkommenden Kämpfe der Arbeiterklasse gegen die zunehmende Ungleichheit, die soziale Krise und die Kriegsgefahr zu unterdrücken.

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