Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) tritt zur Europawahl an, um gemeinsam mit ihren Schwesterparteien für ein sozialistisches Programm zu kämpfen. Am Donnerstag verteilte ein SGP-Team am Schichtwechsel von Opel-Rüsselsheim die Einladung zu der Auftaktversammlung in Frankfurt.
Die Opel-Arbeiter erleben seit Jahren immer wieder neue Angriffe auf ihre Löhne und Arbeitsplätze. Ein Leiharbeiter sagte im Vorbeigehen, er werde nur noch wenige Tage im Werk arbeiten: „Die meisten Leiharbeiter sind schon gekündigt.“ Tatsächlich baut die Geschäftsleitung von Opel – ähnlich wie die neue Konzernmutter PSA – die Stammarbeitsplätze systematisch ab und stellt praktisch nur noch Leiharbeiter ein, die sie jederzeit heuern und feuern kann.
In Rüsselsheim soll in der Produktion jeder dritte von heute noch 3000 Stellen wegfallen. Darauf versucht der Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug zurzeit die Belegschaft einzustimmen. Am Dienstag sprach er auf einer Betriebsversammlung über „enorme Überkapazitäten“. Seit der Übernahme durch PSA sind in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern schon 3700 Stellen gestrichen worden. Nun könnten noch einmal 5000 Arbeitsplätze dem Rotstift zum Opfer fallen.
Statt wie bisher 60 sollen nur noch 40 Wagen pro Stunde hergestellt werden. Auch im polnischen Gliwice und im britischen Ellesmere Port drohen Stellenstreichungen und Entlassungen, da der Mutterkonzern PSA wohl dort den Astra auslaufen lässt. In dem spanischen Opel-Werk Saragossa hat PSA letztes Jahr mit Hilfe der Gewerkschaft durch einen fünf Jahre dauernden Knebelvertrag die Löhne und Arbeitszeiten verschlechtert.
Vor zwei Jahren hatte General Motors seine Tochter Opel-Vauxhall an den französischen Konzern PSA (Peugeot, Citroën, DS) verkauft. Die IG Metall und der Opel-Betriebsrat hatten die Übernahme durch PSA freudig begrüßt und die „gute Zusammenarbeit“ mit PSA-Chef Carlos Tavares in den höchsten Tönen gelobt. In Wirklichkeit war von Anfang an klar, dass die Übernahme mit einem radikalen Sparkurs einhergehen würde. Seither hat sich die Lage verschärft: Mit Elektromobilität, Handelskrieg, Brexit und Diesel-Krise stehen hunderttausende Arbeitsplätze in der Auto- und Zulieferindustrie Europas auf der Kippe.
Auch im technischen Forschungszentrum in Rüsselsheim ist die Zukunft von über 7000 Ingenieuren, Technikern und Entwickler nach wie vor ungeklärt. PSA verfügt in Frankreich bereits über eigene Forschungskapazitäten. Der französische Ingenieurdienstleister Segula will 2000 Beschäftigte übernehmen, allerdings ohne den bisher gültigen Flächentarif zu akzeptieren. Den Kollegen, die zu Segula wechseln, werden ihre bisherigen Bedingungen nur bis 2023 garantiert. Was mit den anderen 5000 Angestellten geschehen wird, ist völlig offen.
Die SGP und die Vierte Internationale treten dafür ein, dass die Arbeiter unabhängige Aktionskomitees gründen, um den Kampf gegen diese Angriffe aufzunehmen. Sie müssen sich über Standorte, Konzerne und Länder hinweg zusammenschließen, um gemeinsam ihre Errungenschaften und jeden Arbeitsplatz zu verteidigen. Vor allem aber müssen sie sich unabhängig von der Gewerkschaft organisieren.
