Perspektive

Lügen der Medien für Regimewechsel-Krieg in Venezuela

Der gescheiterte Putschversuch von Juan Guaidó in Venezuela hat erneut deutlich gemacht, welche kriminelle Rolle die Mainstreammedien in den USA spielen.

Der selbsternannte „Interimspräsident“, eine Marionette des US-Imperialismus, konnte am 30. April keine nennenswerte Unterstützung für seinen Staatsstreich mobilisieren.

Doch das Video, auf dem Guaidó und Leopoldo Lopez (der Führer der von der CIA finanzierten rechtsextremen Partei Voluntad Popular) zu sehen sind, wie sie umgeben von einigen Dutzend bewaffneter Uniformierter zu einem militärischen Aufstand aufrufen, wurde von den Medien mit hämischer Freude aufgegriffen.

Der Stunt wurde inszeniert, weil die „Herrschaft“ von Guaidó, ein Trugbild der gierigen Phantasie des US-Imperialismus und der großen Ölkonzerne, ihn auch nach 100 Tagen der Kontrolle über Venezuela nicht nähergebracht hat. Obwohl sich das Unterfangen als totales Fiasko erwies, berichteten die Medien unbeirrt, dass das Militär gespalten und das Volk in Aufruhr sei.

Selbst, als das Scheitern des Putschversuchs nicht mehr zu leugnen war, wiederholten CNN und alle großen Sender fortwährend die an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen der Regime-Change-Betreiber aus der US-Regierung, als ob sie unbestreitbare Fakten wären.

Außenminister Mike Pompeo erzählte den Medien, der venezolanische Präsident Nicolás Maduro habe eigentlich ein Flugzeug nach Havanna besteigen wollen, das auf dem Rollfeld in Caracas bereitstehe, sei aber in letzter Minute von den „Russen“ zum Bleiben überredet worden.

Hatte einer der Moderatoren, die diese Darstellung stereotyp wiederholten, irgendwelche Beweise, die über die bloßen Worte des ehemaligen CIA-Direktors hinausgingen? Wenn ja, haben sie sich nicht die Mühe gemacht, das Publikum darüber aufzuklären.

John Bolton, Trumps kriegslüsterner nationaler Sicherheitsberater, gab auf dem Rasen des Weißen Hauses eine Erklärung ab, wonach Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino sowie der Chef des Obersten Gerichtshofs und der Leiter der Palastwache „übereingekommen sind, dass Maduro gehen muss". Sie müssten nun ihre „Versprechungen“ erfüllen oder „mit dem sinkenden Schiff untergehen“.

Auch dies wurde als Tatsache behandelt, obwohl sowohl Padrino als auch der Oberste Gerichtshof Guaidós Vorgehen verurteilten. Bolton wiederholte die Namen der drei Männer im Laufe seiner Ausführungen drei Mal, was sich etwas merkwürdig ausnahm. Offenbar führte der nationale Sicherheitsberater eine Art Informationskrieg, um die venezolanische Regierung zu verunsichern.

Die Washington Post, ein Blatt im Besitz des Amazon-Milliardärs Jeff Bezos, schwenkte in der Putschnacht auf dieselbe Linie ein. Sie erschien mit der Schlagzeile „Das ist kein Putsch. Die Venezolaner haben das Recht, ein repressives, toxisches Regime zu ersetzen.“ Eine passende Unterzeile wäre gewesen: „Traut ihr uns oder euren Augen?“

Die Redakteure der Post erklärten: „Die Venezolaner folgten dem Aufruf von Guaidó zu Straßenprotesten und stießen auf Truppen, die loyal zu Maduro standen. Am späten Nachmittag kam es zu Zusammenstößen. Vertreter des Regimes kündigten einen entscheidenden „Gegenangriff“ an, und niemand konnte wissen, ob die ‚Operation Liberty‘, wie Guaidó diesen hochriskanten Schachzug nannte, Erfolg haben oder niedergeschlagen – oder in einen Bürgerkrieg münden würde.“

„Was nicht mehrdeutig ist oder es zumindest nicht sein sollte, ist die politische und moralische Essenz dieser volatilen Situation“, erklärte die Post .

