Iran überschreitet Obergrenze für Urananreicherung – USA verschärfen Drohungen

Am Montag bestätigte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), dass der Iran die Obergrenze für die Urananreicherung überschritten hat, die in dem Atomabkommen von 2015 festgelegt ist.

Der Iran hatte die Überschreitung der Obergrenze am Sonntag angekündigt. Dabei handelt es sich um einen bewussten Schritt mit dem Ziel, die noch verbliebenen Unterzeichner des Atomabkommens – vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien – unter Druck zu setzen. Sie sollen dazu bewegt werden, Maßnahmen zur Umgehung der verheerenden US-Wirtschaftssanktionen einzuleiten, die einem Kriegszustand zwischen den USA und Iran gleichkommen.

Washington hat durch eine Reihe von Schritten eine Situation geschaffen, in der eine Kleinigkeit eine katastrophalen militärische Konfrontation am Persischen Golf auslösen könnte – einer Region, in der sich ein Drittel der weltweiten Erdgasvorkommen und ein Fünftel der weltweiten Ölvorkommen befinden.

Im Mai 2018 hatte die Trump-Regierung den Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA) zwischen Teheran und den sechs Weltmächten USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland einseitig aufgekündigt. Daraufhin setzte die US-Regierung nicht nur die Sanktionen wieder in Kraft, die durch das Abkommen ausgesetzt worden waren, sondern führte auch noch eine ganze Reihe von weitaus verheerenderen Maßnahmen ein.

Gemäß Abkommen durfte der Iran Uran nur bis zu 3,67 Prozent anreichern. Laut iranischen Behörden wurde die Anreicherung jedoch auf 4,5 Prozent angehoben. Zuvor hatte der Iran im vergangenen Monat angekündigt, man werde vorsätzlich die im JCPoA festgelegte Obergrenze von 300 Kilogramm angereichertem Uran überschreiten. Das Land soll zwar laut Abkommen überschüssige Uranmengen exportieren, doch selbst diese Möglichkeit wird durch das Sanktionsregime beeinträchtigt, mit dem die USA „maximalen Druck“ ausüben wollen.

Teheran nannte weiterhin eine 60-tägige Frist für die europäischen Mächte, in der diese durch konkrete Schritte sicherstellen sollen, dass die Sanktionen gegen den Iran gelockert werden – so, wie es dem Land als Gegenleistung für die drastischen Einschränkungen im Atomprogramm versprochen wurde.

Der Sprecher der Iranischen Atomenergieorganisation (AEOI) Behrouz Kamalvandi sagte am Montag gegenüber der offiziellen staatlichen Nachrichtenagentur ISNA, wenn diese Lockerung der Sanktionen ausbleibe, werde der Iran im dritten Schritt weitere Zentrifugen installieren und Uran auf 20 Prozent anreichern.

Während die Erhöhung von 3,67 auf 4,5 Prozent größtenteils symbolisch ist, würde eine Erhöhung auf 20 Prozent das iranische Atomprogramm in die Lage versetzen, wesentlich schneller den Anreicherungsgrad von 90 Prozent zu erreichen, der für die Produktion von atomwaffenfähigem Uran benötigt wird.

Teheran hat vor und nach dem Abschluss des Abkommens von 2015 immer wieder nachdrücklich dementiert, dass der Iran jemals Atomwaffen entwickeln oder das Atomprogramm für etwas anderes als friedliche Zwecke benutzen wolle.

Führende Vertreter der USA reagierten auf die jüngsten Entscheidungen des Iran mit zahlreichen neuen Drohungen. Präsident Donald Trump erklärte am Montag vor dem Weißen Haus: „Der Iran sollte sich vorsehen.“ Er deutete an, die minimale Erhöhung der Urananreicherung diene der Herstellung von Kernwaffen.

