Zweite TV-Debatte der Demokraten

Amerika im 21. Jahrhundert: eine soziale Katastrophe

Demokraten wie Republikaner gleichermaßen verantwortlich

Letzte Woche traten die Kandidaten, die sich um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei bewerben, zum zweiten Mal zu einer TV-Debatte an. An der üblichen Mixtur aus Demagogie und Lügen beteiligten sich zwanzig Bewerber, darunter die vier „Spitzenreiter“: der ehemalige Vizepräsident Joe Biden und die Senatsabgeordneten Kamala Harris, Elizabeth Warren und Bernie Sanders.

Der Inhalt der Debatte lässt sich drei Kategorien zuordnen: (1) Versprechungen, die keiner der Bewerber je halten wird, (2) Vorhalten der reaktionären Politik des jeweiligen Debattengegners und (3) Darstellung der eigenen reaktionären Politik als progressiv.

Es gab keine ernsthafte Beschäftigung mit der sozialen Katastrophe in Amerika, für die Demokraten und Republikaner gleichermaßen verantwortlich sind: sinkender Lebensstandard der Arbeiterklasse, verschlechterter Gesundheitszustand der Bevölkerung, Angriffe auf Einwanderer, Polizeimorde, Masseninhaftierungen, ständige Kriege der USA auf der ganzen Welt.

Diese Probleme werden bewusst verschwiegen: Die Demokraten sind ebenso wenig gewillt wie die Republikaner, sich um die brennenden sozialen Fragen zu kümmern. Denn wie sieht die Realität der Arbeiterfamilien aus?

Soziale Ungleichheit

Der Reichtum der herrschenden Klasse erreicht neue Rekordhöhen. Jeff Bezos, der Chef von Amazon, ist mit einem Vermögen von 131,4 Mrd. Dollar die reichste Person der Welt. Das durchschnittliche jährliche Haushaltseinkommen des obersten 1 Prozent liegt in den USA bei etwa 1,8 Mio. Dollar, das Durchschnittseinkommen des untersten Fünftels hingegen bei mageren 21.000 Dollar. Das durchschnittliche Einkommen der zehn wohlhabendsten Privatpersonen ist 222.530 Mal so hoch wie das Jahreseinkommen eines Arbeiters, der 40 Stunden pro Woche für einen Stundenlohn von 15 US-Dollar arbeitet.

Etwa 40 Millionen Menschen leben in Armut, wenn man die absurd niedrige offizielle Armutsgrenze von 25.000 Dollar Jahreseinkommen für eine vierköpfige Familie zugrunde legt. Darunter sind 15 Millionen Kinder. 40 Prozent der Amerikaner geben an, dass es ihnen schwer fallen würde, 400 Dollar für unerwartete Ausgaben (beispielsweise eine Arztrechnung) aufzubringen, da sie sich schon nach der Decke strecken müssen, um für Grundbedürfnisse wie Wohnraum, Verkehrsmittel und Nahrung aufzukommen.

Viele Arbeiterfamilien ersticken in Schulden. Die Kredite, die für die Finanzierung einer Hochschulausbildung aufgenommen wurden, erreichten im vergangenen Jahr die astronomische Gesamtsumme von 1,5 Billionen Dollar. Die Summe der Autokredite stieg in den letzten zehn Jahren inflationsbereinigt um fast 40 Prozent, auf 1,3 Billionen Dollar. Die Verschuldung der Privathaushalte stieg von 1989 bis 2018 um fast 9 Billionen Dollar. 74 Prozent davon entfielen auf die unteren 90 Prozent der Bevölkerung.

Sinkende Lebenserwartung und „Tod durch Verzweiflung“

Die Lebenserwartung, ein wichtiger Indikator für das Wohlergehen einer Gesellschaft, ist in den letzten drei Jahren kontinuierlich gesunken. Der „Tod aus Verzweiflung“ – vorzeitige Todesfälle durch Selbstmord, Alkoholmissbrauch oder eine Überdosis an Medikamenten oder Drogen – nimmt in fast jedem US-Bundesstaat zu. Nach Angaben des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) gab es 2017 mehr als 70.000 solche Todesfälle. In 47.000 davon spielten verschreibungspflichtige Opioide eine Rolle.

