Mueller regt Amtsenthebungsverfahren gegen Trump an

Am Mittwoch gab Sonderermittler Robert Mueller eine überraschende Erklärung ab, die der Fraktion der amerikanischen herrschenden Klasse, die US-Präsident Donald Trump noch vor den Wahlen 2020 aus dem Amt entheben will, neue Munition lieferte.

Mueller erschien vor der Presse, um seine erste öffentliche Erklärung in der Russland-Untersuchung abzugeben. Er hatte zwei Jahre lang Ermittlungen über die angebliche russische Einmischung bei den Wahlen 2016 und mögliche Geheimabsprachen und Justizbehinderung durch Trump und seine Berater geleitet. Der ehemalige FBI-Direktor hielt sich zwar an die Formulierungen des Berichts, den er am 18. April veröffentlicht hatte, widersprach aber deutlich den Behauptungen des Weißen Hauses, sein Bericht würde Trump von den Vorwürfen entlasten.

So betonte Mueller, dass er Trump nicht anklagen könne, weil laut Regeln des Justizministeriums ein amtierender Präsident nicht für Straftaten nach Bundesgesetzen verurteilt werden darf. Aber er sprach Trump nicht von der kriminellen Behinderung der Justiz frei, sondern deutete vielmehr an, dass er den Präsidenten angeklagt hätte, wenn es die Regeln des Justizministeriums nicht geben würde.

Der Sonderermittler sagte: „Wenn wir sicher wären, dass der Präsident eindeutig kein Verbrechen begangen hat, hätten wir das gesagt. Wir haben jedoch keine Feststellung darüber gemacht, ob der Präsident eine Straftat begangen hat.“

Dann forderte Mueller im Wesentlichen den Kongress auf, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten. Er erklärte, dass „die Verfassung einen anderen Prozess als das Strafrechtssystem vorsieht, um einen amtierenden Präsidenten wegen Fehlverhaltens offiziell anzuklagen“.

Mueller ist ein langjähriger Vertreter des Geheimdienst- und Polizeiapparats. Er spricht für eine wachsende Fraktion in der herrschenden Klasse und im Staat, die immer mehr das Vertrauen in Trumps Fähigkeit verliert, die Aufgaben des US-Imperialismus auf internationaler und nationaler Ebene wahrzunehmen.

Man muss sich vor Augen führen, was in den zehn Wochen passiert ist, seit der Mueller-Bericht veröffentlicht wurde:

• Trumps Putschversuch in Venezuela ist gescheitert. Maduro blieb an der Macht, sein Herausforderer Guaido wurde als US-Marionette entlarvt, ist isoliert und hat kaum Unterstützung in der Bevölkerung. Diese Niederlage hat diejenigen in der US-Regierung, die auf eine militärische Intervention drängen, nur noch ermutigt.

• Trump hat den Handelskrieg mit China verschärft. Damit wächst die wirtschaftliche Unsicherheit und droht ein Einbruch an den Finanzmärkten. Jamie Dimon, der Chef der US-Bank JPMorgan Chase, brachte diese Woche die besorgte Stimmung in der Konzern- und Finanzelite zum Ausdruck, als er vor den desaströsen Folgen eines offenen Handelskriegs warnte.

• Trump hat einen Flugzeugträger und eine Bomberstaffel in den Nahen Osten verlegt und mit dem „Ende des Iran“ gedroht. Diese Provokation kann in einen totalen Krieg münden, in dem auch nuklear bewaffnete Mächte wie Russland und China involviert wären.

• Während seiner Japanreise hat Trump öffentlich den Positionen seiner wichtigsten außenpolitischen Berater zu Nordkorea widersprochen und angedeutet, dass es Differenzen über eine mögliche militärische Intervention gegen den Iran gibt.

• Trump unterstützt ausdrücklich rechtsextreme populistische Politiker in Europa, die die Europäische Union angreifen und damit das grundlegende System der internationalen Beziehungen schwächen, das die USA nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hatten, um ihre Hegemonie durchzusetzen.

• Im Inneren lehnt das Weiße Haus die Kontrolle durch den Kongress ab. Der Präsident nimmt unbegrenzte Machtbefugnisse für sich in Anspruch und appelliert zugleich an faschistische Elemente. Damit untergräbt er die verfassungsmäßige Ordnung, die bislang die kapitalistische Herrschaft in Amerika getragen hatte.

Der Teil der herrschenden Klasse, der jetzt in Opposition zu Trump steht, hat keine grundsätzlichen politischen Meinungsverschiedenheiten, wenn es um die Kriegsfrage, die Intervention in Venezuela oder die Verstärkung des Drucks auf China geht. Vielmehr machen sie sich Sorgen, dass Trump zu schwankend und unberechenbar ist, um die imperialistische Strategie der USA umzusetzen. Hinzu kommt die ständige Besorgnis in einflussreichen Kreisen der Geheimdienste und des Militärapparats, dass die Regierung nicht aggressiv genug gegenüber Russland auftritt.

Deshalb konzentriert sich die Kritik der Demokraten an Trump auch nicht auf seine echten Verbrechen: die Masseninhaftierung von Einwandererkindern, die von der UN als Folter bezeichnet wird, die Erklärung des Ausnahmezustands zur Finanzierung seiner Grenzmauer und der Missbrauch seiner Befugnisse, um Kriegsverbrecher zu begnadigen. Stattdessen stützt sich der Widerstand der Demokraten auf die absurden und fabrizierten Behauptungen, Trumps Wahlsieg sei das Ergebnis einer Verschwörung mit dem Kreml gewesen.