Den Gestank dieser „moralischen Essenz“ können auch noch so viele Beschwörungen der „Freiheit“ nicht überdecken. Sie riecht unverkennbar nach Öl und Latrine.

Einen „entscheidenden Gegenangriff“ der Regierung gab es nicht, weil gar keiner nötig war. Weder Truppenteile noch eine größere Anzahl von Zivilisten folgten Guaidós über Twitter verbreitetem Video, das zum Sturm auf den Luftwaffenstützpunkt La Carlota und zum bewaffneten Sturz der Regierung Maduro aufrief. Am Ende des Tages hatte Lopez, der als Architekt des Putschversuchs auftrat, erst bei der chilenischen und dann bei der spanischen Botschaft um Zuflucht gebeten. Die Handvoll Soldaten, die zu den rechten US-Marionetten hielten, insgesamt etwa 25, baten um Schutz in der Botschaft von Bolsonaros Brasilien.

Die Partei Guaidós hat ihre Wurzeln in der traditionellen Oligarchie Venezuelas. Deren reaktionäre Herrscher haben sich der Unterdrückung der Arbeiterklasse und der Armen und zahlreicher Verbrechen schuldig gemacht. Ein Beispiel ist das Massaker an Tausenden, die sich im Caracazo-Aufstand von 1989 gegen die Sparpolitik des IWF erhoben. Es übertrifft alle Unterdrückungsmaßnahmen, die Maduro oder sein Vorgänger Hugo Chavez je eingesetzt haben.

Es ist unverkennbar, dass Millionen von Venezolanern in Guaidó und Konsorten den traditionellen Feind der arbeitenden Bevölkerung sehen, und das trotz ihrer Wut über die Verschlechterung der sozialen Bedingungen und über die Korruption der Maduro-Regierung, die der boliburguesía dient, d. h. der privilegierten kapitalistischen Schicht.

Eine Revolution ist definiert als Sturz der Regierung durch das Volk und kann in unserer Epoche nur durch die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen das gesamte kapitalistische System siegen. Der Versuch, einen amtierenden Präsidenten zu vertreiben, indem kleine Gruppen von Bewaffneten mobilisiert werden, um mithilfe einer ausländischen Macht eine Militärbasis zu stürmen, ist im Unterschied dazu ein Putsch – ob es der Post gefällt oder nicht.

Die New York Times sah sich nach dem Fiasko zu einem eigenen Beitrag zur Regime-Change-Operation berufen. Sie veröffentlichte einen Artikel, der angeblich auf einem „geheimen Dossier“ basierte, das von einem umgedrehten venezolanischen Geheimdienstmitarbeiter stammte. Darin werde behauptet, der ehemalige venezolanische Vizepräsident und heutige Industrieminister Tareck El Aissami, Sohn syrischer Einwanderer, habe „darauf gedrängt, die Hisbollah nach Venezuela zu holen“.

Das „Dossier“ trägt alle Merkmale des Journalismus, wie ihn die Times im Vorfeld des US-Angriffskriegs gegen den Irak 2003 mit ihren Berichten über „Massenvernichtungswaffen“ betrieb.

Selbst die Stammleser der Times reagierten mit Misstrauen und Verachtung auf diese Story. Besonders viel Zustimmung erhielt der Kommentar eines Lesers, der Bericht rieche „nach einem konstruierten Vorwand von derselben Sorte wie damals, als es darum ging, Hals über Kopf im Irak einzufallen, Chaos zu verbreiten und den Nahen Osten zu destabilisieren. Man muss sogar sagen, der Geruch ist noch strenger.“

Ein anderer Leser schrieb: „Warum tauchen denn plötzlich ‚geheime Dossiers‘ über die venezolanische Regierung auf? Warum nicht geheime Dossiers über Saudi-Arabien? Warum nicht geheime Dossiers über Ägypten? Warum nicht geheime Dossiers über Israel? Warum nicht geheime Dossiers über Saudi-Arabien? Warum nicht? Weil sich die USA zu 100 Prozent auf den Regimewechsel in Venezuela konzentrieren und in Saudi-Arabien, Ägypten, Israel und anderen Ländern bereits die gewünschten Regime haben.“

In den so genannten Mainstream-Medien erhob sich keine einzige kritische Stimme gegen die Regime-Change-Operation in Venezuela. Die Zeitungen und Nachrichtensendungen bestehen aus Lügen und Propaganda. Ihr Ziel besteht vor allem darin, die ständig wiederholte Drohung, dass „alle Optionen auf dem Tisch liegen“, Wirklichkeit werden zu lassen.