US-Außenminister Mike Pompeo äußerte sich ähnlich. Er schrieb auf Twitter: „Die jüngste Ausweitung seines Atomprogramm wird dem Iran weitere Isolation und Sanktionen einbringen.“

US-Vizepräsident Mike Pence bei einer Rede am Montag [Quelle: C-Span]

Vizepräsident Mike Pence erklärte am Montag in Washington vor einem gleichgesinnten Publikum von Besuchern der rechten evangelikalen Konferenz Christians United for Israel: „Der Iran sollte Amerikas Zurückhaltung nicht mit fehlender Entschlossenheit verwechseln ... Die Vereinigten Staaten von Amerika und unser Militär sind bereit, unsere Interessen, unser Personal und unsere Bürger in der Region zu schützen.“

Die US-Regierung veröffentlichte vor Pences Rede einen vorbereiteten Text, in dem sie ihre „Bereitschaft“ zu Gesprächen mit Teheran erklärte, doch Pence äußerte sich hierzu nicht.

Letzten Monat hatte Trump Luft- und Raketenangriffe auf den Iran, die leicht hätten außer Kontrolle geraten und zum Krieg eskalieren können, nur zehn Minuten vor ihrem geplanten Beginn abgesagt. Die Angriffe waren als Reaktion auf den Abschuss einer 200 Millionen Dollar teuren Überwachungsdrohne vom Typ Golden Hawk angeordnet worden. Teheran behauptete, die Drohne sei in den iranischen Luftraum eingedrungen.

Die Gefahr eines militärischen Flächenbrands ist weiterhin hoch. Der Iran ist von US-Truppenstandorten mit starker Präsenz umzingelt, in denen sich Zehntausende von US-Soldaten befinden. Dazu kommen eine Armada von Kriegsschiffen, zu der eine amphibische Kampfgruppe und eine Expeditionseinheit der US-Marines gehören sowie eine Einheit von atomwaffenfähigen B-52-Bombern.

Die europäischen Mächte reagierten auf die jüngste Entscheidung des Irans mit der Aufforderung, den Verstoß gegen das Abkommen von 2015 rückgängig zu machen. Gleichzeitig widersetzten sie sich den Forderungen aus Washington, mit einer sofortigen Wiedereinführung der Sanktionen zu reagieren.

Der französische Präsident Emmanuel Macron schickt seinen diplomatischen Chefberater zurück nach Teheran, um über das Atomabkommen zu reden. Der Elysée-Palast erklärte am Montag, Emmanuel Bonne werde am Dienstag zum zweiten Mal in wenigen Wochen in den Iran fliegen.

Berlin gibt derweil Teheran die Schuld an der Krise wegen des Atomabkommens. Ein Sprecher des Bundesaußenministeriums erklärte am Montag auf einer Pressekonferenz: „Der Ball liegt klar im Feld des Irans. Wir wollen das Abkommen erhalten. Dazu müssen sich die Parteien daran halten.“

Tatsächlich kann sich Teheran zurecht fragen, warum sich der Iran „daran halten“ sollte. Das Sanktionsregime der USA hat dem Iran die Aussicht auf eine wirtschaftliche Normalisierung genommen, die ihm als Gegenleistung für die umfassenden Zugeständnisse beim Atomprogramm versprochen wurde.

Die europäischen Mächte kündigten letzten Monat die Aktivierung des Handelswerkzeugs Instex an, das die US-Sanktionen und das auf dem US-Dollar basierte Finanzsystem umgehen soll. Allerdings deutet nichts darauf hin, dass diese Maßnahme zu einer nennenswerten Erhöhung der Ölexporte führen wird, die aufgrund der US-Sanktionen von 2,5 Millionen Barrel pro Tag im April auf 300.000 Barrel pro Tag gesunken sind.

Großbritannien befindet sich weiterhin in einem erbitterten Konflikt mit Teheran wegen der Beschlagnahme eines iranischen Supertankers am 4. Juli, der voll beladen mit Erdöl war. Der Iran behauptet, dieser Akt staatlicher Piraterie und militärischer Aggression habe sich in internationalen Hoheitsgewässern vor der Straße von Gibraltar ereignet. London hingegen behauptet groteskerweise, man habe auf Geheiß der Polizei von Gibraltar gehandelt, um die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Syrien durchzusetzen und in diesem Zusammenhang Öllieferungen zu unterbinden.

