Perspektive

Der G20-Gipfel in Osaka: Krieg aller gegen alle

Die Staatsführer, die im japanischen Osaka zum G20-Gipfel zusammenkamen, setzen ausnahmslos auf Handelskrieg, Protektionismus und Militarismus.

Der G20-Gipfel war ursprünglich ins Leben gerufen worden, um eine internationale und multilaterale Reaktion auf die globalen Finanzkrisen der späten 1990er Jahre abzustimmen. Heute wird er wohl am treffendsten mit einem Ausdruck von Thomas Hobbes beschrieben: bellum omnium contra omnes (Krieg aller gegen alle).

Die Meinungsverschiedenheiten, so Bloomberg, „gehen weit über die bekannten Streitpunkte Stahl, Umwelt und Handel hinaus“. Weiter heißt es: „Ein Beteiligter sagte, dass die Kompromissfähigkeit praktisch auf null gesunken sei. Eine andere Person, die am Entwurf beteiligt war, meinte, es seien so viele Vereinbarungen einseitig gebrochen worden, dass sie allmählich bedeutungslos würden.“

Bloomberg schloss mit der Einschätzung: „Ein beteiligter US-Vertreter bezeichnete das Abschlusskommuniqué als reine Zeitverschwendung.“

Seit März 2017, als die G20 die Absage an den Protektionismus aus ihrem Abschlusskommuniqué strichen, hat das Weiße Haus einen Handelskrieg gegen China begonnen, einen Handelskrieg gegen die Europäische Union angedroht und verlangt, dass seine Verbündeten in der NATO und Japan für den Schutz durch das US-Militär bezahlen.

Nach dem letzten G20-Gipfel im Dezember nahm die Entwicklung in Richtung Handelskrieg und militärische Drohungen an Fahrt auf:

• Am 2. Februar setzten die Vereinigten Staaten offiziell die Einhaltung des INF-Vertrags mit Russland aus und begannen, sowohl Russland als auch China mit nuklearfähigen Mittelstreckenraketen einzukreisen.

• Am 10. Mai hat das Weiße Haus die Zölle auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt.

• Am 15. Mai unterzeichnete Trump ein Dekret, das es US-Telekommunikationsunternehmen untersagt, Komponenten an Huawei zu verkaufen, den führenden Telekommunikationsanbieter Chinas und zweitgrößten Smartphone-Hersteller der Welt. Daraufhin rief der chinesische Staatspräsident Xi sein Land zu einem „neuen langen Marsch“ gegen die Vereinigten Staaten auf.

• Am 11. Juni war vorübergehend eine offizielle Doktrin des US-Verteidigungsministerium online, in dem der Einsatz von Atomwaffen gerechtfertigt wurde. Darin hieß es: „Der Einsatz von Atomwaffen könnte die Voraussetzungen für entscheidende Ergebnisse und die Wiederherstellung der strategischen Stabilität schaffen.“

• Am 20. Juni autorisierte die Trump-Regierung Luft- und Raketenangriffe auf den Iran, um sie dann in letzter Minute wieder abzusagen.

• Die Vereinigten Staaten drohten europäischen Unternehmen, die Geschäfte mit dem Iran machen, mit Sanktionen. Außerdem drohten sie Deutschland Sanktionen für den Fall an, dass es den Bau der Pipeline Nord Stream II für Erdgaslieferungen aus Russland weiterverfolge.

• Über diese Konflikte hinaus versuchen die Vereinigten Staaten, die Regierung von Nicholas Maduro in Venezuela zu stürzen, haben der Türkei wegen eines Streits über Raketenabwehrsysteme damit gedroht, die Lieferung von F-35-Kampfjets zurückzuhalten, und Indien wegen Streitigkeiten über Fragen des Handels und der Militärtechnologie Handelsvorteile entzogen.

In allen Mitgliedern der G20 geht der Ausbruch von Handelskrieg und Protektionismus mit Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Angriffen auf Flüchtlinge einher. Als der russische Präsident Wladimir Putin im Vorfeld des Gipfels erklärte, dass die „liberale Idee“, sprich Multikulturalismus und Offenheit gegenüber Ausländern, ausgedient habe, wurde er von führenden westlichen Zeitungen und Politikern scharf verurteilt.

Aber so übel Putins Bemerkungen auch waren, sie spiegeln die politischen Entwicklungstendenzen wider, die in jedem Land vorherrschen.

In Deutschland hat die Regierung der Großen Koalition unter Angela Merkel mit den Ankerzentren Konzentrationslager für Flüchtlinge eingerichtet. Faschistische Banden, die unter dem Schutz des Staates operieren, haben Todeslisten ihrer politischen Gegner erstellt.

In Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron den Nazi-Kooperationspartner Philippe Pétain gelobt, und in den USA wurde mit den Stimmen der Demokraten letzte Woche ein 5-Milliarden-Dollar-Paket verabschiedet, das Trump einen Blankoscheck gibt, seine Konzentrationslager für Flüchtlinge auszubauen, Einwanderer in Massen zu verhaften und das Asylrecht in der Praxis zu beseitigen.

Die offizielle „Opposition“ gegen Trump, d. h. die Demokratische Partei, hat die Woche vor dem Gipfel damit verbracht, dem faschistisch gesinnten Bewohner des Weißen Hauses vorzuwerfen, er gehe nicht hart genug gegen China vor.

So erklärte der Fraktionsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, Trump „darf jetzt nicht weich werden und einen schlechten Deal akzeptieren, der hinter einer Reform der räuberischen Wirtschaftspolitik Chinas zurückbleibt – Cyberspionage, erzwungener Technologietransfer, staatliche Subventionen und vor allem die Verweigerung des Marktzugangs“.

Das Wall Street Journal kommentierte diese Bemerkungen mit den Worten, dass Trump „vielen demokratischen Präsidentschaftskandidaten gegenübersteht, die bereit sind, auf ihn einzudreschen, wenn er ein in ihren Augen schwaches Abkommen mit China akzeptiert“. Weiter heißt es, „bei der Vorwahlkampfdebatte der Demokraten am Mittwochabend bezeichneten vier von zehn Kandidaten China als die größte Bedrohung für die USA“.

Unmittelbar nach Trumps Wahl zum Präsidenten wurde er von Zeitungskolumnisten und außenpolitischen Kommentatoren als Zufallsfigur oder Anomalie in einer ansonsten gesunden „liberalen Weltordnung“ bezeichnet.

Aber die zweieinhalb Jahren seither haben gezeigt, dass Trump nur der klarste Ausdruck eines allgemeinen internationalen Prozesses ist: der Hinwendung aller Teile der herrschenden Elite in jedem Land zu Handelskrieg, Protektionismus, militärischen Konflikten, Fremdenfeindlichkeit und Autoritarismus. Die geopolitische Nachkriegsordnung zerfällt.

Diese Entwicklung bestätigt die Analyse des Internationalen Komitees, dass diejenigen, die in der Zeit vor der Finanzkrise 2008 ein neues goldenes Zeitalter der kapitalistischen Zusammenarbeit ausriefen, die Lehren der Geschichte sträflich vernachlässigten.

Die weltweite Entwicklung seit Ausbruch der Finanzkrise hat die Analyse der großen Marxisten der letzten zweihundert Jahre bestätigt, dass der Kapitalismus unweigerlich zu sozialer Ungleichheit, Krieg und Diktatur führt.

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