Die Medienbeobachtergruppe Fairness and Accuracy in Reporting (FAIR) hat kürzlich die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die sie unter richtungsweisenden Print- und Rundfunkmedien für den Zeitraum von Januar bis April dieses Jahres durchgeführt hat. Sie gelangte zu dem Schluss: „In der New York Times und der Washington Post erschien kein einziger Kommentar, der sich gegen einen Regimewechsel aussprach oder eine Pro-Maduro/Chavista-Position einnahm. Kein einziger Kommentator der großen drei Sonntagmorgen-Talkshows oder der PBS-Nachrichten sprach sich gegen den Rücktritt von Präsident Nicolás Maduro von der venezolanischen Regierung aus.“

Die Ursache für den Gleichschritt der Leitmedien, für ihre schamlose und offene Unterstützung einer weiteren imperialistischen Regime-Change-Operation und eines neuerlichen Putsches in Lateinamerika, liegt im übermächtigen Interesse des US-Kapitalismus, sich in seiner Krise die uneingeschränkte Kontrolle über die Ölreserven Venezuelas – die größten weltweit – zu verschaffen und den wachsenden wirtschaftlichen und politischen Einfluss Chinas und Russlands zurückzudrängen, hat Washington doch Lateinamerika stets als seinen „Hinterhof“ betrachtet.

Die bereits lang andauernde Degeneration der US-Medien hängt damit zusammen, dass die Kapitalistenklasse in den USA jeden Anschein der Unterstützung von demokratischen Rechten und Verfahren aufgegeben hat. Zwar gab es in den Vereinigten Staaten nie eine goldene Ära der kapitalistischen Presse. Doch selbst die Zeiten, in denen die New York Times und die Washington Post die Pentagon-Papers veröffentlichten, sind längst vorbei. Damals widersetzten sie sich der US-Regierung und brachten die kriminelle Kriegsführung des US-Imperialismus in Südostasien an die Öffentlichkeit.

Diejenigen, die heute versuchen, eine ähnliche Funktion zu erfüllen, sind unter dem Beifall der Kommentatoren und Nachrichtensprecher der vollen Härte staatlicher Repression ausgesetzt.

Das ist das Schicksal des WikiLeaks-Gründers Julian Assange, der vor wenigen Tagen von einem britischen Richter zu fast einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Ihm droht eine Überstellung in die USA und womöglich die Todesstrafe, weil er die Kriegsverbrechen Washingtons aufgedeckt hat. Auch Chelsea Manning sitzt seit fast zwei Monaten im Gefängnis. Die Whistleblowerin aus der Armee hat WikiLeaks mit Informationen versorgt, die US-Verbrechen im Irak und in Afghanistan sowie Verschwörungen auf der ganzen Welt enthüllen. Einen großen Teil ihrer Strafe musste sie in Isolationshaft und ohne notwendige medizinische Versorgung verbringen, weil er sich geweigert hat, dem Staat Beweise gegen Assange zu liefern.

Der Kampf gegen die Kriegsgefahr in Venezuela und die Verteidigung von Assange und Manning ist Sache der internationalen Arbeiterklasse. Ihre Interessen stehen in direktem Gegensatz zu denen der Kriegstreiber in der amerikanischen herrschenden Klasse und ihrer Lakaien in den Medien.

Die World Socialist Web Site ruft alle, die sich der Kriegsgefahr entgegenstellen und Assange und Manning verteidigen wollen, dazu auf, am kommenden Wochenende an der Internationalen Online-Kundgebung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale teilzunehmen.

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