Die Gewerkschaft steht auf der Seite des Managements von Opel und PSA, das die Angriffe führt. IG Metall und Opel-Betriebsrat sind in die Konzernleitung integriert, sitzen im Aufsichtsrat und arbeiten daran, Opel in die Gewinnzone zu bringen. Den Sanierungsplan „Pace“ haben sie mit ausgearbeitet. Um ihn gegen die Belegschaft durchzusetzen, versuchen sie deren Widerstand durch Salamitaktik, Beschwichtigungen und Lügen zu lähmen.
Wie die Lokalzeitung Mainspitze berichtet hat, kennen die Betriebsräte die aktuellen Kahlschlagpläne. In einer Resolution, die im Werk kursiert, bezeichnen sie den Abbau der Stammarbeitsplätze als „Schrumpfungsstrategie“, die sie „nicht akzeptieren“ würden. Allerdings haben sie die Arbeiter nicht über den Inhalt der Pläne informiert. Laut dem Mannheimer Morgen schlägt der Betriebsrat vor, als Alternative „eine Übergangsstrategie mit Kurzarbeit“ zu fahren. Diese „Lösung“ geht vollständig zu Lasten der Arbeiter und ihrer Lohneinkünfte. Am Mittwoch, dem 10. April, haben sich IG Metall-Vertreter erneut mit der Geschäftsleitung getroffen, um die Gespräche fortzusetzen.
Die IG Metall und der Betriebsrat rühren keinen Finger, um die Belegschaft zu mobilisieren. Darüber hinaus gehen die Gewerkschaftsfunktionäre mit keinem Wort auf die Situation in den andern Werken des Konzerns ein. Sie sind in keiner Weise daran interessiert, über die Angriffe in den französischen PSA-Werken, bei Opel in Polen oder bei Vauxhall in Großbritannien aufzuklären, weil sie einen gemeinsamen Arbeitskampf aller Opel-, Vauxhall- und PSA-Kollegen genauso fürchten wie das Management.
Die Erfahrung, die die Arbeiter in den letzten Jahren mit diesen so genannten „Arbeitnehmervertretern“ gemacht haben, führen dazu, dass einige von ihnen im Moment keinen Weg vorwärts sehen. Andere zeigen großes Interesse an der Perspektive der SGP und finden es gut, Aktionskomitees zu organisieren und den Kontakt zu den Kollegen in den andern Werken aufzunehmen.
„Ich finde eure Kampagne gut“, sagte Dejan, der schon viele Jahre im Werk Rüsselsheim arbeitet, am Donnerstag. Wie er sagte, kennt er bereits die World Socialist Web Site. „Hier sind viele verunsichert, vor allem weil keiner uns sachlich informiert“, fuhr er fort. „Offenbar sollen noch einmal tausend Arbeitsplätze abgebaut werden.“
Gesprächsthema am Schichtwechsel war auch die jüngste brutale Verhaftung von Julian Assange in London. Ein Arbeiter kommentierte die Nachricht spontan mit den Worten: „Ich habe es gerade gehört: Das sind doch Schweine, die sowas machen!“
Eduardo, ein Arbeiter mit lateinamerikanischem Hintergrund, meinte: „Assange hat nur die Wahrheit aufgedeckt. Er hat die Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak aufgedeckt. Dieser ganze Kriegsmechanismus soll ja weiterlaufen, das bringt Geld. Da geht es um Milliarden. Denen ist es egal, ob Millionen Menschen sterben. Warum sind sie damals im Irak einmarschiert? Offiziell hieß es: der Irak hat Massenvernichtungswaffen. Und was war? Nichts, gar nichts, Null.“
Auf der Versammlung der Sozialistischen Gleichheitspartei am Dienstag in Frankfurt, zu der das Team die Opel-Arbeiter einlud, wird die SGP nicht nur die internationale Strategie der Vierten Internationale zur Verteidigung der Arbeiterrechte vorstellen, sondern auch erläutern, wie der Kampf für die Freiheit von Julian Assange geführt wird. Assanges Verteidigung ist Teil des Kampfs, die sozialen und demokratischen Rechte der gesamten arbeitenden Bevölkerung gegen Faschismus und Krieg zu verteidigen.