Diese Entwicklung findet unter Bedingungen wachsender Kämpfe der Arbeiterklasse in den USA und international statt. Das zunehmende Interesse am Sozialismus versetzt die herrschende Klasse in Angst und Panik. Ein Teil der Bourgeoisie befürchtet, dass die Trump-Regierung zu sprunghaft ist und nicht die erforderlichen Fähigkeiten mitbringt, um mit der aufständischen Arbeiterklasse im eigenen Land fertig zu werden. Diese innenpolitische Sorge verstärkt die Differenzen in der Außenpolitik, die sich angesichts des anhaltenden Rückgangs des amerikanischen Einflusses in der Weltwirtschaft weiter verschärfen.

Muellers Erklärung hat Trumps Gegner angespornt, die Sprecherin der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, zum Kurswechsel zu drängen, damit sie die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten unterstützt. Der Demokrat Corey Booker, Senator in New Jersey, schloss sich den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten Kamala Harris, Elizabeth Warren und Julian Castro an und forderte ein Amtsenthebungsverfahren.

Joe Biden, der ehemalige Vizepräsident und bekannteste Kandidat der Demokraten, sagte, dass „eine Amtsenthebung unvermeidlich sein könnte“, wenn der Präsident seinen derzeitigen Kurs fortsetzt. Der Kongressabgeordnete Justin Amash, der als einziger Republikaner eine Amtsenthebung befürwortet, twitterte: „Der Ball liegt jetzt bei uns, im Kongress.“

Jerrold Nadler, der Vorsitzende des Gerichtsausschusses des Repräsentantenhauses, das für ein Amtsenthebungsverfahren zuständig wäre, erklärte auf einer Pressekonferenz, dass „alle Optionen auf dem Tisch liegen“.

Doch mit jedem Schritt in Richtung einer Amtsenthebung droht der Zusammenbruch des gesamten politischen Systems. Selbst wenn das Repräsentantenhaus Trump anklagen würde, bräuchte es die Unterstützung eines erheblichen Teils der Republikaner, um ihn im Senat zu verurteilen und ihn aus dem Amt zu entfernen. Das würde den politischen Zerfall der Republikanischen Partei bedeuten. Auch kann sich das politische Establishment nicht darauf verlassen, dass Trump eine Amtsenthebung kampflos hinnehmen würde. Er könnte sich, so die Befürchtung, an seine faschistischen Anhänger wenden, um seine Macht mit Gewalt zu verteidigen.

Selbst wenn Trump vom Kongress entfernt werden sollte, würde er durch den nicht weniger reaktionären Vizepräsidenten Mike Pence ersetzt werden.

Die Arbeiterklasse steht vor der entscheidenden Aufgabe, in die politische Krise der kapitalistischen Herrschaft auf der Grundlage ihres eigenen Programms und ihrer eigenen Perspektive einzugreifen. Bei dem Konflikt in Washington stehen sich zwei rivalisierende rechte und militaristische Fraktionen derselben herrschenden Elite gegenüber, die hinter dem Rücken der Bevölkerung operieren.

Wie auch immer dieser Konflikt ausgeht: Er wird zu einer Verschärfung der Kriegspolitik und der Angriffe auf demokratische Rechte führen. Das zeigt bereits die Verfolgung von Julian Assange und Chelsea Manning, die beide Fraktionen voll unterstützen. In seiner Erklärung brachte Mueller erneut die Lüge auf, dass WikiLeaks als Instrument der russischen Regierung fungiert habe, um die „amerikanische Demokratie“ anzugreifen.

Die Demokratische Partei ist weit davon entfernt, eine demokratische und fortschrittliche Alternative zu Trump darzustellen. Sie wird nicht zögern, das Militär und ihre Verbündeten in der CIA und im FBI zu mobilisieren, sollte die Wut der Arbeiter über Krieg, Ungleichheit und Unterdrückung die Existenz ihres Systems gefährden. Seit Trumps Amtseinführung haben die Demokraten alle Bemühungen darauf verwendet, die breite Opposition gegen die Regierung zu unterdrücken, zu zerstreuen und hinter ihre rechte Kriegspolitik zu kanalisieren.

Ihre Angst vor der Arbeiterklasse ist der Hauptgrund, warum die Führung der demokratischen Partei gegen eine Amtsenthebung ist. Sie fürchtet alles, was den Arbeitern eine Möglichkeit eröffnen könnte, ihre eigenen Interessen geltend zu machen.

Die Arbeiterklasse kann es sich nicht leisten, passiv zuzuschauen, wie die herrschende Klasse ihre internen Konflikte auf Kosten der sozialen und demokratischen Rechte austrägt. Der Kampf der Arbeiterklasse für ihre Interessen – für ein Ende der Kriege, für eine grundlegende Umverteilung des Reichtums und für soziale Gleichheit – erfordert den dringenden Aufbau einer politischen Massenbewegung gegen das kapitalistische System und seinen Staat, unabhängig von und gegen die Republikaner und Demokraten.

Loading