Allerdings wurde diese Aktion offensichtlich von Washington angeordnet, um die militärische Konfrontation mit dem Iran weiter zu verschärfen.

Iranische Regierungsvertreter erklärten, der Tanker habe nicht das Ziel Syrien angesteuert, da es dort keine ausreichend großen Terminals für ein Schiff dieser Größe gibt. Sie behaupten außerdem, weder Großbritannien noch irgendein anderes europäisches Land hätten das Recht, EU-Sanktionen gegen Nichtmitglieder der EU durchzusetzen.

Der Chef der iranischen Justiz Hodschatoleslam Seyyed Ebrahim Raisi forderte Großbritannien auf, „den Öltanker sofort freizugeben, andernfalls wird man die Konsequenzen tragen müssen“.

Die Drohung, der Iran könnte als Vergeltung ein Schiff unter britischer Flagge beschlagnahmen, soll laut Berichten den britischen Energiekonzern BP dazu gebracht haben, am Montag die Durchfahrt eines Öltankers unter britischer Flagge durch den Persischen Golf abzubrechen. Laut Bloomberg News war der Tanker mit dem Namen British Heritage auf dem Weg zum Ölterminal im irakischen Basra, drehte aber am Samstag ab und stoppte vor der Küste von Saudi-Arabien.

Peking und Moskau reagierten auf die jüngsten Verstöße gegen die Bedingungen des JCPoA, indem sie Washington für die einseitige Aufkündigung des Vertrags kritisierten.

Der chinesische Außenminister Geng Shuang erklärte bei einer Pressekonferenz in Peking: „Die Ursache für die iranische Atomkrise ist der maximale Druck, den die USA auf den Iran ausüben.“ Er fügte hinzu: „Es hat sich erwiesen, dass die einseitige Einschüchterung zu einem immer schlimmeren ,Tumor‘ geworden ist und im globalen Maßstab immer mehr Probleme und größere Krisen schafft.“

China widersetzt sich dem Sanktionsregime der USA und importiert mutmaßlich 200.000 Barrel Öl pro Tag aus dem Iran.

Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte, Russland unterstütze weiterhin den JCPoA. Die Entscheidung des Iran zur Anreicherung von Uran bezeichnete er als eine der „Folgen“ von Trumps Rücktritt von dem Abkommen.

Das russische Außenministerium bezeichnete Washingtons Forderung nach einem außerplanmäßigen Treffen des IAEA-Vorstands am 10. Juli, um über den Verstoß des Irans gegen ein Abkommen zu diskutieren, das die USA selbst vollständig aufgekündigt haben, als „Witz“. Moskau weist darauf hin, dass Teherans Zugeständnisse entsprechend dem JCPoA nichts mit der weiteren Einhaltung der Abkommen über die Nichtverbreitung von Atomwaffen und anderen Protokollen der IAEA zu tun hat, der Iran ebenfalls unterzeichnet hat.

Am Samstag wurden Mitglieder der iranischen Männer-Volleyballmannschaft nach der Ankunft am Chicagoer Internationalen Flughafen O'Hare festgehalten und vier Stunden lang verhört, während andere Nationalmannschaften einfach durchgewunken wurden. Dieser Vorfall war ein weiteres Anzeichen für die Spannungen, die Washington mit der Kampagne gegen den Iran provoziert. Teheran legte am Montag bei der Schweizer Botschaft im Iran, die auch die Interessen der USA im Land repräsentiert, formell Beschwerde ein. Das iranische Außenministerium erklärte, die USA sollten keine weiteren internationalen Sportveranstaltungen mehr austragen, wenn sie die Mannschaften nicht fair behandeln können.

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