Die hohen Kosten oder der Mangel an medizinischer Versorgung führen dazu, dass sich der Gesundheitszustand der Amerikaner verschlechtert. Was steigt, sind die Profite der Pharmaindustrie und des privaten Gesundheitswesens. Ende 2018 hatten 30 Millionen Erwachsene keine Krankenversicherung; und 44 Prozent der Bevölkerung waren „unterversichert“.

Verschlechterung der Arbeitsbedingungen

Die Löhne stagnieren seit zwanzig Jahren. Im vergangenen Jahr stiegen die durchschnittlichen Stundenlöhne nur um rund 3,2 Prozent, was unter Berücksichtigung der Inflation lediglich 1 Prozent entspricht. Im Juli sank die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 34,3 Stunden, da unfreiwillige Teilzeitarbeit weiter um sich greift.

In der Autoindustrie überschlagen sich die Ankündigungen von Werksschließungen. Zugleich laufen die Tarifverträge bei General Motors, Ford und Fiat-Chrysler in Kürze aus. Während der TV-Debatte der Demokraten in Detroit schloss GM sein 78 Jahre altes Getriebewerk in Warren (Michigan). Das Werk ist eines von fünf, die das Unternehmen bis Anfang 2020 in Nordamerika schließen will. Insgesamt gehen dadurch 14.000 Arbeitsplätze in Produktion und Verwaltung verloren.

5.147 Menschen kamen 2017 bei Arbeitsunfällen ums Leben. Betroffen waren Beschäftigte in der Fertigung, in Stahlwerken, im Straßenbau, im Baugewerbe insgesamt, im Einzelhandel und in anderen Dienstleistungsbranchen sowie in zahlreichen weiteren Bereichen.

Die Zahl der Todesfälle infolge unbeabsichtigter Überdosierungen von Alkohol oder nicht-medizinischen Drogen am Arbeitsplatz stieg von 210 im Jahr 2016 auf 272 im Jahr 2017. Damit ist sie zum fünften Mal in Folge um mindestens 25 Prozent angewachsen. Zunehmend machen sich die finanziellen Probleme der Arbeiter in Form von Drogen- und Alkoholmissbrauch am Arbeitsplatz bemerkbar – oft mit tödlichen Folgen.

Gewalt „Made in the USA“

2017 gab es in den USA 39.773 Todesfälle durch Schusswaffen, über 1.000 mehr als im Jahr zuvor. Es war die größte jährliche Gesamtzahl seit 50 Jahren. Fast zwei Drittel dieser Todesfälle waren Selbstmorde, 37 Prozent waren Morde.

Nach Angaben der Washington Post wurden in diesem Jahr (2019) bisher 519 Personen durch Polizeischüsse getötet; 2018 erschoss die Polizei insgesamt 992 Menschen.

In US-amerikanischen Gefängnissen sitzen fast 2,3 Millionen Menschen ein. Dies ist sowohl absolut als auch relativ die höchste Anzahl aller Länder, zu denen entsprechende Daten vorliegen. Der amerikanische Gulag umfasst 1.719 Gefängnisse der Bundessstaaten, 109 Bundesgefängnisse, 1.772 Jugendstrafanstalten, 3.163 lokale Gefängnisse und 80 Indian-Country-Gefängnisse. Hinzu kommen Militärgefängnisse, Haftanstalten für Einwanderer, Zentren für gemeinnützige Arbeit, staatliche psychiatrische Krankenhäuser und Gefängnisse in den Überseegebieten.

Etwa jeder 143. Einwohner Amerikas ist ein Häftling. Zweieinhalbtausend sitzen in Todeszellen. Obwohl die Todesstrafe in der Bevölkerung auf zunehmende Ablehnung stößt, wird sie weiterhin praktiziert. Seit 1973 wurden 1.500 Menschen auf diese Weise getötet, im Jahr 2018 gab es 25 Hinrichtungen in fünf Bundesstaaten.

Der Krieg gegen Immigranten

An einem durchschnittlichen Tag werden in den USA 40.000 Einwanderer festgenommen. Die zuständige Behörde, Immigration and Customs Enforcement (ICE), räumt ein, dass von der Hälfte der Inhaftierten keine Gefahr ausgeht und dass weitere 35 Prozent wegen Verkehrsdelikten und anderen geringfügigen Rechtsverstößen festgehalten werden. Die inhaftierten Einwanderern beschweren sich in erster Linie über unzureichende oder fehlende medizinische Versorgung, schlechte Ernährung und überlange Haftzeiten.

Seit 2018 hat die Trump-Administration in 2.300 Fällen Kinder von ihren Eltern getrennt. Die Kinder oder ganze Familien werden in Käfige gesperrt, müssen unter Brücken hausen oder werden in Zelten glühender Hitze ausgesetzt. Sie werden gezwungen, auf dem nackten Boden zu schlafen, und erhalten keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen und Duschen.

Seit letztem Jahr sind drei Kinder aus Guatemala in US-Haft an Grippe gestorben. Aufgrund des Fehlens einer systematischen Gesundheitsversorgung leiden Einwanderer an vermeidbaren übertragbaren Krankheiten, beispielsweise Tuberkulose, Lungenentzündung, Krätze, Läuse und Mumps.

Anfang dieses Jahres drohte die Trump-Administration mit einer Schleppnetzfahndung, um etwa 2.000 Einwanderer festzunehmen. Zwar wurde diese Zahl nicht erreicht, aber die Bevölkerung dennoch wie geplant tyrannisiert. Diese Bedrohung hat bei breiten Bevölkerungsschichten Widerstand ausgelöst. In den gesamten USA und darüber hinaus fanden Demonstrationen statt. In Nashville verhinderten die Bewohner eines Arbeiterviertels vergangenen Monat die Abschiebung eines Mannes und seines Sohns.

Eine Regierung des Kriegs, der Gewalt und der Kürzungen

Die oben aufgeführten Symptome der sozialen Krise sind ein vernichtendes Urteil nicht nur über die Trump-Regierung, sondern auch über die Demokratische Partei. Nach der TV-Debatte der möglichen Präsidentschaftskandidaten sahen sich die Zeitungen, die den Demokraten nahestehen, dazu veranlasst, Barack Obama gegen die Kritik in Schutz zu nehmen, die an seiner Amtszeit vorgebracht worden war.

Diese Medienvertreter befürchten, dass durch die scheinheilige Kritik an Ex-Präsident Obama mehr herauskommt, als gewollt. Denn in Wahrheit wurde die Politik der Trump-Administration von seinem Vorgänger vorbereitet, und Trumps aktuelle Politik wird von den Demokraten erst ermöglicht.

Soeben hat der US-Senat mit der überwältigenden Mehrheit der Demokraten für das am 1. Oktober beginnende Haushaltsjahr ein Budget verabschiedet, das 738 Milliarden Dollar für das Militär und nur 638 Milliarden Dollar für alle anderen Ausgaben vorsieht. Das Repräsentantenhaus verabschiedete das zugehörige Gesetz vorzeitig – auch dies mit Unterstützung der Demokraten.

Kein Manöver einer der beiden großen Parteien wird etwas am erbärmlichen Zustand der US-Gesellschaft ändern. Beide unterstützen die Ausbeutung der Masse der Arbeiter durch eine kleine Minderheit aufgeblasener Millionäre.

Die massive soziale Krise in den Vereinigten Staaten, die sich in verschiedenen Formen international wiederholt, kann nicht außerhalb einer grundlegenden Umwälzung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegangen werden. Der unvorstellbare Reichtum der herrschenden Elite muss enteignet werden, und die riesigen Banken und Konzerne müssen in öffentliche Versorgungsunternehmen umgewandelt werden. Die Ressourcen, die zurzeit in Krieg und Plünderung fließen, müssen umgelenkt werden, um grundlegende soziale Bedürfnisse zu erfüllen.

Die soziale Katastrophe in Amerika ist ein Produkt des Kapitalismus. Sie muss durch die sozialistische Revolution überwunden werden.

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